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Interview

Dr. Michael Hasenstab/Dr. Calvin Ho (Franklin Templeton): Populismus, Handel und Volatilität in den Schwellenländern

Dr. Michael Hasenstab, CIO von Templeton Global Macro, und Dr. Calvin Ho, Vice President und Deputy Director of Research, diskutieren im Gespräch mit Katie Klingensmith die Turbulenzen in den Schwellenländern, die anhaltenden Sorgen um die Handelspolitik und die gegenläufigen Wachstumstrends in den Industrieländern.
© Franklin Templeton


Katie Klingensmith:  Wie schätzen Sie die globale Landschaft derzeit ein? Ich denke, alles beginnt mit dem anhaltenden Wirtschaftswachstum in den USA?

Michael Hasenstab: Wir haben eine Anerkennung, dass die US-Wirtschaft tatsächlich ziemlich stark ist – ganz gleich, ob man sich die Zahlen des ISM [Institute for Supply Management] ansieht oder die Arbeitsmarktdaten. Sogar der Tonfall der Fed [US Federal Reserve] ändert sich gerade, und sie räumt ein, dass Vollbeschäftigung herrscht und die Wirtschaft derzeit wirklich stark wächst. Wenn man sich die BIP-Zahlen anschaut – oder auch andere Zahlen – sieht die Lage robust aus, und infolgedessen sind bei Staatsanleihen erste Aufwärtsbewegungen zu beobachten, die recht markant ausfallen. Unserer Einschätzung nach ist diese Entwicklung alles andere als abgeschlossen. Wir haben auch beobachtet, dass sich der Yen wieder an der Zinsdifferenz ausgerichtet hat. Mit der Wiederwahl des [japanischen] Premierministers [Shinzō] Abe dürften die Abenomics fortgesetzt werden. Diese sehen eine lockere Geldpolitik vor, während die Fed ihre Politik strafft, und durch diese Zinsdifferenz kommt der Yen weiter unter Druck.

Allgemein haben wir bislang auch ein gewisses Maß an Schwäche beim Euro beobachtet, was Sorgen über Populismus sowie Haushaltsfragen zuzuschreiben ist. Was die Schwellenländer anbelangt, so haben dieses relativ gute Wachstumsumfeld sowie die Tatsache, dass die Türkei isoliert ist und die dortigen Probleme nicht auf die übrigen Schwellenländer übergreifen, für ein gewisses Maß an Stabilität gesorgt. 

Katie Klingensmith: Sie haben die Schwäche des Euro angesprochen, und ich weiß, dass dies ein Bereich ist, den Sie und Ihr Team sehr genau im Auge behalten. Calvin, wie schätzen Sie die aktuellen Geschehnisse im Euroraum ein? 

Calvin Ho: Nun, zunächst einmal denke ich, man sollte nicht vergessen, dass 2017 ein sehr gutes Jahr für den Euroraum war. Das Wachstum lag bei 2,4 %. Wenn man einmal zurückblickt, stellt man fest, dass das Wachstum die Marke von 2,4 % zuletzt im Jahr 2007 erreicht bzw. überschritten hatte. Im Grunde genommen war das letzte Jahr also das beste Jahr für den Euroraum. Wonach wir nun Ausschau halten, ist eine allmähliche Abschwächung des Wachstums. Der Marktkonsens liegt bei etwa 2 %, für das nächste Jahr liegt er knapp unterhalb der Marke von 2 %, aber wir sehen tatsächlich ein Abwärtsrisiko. Ein Grund, warum unsere Schätzung für das potenzielle Wachstum im Euroraum bei etwa 1,5 % liegt. Daher wird es uns nicht überraschen, wenn das Wachstum im kommenden Jahr unterhalb des Marktkonsens von 1,8 % liegt. 

Katie Klingensmith: Und der Aufstieg des Populismus bereitet Ihnen Sorgen, Michael?

