Patrick Picenoni ist sicher: „Die Bedeutung des Brexits für die Weltwirtschaft wird überschätzt.“ Das Finanzsystem sei heute relativ sicher, und die Notenbanken stünden Gewehr bei Fuß, sagte der Schweizer Vermögensverwalter von der Fondsgesellschaft Conren auf dem Kongress „Funds excellence“ in Frankfurt. Daher habe er am vergangenen Freitag Aktien gekauft.
Vom Brexit zu Trump
„Es ist nicht nur der Brexit“, meinte Peter Dreide von TBF Global Asset Management. „Das Land steht still“, sagte er über die kurzfristigen wirtschaftlichen Aussichten Großbritanniens. Daraus könne ein Rezessionsrisiko nicht nur für Großbritannien, sondern für ganz Europa entstehen. Aber damit endeten die Risiken nicht: „Das nächste Risiko für den Aktienmarkt heißt Trump.“ Und ein noch größeres Risiko sei die Entwicklung in China, wo erhebliche Überkapazitäten existierten. Auch wenn China weiter wachsen werde und eine Rezession in den Vereinigten Staaten unwahrscheinlich sei, habe der Aktienmarkt kurzfristig nicht alle Risiken eingepreist.
Langfristig ist Dreide für die Weltbörsen ohnehin positiv gestimmt: „Es baut sich langfristig eine riesige Chance am Aktienmarkt auf. Das Jahr 2017 könnte der Start einer großen Rally sein.“ Bis dahin allerdings könne manches geschehen: „Die Frage ist, ob 2017 die Rally bei 2000 oder bei 1400 Punkten im amerikanischen S&P-Index startet.“ Der Unterschied wäre in der Tat nicht gerade klein.
„Das ist doch Voodoo“
Das aktuelle politische Umfeld gefällt auch Sebastian Klein von der Fürstlich Castell’schen Bank nicht sonderlich. Großbritannien sei derzeit „völlig dysfunktional“, dort seien jetzt „Trump-Verschnitte“ am Werk. Aber auch auf dem Kontinent seien die Machtverhältnisse unübersichtlich: „Das ist doch Voodoo.“ Auch Christian Jasperneite von M.M. Warburg & Co. sieht die politische Entwicklung in der Europäischen Union mit Sorge, da Deutschland mit Großbritannien einen wirtschaftspolitischen Verbündeten zu verlieren droht.
Das Grundproblem der Vermögensverwaltung ist für Klein allerdings nicht politischer Natur, sondern die Frage, was in einem Umfeld ohne Inflation und mit nur niedrigem Wirtschaftswachstum zu tun sei. „Risikosteuerung ist unsere wichtigste Aufgabe im Interesse der Kunden“, sagte Klein. „Wir müssen den Kunden vermitteln, dass es auf die Realrendite ankommt und dass die Realrendite in den kommenden Jahren niedriger sein wird als in der Vergangenheit.“
Die Klagen anderer Vermögensverwalter, mit Anleihen ließen sich keine Renditen mehr erzielen, mag Klein nicht hören. „Anleihen sind tot? Das ist kompletter Unsinn“, hält er entgegen und rechnet vor: Unter der Annahme, dass sich das Renditeniveau in den kommenden zwölf Monaten kaum verändern werde, bringe eine zehnjährige Bundesanleihe rund 1,4 Prozent, wenn man sie ein Jahr lang halte. „Man kann sehr gut mit Anleihen leben“, findet Klein.
„Wir sollten nicht zu pessimistisch sein“, warnte Thomas Herbert von Oddo Meriten Asset Management, auch wenn er einen Brexit nicht allein als ein englisches Phänomen betrachtet. Die Welt brauche mehr nachhaltiges Wirtschaftswachstum, das aber nicht allein auf der Ebene der Nationalstaaten erzeugt werden könne, sondern einer „Integration über Europas hinaus“ bedürfe. Mehr Wirtschaftswachstum werde auch die Aussichten für die Vermögensverwaltung verbessern. „Bis dahin brauchen wir mehr Risikomanagement über Derivate.“
„Seitwärtsbewegungen mit hohe Kursausschlägen“ werden nach Einschätzung von Stefan Wallrich (Wallrich Asset Management) die Finanzmärkte prägen. Daher liege es nahe, die erwarteten hohen Kursausschläge für die Anlagestrategie zu nutzen. „Volatilität wird als Anlageklasse immer wichtiger“, sagte Wallrich. Als ein Beispiel nennt er Stillhalteprämien durch den Verkauf von Put-Optionen auf Aktien. „Je höher die Volatilität ist, umso höher ist die Prämie“, erläuterte Wallrich. „Das macht Spaß.“
Auf eine andere Möglichkeit, im Niedrigzinsumfeld Chancen zu suchen, verwies Sigrid Zecha vom Credit Suisse. Das ist die immer weitere Untergliederung von Anlageklassen, um in spezialisierteren Segmenten fündig zu werden. Als Beispiel nannte Zecha Anleihen von Schwellenländern. Früher seien diese als eine homogene Anlegeklasse verstanden worden. Heute würden die Schwellenländer weitaus differenzierter betrachtet, da es sich um eine heterogene Ländergruppe handele.
Quelle: F.A.Z.