Risk & Reward:
Wer investiert heute in Faktorstrategien?
Bernhard Langer:
Unsere gesamte Kundschaft denkt darüber nach, institutionelle Investoren wie Privatanleger. Die Mittelzuflüsse waren beachtlich, denn Investoren wollen stabile relative Erträge, vor allem durch Mehrfaktorenstrategien wie Enhanced Index oder Low Volatility. Aufgrund ihrer Performancehistorie gelten sie als attraktive Kerninvestments für Aktien. Viele Investoren halten diese mäßig aktiven Strategien für eine Alternative zu traditionellen passiven Ansätzen. Wer eher passiv investieren möchte, wird nicht verunsichert, aber zugleich sind die Strategien so aktiv, dass Mehrertrag gegenüber der Benchmark möglich ist, auch nach Kosten.
Risk & Reward:
Dann sind Faktorstrategien also nicht passiv?
Bernhard Langer:
Das ist wirklich ein häufiges Missverständnis. Faktorstrategien im Allgemeinen und Einfaktorenstrategien im Besonderen sind im Vergleich zu traditionellen kapitalisierungsgewichteten Benchmarks meist sehr aktiv.
Risk & Reward:
Und wie ist es bei Smart-Beta-ETFs?
Dan Draper:
Sie sind passiv, da sie einem Index folgen, aber ihr regelbasierter Ansatz macht gezielte Faktorerträge möglich. Solche Konzepte werden heute als Smart Beta bezeichnet. Sie sind ein dynamischer Mittelweg zwischen rein aktiven und traditionellen passiven Anlagen.
Risk & Reward:
Hat sich der Einsatz von Faktoren dadurch geändert?
Dan Draper:
Mit faktorbasierten ETFs kann man auf etablierte Faktoren setzen, mit Ein- oder Mehrfaktorenstrategien. Die Faktoren sind allgemein bekannt und in Wissenschaft wie Praxis gut etabliert. Dadurch kann man besser in sie investieren und hat zugleich ein liquides, handelbares Investmentvehikel.
Risk & Reward:
Können Sie einige Beispiele für solche Faktoren nennen?
Dan Draper:
Value, Momentum, Quality und Low Volatility, um nur einige zu nennen. Ihr Erfolg und ihre Diversifikationsvorteile sind nicht nur empirisch belegt, es gibt auch handfeste ökonomische Argumente. Die Faktoren haben eine echte Performancehistorie. Und es gibt wissenschaftliche Untersuchungen. Mit solchen Faktoren können Investoren vermeiden, auf eine Strategie zu setzen, die nur einer vorübergehenden Mode folgt.
Risk & Reward:
Sie erwähnen zwei unterschiedliche Konzepte und zwei Teams. Warum diese Differenzierung?
Bernhard Langer:
Letztlich sprechen wir über verschiedene individuelle Konzepte. Aber wir haben die gleiche Philosophie. Wenn jemand eine bestimmte Faktorkombination, einen bestimmten Tracking Error oder eine bestimmte erwartete Volatilität wünscht, kann Invesco Quantitative Strategies für ihn eine individuelle Strategie konzipieren, die genau das erreichen soll, auch durch aktive Einzelwertauswahl. Denken Sie an die vier Investmentkonzepte, über die wir immer sprechen: Earnings Expectations, Market Sentiment, Management & Quality und Value. Dan, siehst Du das auch so?
Dan Draper:
Auf jeden Fall. Smart-Beta-ETFs eignen sich für eine diversifizierte Basisanlage mit recht ausgewogenen Faktorgewichten. Investoren können verschiedene Faktorstrategien so kombinieren, dass dies zu ihren Zielen und Risikoprofilen passt. Aber man kann auch bereits vorhandene Anlagen um faktorbasierte ETFs ergänzen. Ein Beispiel: Ein Investor, der bereits in mehrere Value-Strategien mit guter Performancehistorie investiert ist, kann einen momentumbasierten ETF hinzufügen, damit die Faktorgewichte ausgewogener sind. Denkbar sind auch kleine taktische Über- und Untergewichtungen, Long-Short-Positionen und Liquiditätsmanagement.
Risk & Reward:
Heute wollen viele Investoren Stabilität, Stabilität und Stabilität. Gibt es Beweise dafür, dass Faktormodelle für stetige, konsistente Absoluterträge sorgen können?
Bernhard Langer:
Es ist ein Fehlschluss, dass Faktorstrategien allein für stetige Absoluterträge sorgen können. Das schaffen meist nur marktneutrale Strategien. Wir sollten allerdings zwischen Ein- und Mehrfaktorenkonzepten unterscheiden. Einfaktorenstrategien können langfristig positive Absoluterträge erzielen und kapitalisierungsgewichtete Benchmarks hinter sich lassen. Kurz- und mittelfristig kann die absolute wie die relative Wertentwicklung aber sehr volatil sein, mit hohen vorübergehenden Verlusten. Mehrfaktorenansätze mit dem Ziel einer niedrigeren Volatilität können beim Bemühen um stetigere Absoluterträge eine Menge leisten. Aber auch sie können von Marktvolatilität betroffen sein, wenn auch weniger als Strategien, bei denen nicht explizit auf den Low-Volatility- Faktor gesetzt wird. Aber natürlich können wir eine niedrige Volatilität nicht garantieren.