Michael Hasenstab: Ich denke, dies ist sicherlich das größte Problem. Calvin und ich haben uns schon häufig darüber unterhalten, und wie er sagt: Die Währungsunion kann nicht funktionieren, wenn man nicht zuerst eine politische Union hat. Genau das ist es, was die USA über mehrere hundert Jahre entwickelt haben. Zunächst muss eine politische Union geschaffen werden, bevor dann ganz am Ende auch eine Währungsunion folgt. Europa hat eine Währungsunion geschaffen, bevor es eine politische Union gab, und hat dann versucht, dies mit Zwang zu erreichen. Und das hat funktioniert bis, ich würde sagen, vielleicht bis letztes Jahr, bis zur Immigrations- und Flüchtlingskrise. 2011 ist es Europa gelungen, gemeinsam eine Lösung zu finden, auch wenn es keine Fiskalunion und keine Bankenunion gab. Sie haben die Bankenunion mehr schlecht als recht zur Hälfte hinbekommen, und dann dafür gesorgt, dass die Fiskalpolitik funktioniert.

Das Problem ist, dass sich die Politik, die von dem getrieben wird, was den Menschen wichtig ist, dramatisch verändert hat. Heute betreffen die größten Sorgen die Flüchtlingskrise, Terrorismus oder Immigration, und diese Änderung der Wählerpräferenzen hat zur Wahl der Fünf-Sterne-Bewegung in Italien geführt. Sie hat zu einer rechtsgerichteten Regierung in Österreich geführt. Sie hat zu sehr stark rechtsgerichteten Regierungen in Ungarn und Polen geführt. Es hat zum Aufstieg nationalistischer und EU-feindlicher Parteien in Deutschland geführt. Diese Idee einer politischen Union ist also sehr schwierig, wenn man eine populistische oder ultranationalistische Stimmung unter den Wählern und den Politikern an der Macht hat, da sich diese tendenziell nach innen wenden, was genau dem Gegenteil einer politischen Union entspricht. Das ist eines der Probleme.

Das andere Problem ist, dass es beim Populismus der meisten dieser Parteien darum geht, viel Geld auszugeben. Die Eurozone kann ohne eine verantwortliche Fiskalpolitik nicht funktionieren, denn wenn sich Italien nicht fiskalpolitisch verantwortlich verhält, werden die Deutschen eine Neutralisierung der Schulden nicht unterstützen. Und ohne diese gemeinsame Entschlossenheit, an einer Art gemeinsamer Fiskalunion zu arbeiten, funktioniert die Eurozone nicht. Daher denke ich, dass Populismus… es sei denn, dies kehrt sich um, und ganz ehrlich sehen wir nirgendwo auf der Welt eine Umkehr dieses Trends… sofern es nicht zu einer Umkehr kommt, gehe ich davon aus, dass das Fundament des Euro als Währung während der nächsten 5 bis 10 Jahre auf die Probe gestellt werden dürfte. Und zwar auf eine ganz erhebliche Probe. 

Calvin Ho: Ich denke, in diesem Zusammenhang ist es interessant, dass Italien nicht wirklich ein einzelnes Land mit Problemen ist. Es spiegelt lediglich die Probleme, die Infrastruktur des Euroraums insgesamt wider. Die einzelnen Länder haben keine unabhängige Geldpolitik. Die Fiskalpolitik wird durch die Stabilitätsvorgaben eingeschränkt. Jetzt haben wir die sozialen Probleme, Immigration, Flüchtlinge, und wenn man dazu noch das betrachtet, was ich zuvor schon erwähnt hatte, dass sich der Ausblick für die europäische Wirtschaft insgesamt abschwächt, wenn man das alles zusammenfügt, sehen wir tatsächlich ein Abwärtsrisiko.

Katie Klingensmith: Was muss Ihrer Meinung nach also geschehen? Welche möglichen Lösungen bieten sich für diese Herausforderungen? 

Calvin Ho: Man kann über eine ganze Reihe von Lösungen nachdenken, über die Volkswirte schon seit vielen Jahren reden. Zum einen werden strukturelle Reformen benötigt. Wenn man den normalen Wechselkurs nicht ändern kann, muss man die Wettbewerbsfähigkeit anhand des realen Wechselkurses ändern. Und was wir natürlich sehen, ist, dass viele Menschen in Europa die kurzfristige Belastung nicht hinnehmen wollen, da die langfristigen Vorteile nicht garantiert sind.

Die zweite Möglichkeit besteht darin, zuzulassen, dass die Menschen von einem Ort zum anderen umziehen. Menschen in den schwächeren Ländern ziehen in die stärkeren Länder. Einmal mehr: kulturelle Barriere, keine politischen Unionen, es ist sehr schwer zu erreichen.

