So schnell kann man sich im Gemütszustand potenzieller Rückkehrer an den Aktienmarkt täuschen. Ein satter Wochenverlust bot diesen die Möglichkeit, bei einem DAX von deutlich unter 12.000 Punkten einzusteigen. Vor allem Meldungen und Gerüchte über eine Zuspitzung der Lage rund um Griechenland haben dem DAX zu dieser Abkühlung verholfen. In der neuen Handelswoche ist mit einer Fortsetzung der Auf- und Abwärtsbewegung zu rechnen. Ehrlich gesagt, ist eine höhere Volatilität auch durchaus begrüßenswert, bevor die Marktteilnehmer gelangweilt in eine Hausse-Lethargie verfallen.
Nach rund 15 Jahren und einem Monat hat endlich auch der DAX-Preisindex ein neues All-Time-High markiert. Dass dies so lange gedauert hat, ist dem dramatischen Verfall der Deutschen Telekom-Aktie zuzuschreiben. Deren Marktkapitalisierung schrumpfte in diesem Zeitraum um sage und schreibe 230 Milliarden Euro auf 79 Milliarden Euro zusammen und ist sicherlich der Hauptgrund für die nicht sonderlich ausgeprägte Aktienkultur in Deutschland. Immerhin konnte sich der Kurs der Telekom-Aktie seit den historischen Tiefstständen deutlich erholen und bietet deren Aktionären auf dem gegenwärtigen Kursniveau eine attraktive Dividendenrendite. Für die Aktionäre spielen bei den gegenwärtigen Anleiherenditen die Dividenden eine immer wichtigere Rolle. Deutsche Unternehmen schütten dieses Jahr die Rekordsumme von 41,7 Milliarden Euro aus. Allianz mit 3,1 Milliarden Euro, gefolgt von Siemens mit 2,9 Milliarden Euro sind die Top-Ausschütter. Fresenius Medical Care liegt zwar deutlich darunter, bietet seinen Aktionären aber zum achtzehnten Mal in Folge eine Erhöhung ihrer Dividende.
Auf der stattgefundenen IWF-Frühjahrstagung in Washington D.C. wird unter den Teilnehmern Griechenland eines der Hauptthemen gewesen sein. Der griechische Finanzminister Varoufakis weilte ebenfalls in Amerika. Unter anderem soll er am vergangenen Freitag ein Treffen mit der auf Staatspleiten spezialisierten US-Kanzlei Cleary Gottlieb gehabt haben. Die Kanzlei hat in der Vergangenheit schon mehrfach anderen Staaten geholfen ihre Schulden neu zu strukturieren und sich zu sanieren.Die Europartner versuchen derweil, dem Land mit Druck einerseits und der Aussicht auf weitere Hilfen bzw. Zugeständnissen andererseits - sofern sich die griechische Regierung endlich einmal an die getroffenen Vereinbarungen halten sollte - die Hand zu reichen. Die Griechen gehen dagegen auf Distanz und versuchen, den Schwarzen Peter für einen Euro-Austritt den anderen Euro-Partnern in die Schuhe zu schieben.
Apropos Distanz: Ein Machtkampf der ganz besonderen Art war in den vergangenen Tagen bei Volkswagen zu beobachten. Traurig, wie eiskalt der Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn von seinem einstigen Mentor und Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch abserviert werden sollte. Es dürfte das erste Mal gewesen sein, dass sich dieser bei einer so wichtigen Personalie nicht durchsetzen konnte. Doch der Machtmensch Piëch wird sich so leicht nicht geschlagen geben. Die Machtfülle von Piëch im Volkswagenkonzern ist im übertragenen Sinn eigentlich nur mit der des russischen Präsidenten Putin zu vergleichen. Dieser stellte sich übrigens in der vierstündigen Livesendung "Direkter Draht" dem russischen Volk. Gekonnt umschiffte er unangenehme Fragen und wird, wie sich sicherlich im Nachhinein wieder herausstellen wird, wie in der gleichen Sendung in den Vorjahren nicht immer die Wahrheit gesagt haben.
Carsten Gerlinger, CEFA Senior-Portfoliomanager, Quint:Essence Capital S.A.