2018 könnte der Prozess starten, sofern nichts dazwischen kommt. Leider beginnen sich die konjunkturellen Perspektiven im zweiten Halbjahr einzutrüben. Nicht dramatisch, aber genug, um an den Finanzmärkten hohe Wellen zu schlagen. Bei Risikoassets steigt die Korrekturgefahr, deutsche Bundesanleihen könnten am Ende die Gewinner sein.
Es geht zwar immer noch besser – aber mit Blick auf die konjunkturelle Verfassung der Eurozone befinden wir uns schon ziemlich dicht an einem Idealzustand. Das Wirtschaftswachstum ist robust und wird sowohl von der Binnen– als auch der Auslandsnachfrage getragen. Im 1. Halbjahr 2017 dürfte die Expansionsrate bei 2,5% (annualisiert) liegen, was für die Währungsunion ein rekordverdächtiger Wert ist.
Aber nicht nur die Höhe der Wachstumsraten beeindruckt, auch die sektorale und die regionale Struktur sind ungewöhnlich positiv. In nahezu allen Branchen und Ländern brummt die Konjunktur, selbst die »Sorgenkinder« in der Peripherie können Erfolge vorweisen. In Griechenland ist die jahrelange wirtschaftliche Talfahrt gestoppt, die Arbeitslosenquote ist von 28% auf 22% gesunken, immerhin ein 5-jähriger Tiefststand. Portugal wächst momentan mit einer Rate von knapp 3%, die Arbeitslosenquote hat sich innerhalb von nur vier Jahren auf 9,8% halbiert. Im Durchschnitt der Währungsunion beläuft sich die Arbeitslosenquote auf 9,3%, das ist der tiefste Stand seit 8 Jahren.
Trotz der günstigen realwirtschaftlichen Entwicklung ist der Inflationsdruck nach wie vor nur schwach ausgeprägt. Die Kerninflation dümpelt um 1,0% herum, der seit Anfang 2015 bestehende Aufwärtstrend ist kaum der Rede wert. Deswegen muss es die Europäische Zentralbank mit dem Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik auch nicht sonderlich eilig haben. Allgemein wird damit gerechnet, dass die Währungshüter ihre Anleihenkäufe Anfang 2018 langsam von aktuell noch 60 Mrd. EUR pro Monat auf null zurückfahren. Ende 2018 könnten dann die Einlagensätze erstmals um ein Zehntel auf –0,3% erhöht werden, die Nulllinie gerät damit Ende 2019/Anfang 2020 in Reichweite, 2021 sind dann erstmals wieder positive Zinsen denkbar!
Soweit so gut. Das alles setzt aber voraus, dass sich am günstigen konjunkturellen Umfeld nichts ändert – und hier wird das Idealbild zur Utopie. Denn schon die Perspektiven für die nächsten sechs bis neun Monate verheissen einen Durchhänger. Diese Botschaft unserer weiter voraus blickenden Frühindikatoren wird inzwischen auch von ersten offiziellen Barometern bestätigt.
Verantwortlich für die Abkühlung ist die absehbare Verlangsamung des Expansionstempos in China bzw. den Schwellenländern insgesamt. Hinzu kommt die Euroaufwertung der vergangenen Monate, die ihren Tribut fordert, ausserdem hat der monetäre Rückenwind bereits erkennbar nachgelassen – allen QE-Käufen zum Trotz. So hat sich die Wachstumsrate der wichtigsten Geldmengenaggregate abgeschwächt und auch die Erholung der Kreditnachfrage ist ins Stocken geraten.
In Anbetracht dessen dürfte der Höhenflug der EUR-Einkaufs- und Geschäftsklimaindikatoren im Sommer enden und in eine Abwärtsbewegung einschwenken. Das Wirtschaftswachstum sollte sich im 2. Halbjahr 2017 von 0,6% bis 0,7% pro Quartal auf 0,3% verlangsamen. Das ist weit weg von einem Rezessionsszenario und daher nicht wirklich beunruhigend – aber eben auch kein Grund, um das Exposure in Risikoanlagen weiter zu vergrössern.
Im Gegenteil. Sollten sich die Anzeichen für eine konjunkturelle Konsolidierung verdichten, stellt sich die Frage, ob die EZB den Ausstieg tatsächlich bereits Anfang 2018 starten kann. Profitieren würden am Ende ausgerechnet deutsche Bundesanleihen, die momentan in sämtlichen Portfolios untergewichtet sind. Wenn die Investoren in diesen sicheren Hafen flüchten, kann es dort wegen der QE-bedingten Knappheit ziemlich teuer werden.