Das Letzte, worauf die Menschen jetzt hoffnungsvoll drängen, womit sie bisher aber keinen Erfolg haben, ist die Fiskalunion. Die Ressourcen einiger Länder, starker Länder, werden an die schwächeren Länder übertragen. Aber dies scheint einmal mehr ein Thema einer politischen Union zu sein, das niemand zu akzeptieren scheint.

Michael Hasenstab: Das war mit Griechenland nur so ganz eben möglich, und die Schuldenstände Italiens sind um einiges höher. Mit dem politischen Wandel und angesichts der Tatsache, dass das Ausmaß des Problems viel größer ist, ist es also sehr schwierig, sich eine Fiskalunion vorzustellen. 

Calvin Ho: Ich denke, es ist möglich. Wenn wir auf die Entwicklung in den USA zurückblicken, die Sie angesprochen haben, wie sich wirtschaftliche Unionen und politische Unionen entwickeln, ist ein wichtiger Faktor, den wir im Hinblick auf die USA berücksichtigen, die Tatsache, dass jeder wichtige Schritt, den die USA unternommen haben, in erster Linie auf eine Krise zurückzuführen war.

Lassen Sie mich nur ein paar Beispiele anführen:

Der Erste Weltkrieg, die USA brauchten Geld, also führten sie eine Einkommensteuer auf Bundesebene ein – eine Krise.  1907 gab es eine gravierende Bankenkrise in den USA – die US-Notenbank wurde gegründet. In den 1930ern kam die Weltwirtschaftskrise – es wurde ein geregeltes Bankensystem eingeführt. Es wurden Einlagengarantien, Versicherungsprogramme für das Bankensystem geschaffen.

Sie sehen also, dass wir in jeder Krise einen Schritt nach vorne gemacht haben. Nun haben wir 10 Jahre im Euroraum, wir hatten eine Krise 2010-2012. Die Frage für uns ist: hat der Euroraum den Mut, diese schwierige Reise fortzusetzen?

Katie Klingensmith: Wie sieht es mit der Rolle der EZB [Europäische Zentralbank] und der möglichen Einstellung ihrer Anreizmaßnahmen aus?

Calvin Ho: Ich denke, die EZB hat klar gemacht, dass sie ihr QE-Programm [zur quantitativen Lockerung] bis Ende dieses Jahres auslaufen lassen wird. Derzeit liegt es bei 15 Mrd. USD pro Monat. Sie hat allerdings auch erwähnt, dass die Zinsen unverändert bleiben sollen – zumindest bis Ende des Sommers [2019]. Ich denke also, es gibt zwei Dinge, die wir uns vor Augen führen müssen. Zum einen hält die EZB Papiere im Wert von mehr als 2 Bio. EUR in ihren QE-Programmen. Diese werden auch weiterhin verlängert werden, so dass die Liquidität nach wie vor vorhanden ist.

Das andere, was noch wichtiger ist, ist das Thema Italien, das Sie bereits angesprochen haben. Wenn die EZB ihre Zinsen ändert, werden die hohen Zinsen zu einer Straffung führen. Dies hat Folgen für die Anleiherenditen dieser gewählten Regierungen, und wir schätzen, dass die besten Nachhaltigkeitswerte Italiens möglicherweise nicht nachhaltig sein werden, wenn der Zinssatz höher als 3,5 % oder 3,6 % ist. Ich denke also, es gibt echte politische und wirtschaftliche Beschränkungen für die EZB, die eine zu starke Straffung verhindern. Daher dürfte sich die Zinsdifferenz zwischen Dollar und Euro weiter verstärken, was für den Dollar positiv sein sollte.

Katie Klingensmith: Kommen wir einmal auf die USA zurück. Michael, Sie hatten den jüngsten Anstieg der Rendite für 10-jährige US-Staatsanleihen bereits erwartet. Wie geht die Entwicklung Ihrer Meinung nach weiter? 