Risk & Reward:
Sie sprechen über Mehrfaktorenportfolios. Aber führt nicht die Kombination verschiedener Faktoren letztendlich zu einer sehr benchmarknahen Anlage, wenn auch zu höheren Kosten?
Bernhard Langer:
Nein. Diese Sicht beruht wohl auf der impliziten Annahme, dass es keine anderen Faktoren außer Value und Growth gibt.
Dan Draper:
Die Risiko- und Ertragsziele von Investoren sind so unterschiedlich wie ihre Ausgangssituationen. Mehrfaktorenstrategien sind eine Paketlösung mit ausgewogenen Faktorgewichten. Einfaktorenstrategien sind taktischerer Natur, doch können Investoren mit ihnen bereits vorhandene Positionen ergänzen.
Risk & Reward:
Wie oft sollte ein Mehrfaktorenportfolio umgeschichtet werden?
Bernhard Langer:
Einige Faktoren – wie Kursmomentum – sind oft sehr dynamisch und kurzlebig. Dann sind häufigere Umschichtungen möglich. Die Portfoliomanager können versucht sein, zu oft zu handeln, sodass Transaktionskosten die Faktorprämien auffressen. Andererseits braucht es bei längerfristigen Faktoren, etwa Value, oft länger, bis sich Erfolge zeigen. Es wird also deutlich seltener umgeschichtet und weniger gehandelt.
Aktives und indexbasiertes Factor Investing
Ein- und Mehrfaktorenansätze im Vergleich
Risk & Reward:
Wie steht es um die Korrelation zwischen Faktoren und ihre Änderungen im Zeitablauf? Was muss man tun, um dann schnell handeln zu können?
Bernhard Langer:
Unserer Ansicht nach muss ein gut diversifiziertes Mehrfaktorenportfolio, das sich für jede Phase des Konjunkturzyklus eignen soll, auf langfristigen Korrelationen aufbauen. Diese Langfristkorrelationen sind meist recht stabil, sodass das Portfolio vermutlich immer diversifiziert ist. Kürzerfristige Korrelationen können aber einen Hinweis auf die aktuelle Position im Konjunkturzyklus geben, und sie können sich für taktische Market- und Faktor-Timing-Strategien eignen. Allerdings verzichten diversifizierte Mehrfaktorenlösungen nach Möglichkeit gezielt auf Market Timing. Auch deshalb streben Mehrfaktorenansätze in aller Regel moderate, aber stabile langfristige Mehrerträge an und setzen dabei auf den Zinseszinseffekt. Mit Timing-Strategien versucht man hingegen oft, das höchstmögliche Alpha zu erzielen – und ist bereit, dafür deutlich größere Ertragsschwankungen zu akzeptieren.
Risk & Reward:
Wie sollen Investoren ihre Portfolios analysieren, um die aktuellen Faktorgewichte zu ermitteln?
Dan Draper:
Kunden können die Faktorgewichte ihrer Portfolios auf unterschiedliche Weise analysieren. Korrelationen und multivariate Regressionen sorgen für eine einfache und klare Einschätzung. Faktorübergewichtungen und -untergewichtungen lassen sich hingegen oft besser mit einer Analyse auf Positionsebene ermitteln. Das erfordert komplexe Hilfsmittel und Daten, daher arbeiten wir bei der Analyse der Faktorgewichte in vielen Ländern mit unseren institutionellen Kunden zusammen. Wir tun dies auf unterschiedliche Weise und setzen multivariate Regressionen auf gemeinsame Faktoren ebenso ein wie sorgfältige Portfolioanalysen, die wir dann umsetzen und prüfen. Dies kann sich lohnen. Kunden, die glauben, dass ihre Portfolios nach den Maßstäben der traditionellen Stilbox ausgewogen sind, sind oft überrascht, wenn sie sehen, wie groß die Faktorübergewichtungen und -untergewichtungen in Wirklichkeit sind.
Risk & Reward:
Lassen Sie uns zum Schluss noch über Invesco als Unternehmen sprechen. Immer mehr gilt Invesco als Spezialist für faktorbasiertes Investieren. Können Sie uns erklären, wie es dazu kam?
Bernhard Langer:
Heute scheint jeder über Factor Investing zu reden. Aber die Idee, dass dieses Konzept Mehrertragspotenzial gegenüber einer traditionellen Benchmark hat, ist keineswegs neu. Es stammt aus den 1960er- Jahren. Und auf diesem Konzept beruht unser Investmentprozess. Wir haben enorme praktische Erfahrung und haben immer intensives Research zum Factor Investing betrieben, damit wir der Konkurrenz stets voraus sind. Neu ist heute aber, dass sich immer mehr Investoren für dieses Konzept interessieren. Wir glauben, gut in der Lage zu sein, die Kundenbedürfnisse hier zu erfüllen.
Dan Draper:
Unsere Kundenbefragungen zeigen, dass das Interesse an Factor Investing weiter zunimmt, insbesondere unter institutionellen Investoren. Die meisten von ihnen verstehen die Faktoren sehr gut, aber sie wünschen mehr Informationen über Einzelheiten ihrer Implementierung im Portfolio. Genau hier können wir Mehrwert schaffen.