Michael Hasenstab: Vor einem Jahr lag sie bei 2 %, und wir hatten gesagt, dass sie sehr leicht auf 3 % steigen könnte. Das hat damals kaum jemand geglaubt. Heute liegt sie knapp über 3 %, und sie kann ohne Weiteres auf über 4 % steigen. Wir haben einmal mehr viele Fragen bekommen, aber wenn man den perfekten Sturm betrachtet, der sich gebildet hat, um US-Renditen in die Höhe zu treiben, ergeben sich aus unserer Sicht sehr überzeugende Argumente. Wir haben die US-Wirtschaftstätigkeit aufgrund der Deregulierung, Steuersenkungen, und endlich stellt sich auch eine robuste Investitionstätigkeit ein, wo ein über dem Potenzial liegendes Wachstum zu beobachten ist.

Auf der Inflationsseite haben wir einen Arbeitsmarkt, der definitiv mit voller Kapazität läuft. Ich meine, man kann sich eigentlich alle Kennzahlen ansehen. Sei es die Zahl der Menschen, die gezwungen sind, befristete Stellen anzutreten, aber Vollzeitstellen wollen – sie erhalten heute Vollzeitstellen. Auch bei den Lohnpreisdaten ist endlich eine Beschleunigung zu beobachten.

Wir haben einen vollen Arbeitsmarkt, der knapper wird – das wirkt inflationär. Die Handelskonflikte. Ich denke nicht, dass sie so weit eskaliert sind, dass man sie als Handelskriege bezeichnen kann. Aber es gibt Handelskonflikte, was bedeutet, dass US-Verbraucher mehr für ihre Waren zahlen werden. Wir haben von billigen Gütern/Importen aus China profitiert, und diese werden nun teurer werden. All diese Faktoren sind meiner Meinung nach inflationär. Es gibt auf jeden Fall keinen zunehmenden Deflationsdruck.

Betrachtet man dann die US-Regierung – in der Vergangenheit hätte eine republikanische Regierung typischerweise fiskalpolitische Disziplin erkennen lassen. Dieses Mal: null Haushaltsdisziplin. Wir haben den Punkt erreicht, an dem es keinen Unterschied macht, welcher Partei man angehört – die Politiker scheinen Geld ausgeben zu wollen, das wir nicht haben. Also haben wir wachsende Haushaltsdefizite. Darüber hinaus haben wir nun weniger Käufer. Im Gegensatz zur EZB – die EZB wird ihr QE-Programm einstellen, wickelt ihre Bilanz jedoch nicht ab – hat die Fed ein Programm zur Verringerung ihrer Bilanz eingeleitet. Sie wird also nicht wie in der Vergangenheit in der Lage sein, das Defizit zu finanzieren. Und ausländische Käufer, bei denen sich das Wachstum der Reserven stabilisiert hat, vielleicht erhält man einen leichten Anstieg aufgrund höherer Ölpreise, aber die meisten dieser Länder, Saudi-Arabien beispielsweise, haben so massive Haushaltsdefizite, dass sie selbst bei einem Ölpreis von 100 USD nicht mehr so hohe Reserven bilden werden wie in der Vergangenheit. Also, die Chinesen bilden keine Reserven, ölexportierende Länder aufgrund inländischer Probleme und ihrer Haushaltsdefizite auch nicht, und damit sind die beiden größten Käufer, die wir bisher gehabt haben, weggefallen: ausländische Regierungen und die US-Regierung. All dies fällt nun zusammen, und daher sollte diese Entwicklung, die für den ein oder anderen vielleicht überraschend war, wissen Sie, der massive Sprung bei den Renditen auf Staatsanleihen, nicht als Überraschung kommen, und sie dürfte sich aller Wahrscheinlichkeit nach noch fortsetzen. 

Katie Klingensmith: Sie haben die Handelsspannungen angesprochen. Calvin, die aktuellen Entwicklungen bereiten Ihnen keine allzu großen Sorgen?

Calvin Ho: Ich denke, das erste, was man sich vor Augen führen muss, ist die Tatsache, dass wir derzeit nicht wirklich wissen, wie die Situation ausgehen wird. Wenn Sie die Zolldaten der WTO [Welthandelsorganisation] betrachten, liegen die US-Zölle bei etwa 3,5 %. [Süd-]Korea liegt den Statistiken zufolge beispielsweise bei etwa 10 %. Wenn es sich also herausstellt, dass die Zölle in Korea sinken und sich auf der US-Seite nicht erhöhen, stellt dies tatsächlich eine Verbesserung dar.

Der zweite Punkt, den wir nicht außer Acht lassen sollten, ist die Tatsache, dass wir tatsächlich Anzeichen auf Kompromissbereitschaft sehen. Wir sehen eine Einigung zwischen Kanada, Mexiko und den USA. Wir sehen, dass auch [Süd-]Korea und die USA eine Einigung gefunden haben. Wir beobachten also einige positive Signale. Betrachtet man jedoch die spezifischen Auswirkungen der Handelsspannungen, sollte man meiner Meinung nach zunächst bedenken, dass die USA eine relativ geschlossene Volkswirtschaft haben: Der Anteil der Exporte und Importe am BIP beträgt weniger als 20 %. Dann multipliziert man dies mit den Zöllen, mit der Untergruppe der jeweiligen Exporte oder Importe, da das persönliche BIP sehr gering ist. Ich denke also, dass die Auswirkungen der Zölle auf das Wachstum in erster Linie recht gering sind, ganz zu schweigen davon, dass wir in den USA eine Regulierung und eine Steuerreform haben. Diese Impulse dürften die geringen Auswirkungen der Handelsspannungen, die Handelseffekte, problemlos ausgleichen.

Allerdings gibt es einige mittel- oder langfristige Aspekte, die Anlass zur Sorge geben. Ein einfaches Beispiel, wenn wir einmal an 2008-2009 zurückdenken, als die Weltwirtschaft kurz vor einem Zusammenbruch stand: damals haben sich die Zentralbanken jeweils abgesprochen und Zinsen gesenkt und gegenseitige Tauschgeschäfte umgesetzt. Gleichzeitig haben die Regierungen in mehreren Ländern gleichzeitig fiskalpolitische Anreizmaßnahmen eingeführt, da gegenseitiges Vertrauen bestand. Wenn die Handelsspannungen nun zu Misstrauen zwischen den Regierungen führen und wir uns dem Ende des Zyklus nähern – können wir da zuversichtlich sein, dass diese Regierungen effektiv zusammenarbeiten werden, wie wir es 2008-2009 erlebt haben? Aber dies ist eher ein mittel- bis langfristiges Thema, das wir im Auge behalten. Ich denke, dass die Sorgen über die Auswirkungen der Zölle auf die US-Wirtschaft manchmal überzogen ausfallen, da sie, wie bereits erwähnt, marginal sind.

Katie Klingensmith: Gut, wenden wir uns nun einmal den Schwellenländern zu. Während des Sommers war erhebliche Volatilität zu beobachten, und es gab sogar Befürchtungen, die die Probleme der Schwellenländer könnten auf andere Regionen übergreifen. Zuletzt haben wir jedoch ein gewisses Maß an Stabilität erlebt. Was meinen Sie, Calvin? 

Calvin Ho: Nun, ich denke, die beste Möglichkeit, dieses Thema zu betrachten, besteht darin, einmal zurückzublicken, was in den 1980ern passiert ist. Die 1980er waren im Grunde ein verlorenes Jahrzehnt für Südamerika. Und in den 1990ern hatten wir, im Grunde genommen im gesamten Schwellenmarktuniversum, eine Krise nach der anderen. In diesen vergangenen Episoden ließen sich die Krisen mehr oder weniger gut in drei Phasen einteilen. In der ersten Phase sind die Länder im Pac-Wechselkurs [Pazifik], sie haben die Währung überbewertet, sie haben ein Leistungsbilanzdefizit, also bekommen sie viel Druck, dann lassen sie los, was die erste Stufe darstellt, wo eine Ansteckung unter einander besteht.

In der zweiten Phase beginnen die Menschen, Anleger, Volkswirte Dinge in Frage zu stellen, wie z.B. kann die thailändische Regierung ein nachhaltiges Verschuldungsniveau erreichen (dies war das erste Land in der Krise des Jahres 1997), oder hat [Süd-]Korea die Probleme im Unternehmenssektor gelöst, die auf den staatlichen Sektor übergreifen, wodurch Solvenzprobleme aufkommen, und natürlich tritt das ein. In der letzten Phase springt der IWF ein und schnürt Rettungspakete für die einzelnen Länder, um das Problem zu lösen.

Im August haben wir nun mehr oder weniger die erste Phase beobachten können: wir sehen mehrere Schwellenländer, deren Währungen unter Druck gekommen sind, so dass Ansteckungsrisiken bestehen. Die Frage für uns lautet: Befinden wir uns in einer zweiten Phase? Redet irgendjemand beispielsweise über Thailand, das erste Land, das 1997 in die Krise abgerutscht ist? Stellt jemand die Frage, ob die Verschuldung tragbar ist oder nicht? Es scheint aus Sicht der Anleger, dass wir uns ungefähr am Ende der ersten Phase oder am Anfang der zweiten Phase befinden, und die Menschen erkennen: ja, es besteht Druck. Aber noch gibt es in diesen Ländern keinerlei Solvenzprobleme. Ich denke, das ist einer der Hauptunterschiede zwischen dem, was früher war, und der aktuellen Lage.

Michael Hasenstab: Um dem noch etwas hinzuzufügen: Ich denke, die gute Nachricht ist, dass wir mehrere Zeiträume hatten, in denen dieser Druck auf die Wechselkurse zu beobachten war. Ich meine, dies ist nicht das erste Mal, dass der brasilianische Real die Marke von 4 % durchbricht – das ist auch früher schon einmal vorgekommen. Es ist also vorgekommen, dass die erste Phase angetestet wird, ohne dass sich daraufhin die zweite Phase einstellt. Wir haben also keine großen Ausfälle bei Unternehmen oder bedeutende Zahlungsausfälle auf staatlicher Ebene aufgrund schwächerer Wechselkurse beobachtet. Dies zeigt uns, dass der Dominoeffekt, bei dem eine schwache Währung eine Schuldenkrise auslöst, für Länder, die aus der Vergangenheit gelernt haben, unterbrochen wurde. Dies haben wir in ganz Lateinamerika und Asien beobachten können. Die Türkei halte ich nun für ein separates Thema. Die Innenpolitik ist ganz offensichtlich nicht nachhaltig, und das allein ist ein Thema für sich. Aber, wissen Sie, wir hatten massive Abwertungen und keine gravierenden Auswirkungen auf die Realwirtschaft oder diese Nachhaltigkeit. Wir sehen also, dass sich Chancen eröffnen, da der Markt sofort in Panik verfällt, die Wechselkurse abgewertet werden, das Land in Verzug gerät, das ist nicht der Falle.

Katie Klingensmith: Wie sieht es mit den Sorgen aus, dass diese Länder Kapitalabflüssen gegenüber anfällig sein könnten? 

Michael Hasenstab: Viel Kapital ist abgeflossen. Ich meine, nehmen wir beispielsweise einmal Argentinien: das Land war während der letzten 10-15 Jahre von den Kapitalmärkten ausgeschlossen, es gibt kein ausländisches Kapital. Es gibt also nicht wirklich etwas, das abfließen kann. Wir haben ein gewisses Maß an Volatilität beobachtet, es gibt ein paar Länder, die ein bisschen mehr davon haben, andere haben ein bisschen weniger, aber angesichts der Zinsdifferenz zwischen Zinsen von 7,5 % in Mexiko und einer Rendite von, sagen wir einmal 3,25 % auf US-Staatsanleihen, ist dies eine enorme Lücke. Oder Argentinien mit 60 %, dieses Risiko einer Zinsdifferenz geht in mehreren dieser höherrentierlichen Länder zurück oder kehrt sich um, da sie bereits erhöhte Zinsen gehabt haben. Ich denke, das Risiko ist da minimal. Es gibt bestimmte Länder mit niedrigen Renditen, wo sich die Zinsdifferenz umkehren wird, und diese sind anfälliger.

Die Schwellenländer sind also nicht alle gleich, und wir haben uns auf Länder konzentriert, die einen Renditevorteil aufweisen. Wir konzentrieren uns auf Länder mit einer besseren Steuerung ihrer Verschuldung in Dollar und Lokalwährung, die keine enormen Verschuldungsprobleme aufweisen. Und wir konzentrieren uns auf Länder, in denen sich die Politik auf umsichtigere Maßnahmen zubewegt, und weg von dem Populismus, den wir in Ländern wie Italien, den USA oder Großbritannien beobachten. Man muss also sehr selektiv sein. Aber ich denke, es gibt einige Gelegenheiten, und nur weil die Fed ihre Zinsen um 25 oder 50 Basispunkte anhebt, bedeutet das nicht, dass Mexiko in Verzug gerät. Die Schwachstellen Mexikos bei der Tequilakrise der Jahre 1994/1995 waren völlig anders als heute.

Katie Klingensmith: Sie haben Argentinien erwähnt – dieses Land hat zuletzt angesichts der dortigen finanziellen und wirtschaftlichen Herausforderungen erhebliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Michael, wie schätzen Sie die Situation dort ein, und was halten Sie von den äußerst aggressiven geldpolitischen Gegenmaßnahmen, die Präsident Macri und die Regierung ergriffen haben?

Michael Hasenstab: Ich denke, es werden alle politischen Entscheidungen auf Basis einer orthodoxen Ausrichtung richtig getroffen, und das sagen nicht nur wir vom privaten Sektor. Das IWF-Paket in Höhe von fast 57 Mrd. US-Dollar liefert meiner Ansicht nach eine enorme Bestätigung, dass hier die richtige Politik betrieben wird. Der IWF unterschreibt nicht einfach so ein Projekt von mehr als 50 Mrd. USD, ohne überzeugt zu sein, dass genau die richtige Politik zur Haushaltskonsolidierung verfolgt wird. Und das ist meiner Meinung nach ein ziemlich deutliches Signal. Der IWF fungiert quasi als der globale Buchhalter für Schuldennachhaltigkeit, und er hat es abgesegnet. Wenn wir also die in zwölf Monaten anstehende Wahl betrachten, ist die Beliebtheit [Mauricio] Macris aufgrund dieser Volatilität leicht gesunken. Aber zwölf Monate sind eine lange Zeit.

Die Dinge stabilisieren sich, und wenn eine Stabilisierung erreicht wird, kann sich seine Beliebtheit meiner Meinung nach erholen. Wir sehen uns auch nach den anderen politischen Gruppierungen um, die es gibt, und wir haben beobachtet, dass sich Teile der alten peronistischen Partei aufgespalten haben, in [Cristina] Kirchner und eine etwas moderatere Gruppierung. Die Partei Macris hatte mit dieser moderaten peronistischen Gruppe zusammengearbeitet, um viele sehr harte und wichtige Gesetze zu verabschieden. Es gibt in dieser Gruppe also sicherlich rationale Akteure. Es gibt eine ganze Reihe von Politikern, deren Popularität zugenommen hat, beispielsweise der Gouverneur von BA, der eine äußerst umsichtige, orthodoxe Politik vertritt. Wenn wir also die Landschaft insgesamt betrachten, glauben wir nicht, dass das Land allein von einer Personalie abhängt. Allerdings sind wir der Ansicht, dass diese eine Person ausgezeichnete Arbeit geleistet hat. Wir sehen viele weitere politische Ergebnisse, die für das Land ebenfalls positiv sein könnten.

Katie Klingensmith: Apropos Politik und Wahlen: Brasilien befindet sich derzeit mitten im Wahlprozess, wobei ein Kandidat, Fernando Haddad, als linksextrem angesehen wird, der andere hingegen, Jair Bolsonaro, als rechtsextrem. Ist dies im Hinblick auf die dort bestehenden Chancen besorgniserregend?

Michael Hasenstab: Ich denke, in Bezug auf Brasilien ist vor allem wichtig, dass wir – ungeachtet des Wahlergebnisses – das Ende der alten PT [Arbeiterpartei] gesehen haben, die von Populismus, starker Korruption und überhöhten Ausgaben geprägt war. Die Auswahl oder Präferenz der Wähler, sei es für Haddad oder für Bolsonaro, zeigt, dass die Menschen dies nicht mehr haben wollen. Sie wollen keine unbesonnene Finanzpolitik, sie wollen gegen Korruption vorgehen, sei es von links oder von rechts; beide Kandidaten haben diese Botschaft erhalten und würden auf dieser Plattform gewählt werden, und ich denke, dass diese Plattform einer verantwortungsvolleren Finanzpolitik und weniger Korruption für Anleger gut ist. Das sind also die Punkte, auf die wir uns meiner Ansicht nach konzentrieren werden. Wir werden die wirtschaftlichen Plattformen der jeweiligen Kandidaten genau beurteilen. Unsere bisherigen Recherchen und Reisen zeigen uns jedoch, dass wir – ungeachtet des Ergebnisses – positive Veränderungen erwarten können.

Katie Klingensmith: Wenden wir uns einmal Asien zu. Die indische Rupie und die indonesische Rupiah sind zuletzt stark unter Druck gekommen. Bereiten Ihnen diese beiden Länder Sorgen?

Michael Hasenstab: Meines Erachtens sehen wir gerade eine Überreaktion der Märkte. Meiner Ansicht nach wird ihre Anfälligkeit gegenüber dem Ölpreis und etwas höheren Renditen bei US-Staatanleihen im Vergleich zu dem, was der Wechselkurs bewirkt hat, überbewertet. Ihre Leistungsbilanzen sind finanziert. Die Fiskalpolitik ist recht besonnen – im Falle Indonesiens seit fast zehn Jahren. Sie haben keine hohe Staatsverschuldung, und nochmal, sie haben auf diese Abwertung des Wechselkurses ohne Verschuldung, Nachhaltigkeitsprobleme, Zahlungsausfälle bei Unternehmen, etc. reagiert. Darum glauben wir, dass der Markt überreagiert hat.

Ich denke, wenn man einen Zeithorizont von drei Monaten hat, ist eine Anlage in den Schwellenländern sehr schwierig. Wenn man einen Zeithorizont von mehreren Jahren hat, kann man sich diese Panikverkäufe, die nicht fundamentaler Art sind, zunutze machen. Ich denke, wir haben seit dem [US-] Drosselungskoller [im Jahr 2013] etwa ein halbes Dutzend dieser Abverkäufe gehabt, und so gut wie jedes Mal kam es zu einer sofortigen Erholung. Der Abverkauf im August ist noch nicht komplett wettgemacht, aber wir sehen keinen Grund, warum das nicht passieren sollte, da die Fundamentaldaten alle dafür sprechen. Daher sind es meiner Einschätzung nach Anleger mit einem zu kurzen Anlagehorizont, die sich die Finger verbrennen. Sie kaufen, wenn die Lage stabil ist, dann kommt es zu einem Abverkauf, und sie verfallen in Panik und verkaufen. Wenn man jeweils am Tiefststand einer solchen Phase verkauft hat, hat man die Anlageklasse sicherlich inzwischen aufgegeben. Ich denke also, dass ein längerer Zeithorizont wichtig ist. Auch eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Ländern ist von Bedeutung.

Katie Klingensmith: Wie sieht es mit Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren in den Schwellenländern aus? Wie sehr berücksichtigen Sie ESG-Aspekte derzeit bzw. bei Ihrem Ausblick auf die Zukunft?

Michael Hasenstab: Ich denke, für uns ist ESG etwas, das in die Analyse der Schwellenland eingebettet ist. Wenn man die Regierungsstruktur eines Landes, die Dynamik des sozialen Zusammenhalts nicht analysiert, wenn man sich nicht mit den ökologischen Auswirkungen bezüglich des Wachstums eines Landes beschäftigt oder mit den Gesundheitskosten oder sozialen Fragen, versteht man das Land nicht. Daher ist dies etwas, das unser Team immer genau untersucht hat. Allerdings haben wir es niemals in konkreten Zahlen quantifiziert. Daher haben wir kürzlich eine Analyse durchgeführt, im Rahmen derer wir ESG-Kennzahlen aus allen Research-Studien unserer Analysten abgeleitet haben. Daraus haben wir dann einen Basisindex zur Einordnung der jeweiligen Länder entwickelt und anschließend Prognosen erarbeitet, wo wir das jeweilige Land in drei Jahren sehen, um so unsere Anlagen nach dem positiven Delta, d.h. der positiven erwarteten Veränderung auszurichten.

Katie Klingensmith: Dr. Michael Hasenstab und Dr. Calvin Ho – vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Einblicke.



Rechtliche Hinweise:

Die Kommentare, Meinungen und Analysen in diesem Dokument dienen nur zu Informationszwecken und sind nicht als persönliche Anlageberatung oder Empfehlung für bestimmte Wertpapiere oder Anlagestrategien anzusehen. Da die Märkte und die wirtschaftlichen Bedingungen schnellen Änderungen unterworfen sind, beziehen sich Kommentare, Meinungen und Analysen auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung und können sich ohne Ankündigung ändern. Dieses Dokument ist nicht als vollständige Analyse aller wesentlichen Fakten in Bezug auf ein Land, eine Region, einen Markt, eine Anlage oder eine Strategie gedacht.

 

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