Giordano Lombardo, Group CIO bei Pioneer Investments, umreißt die globale Prognose für 2016 und bietet einen Überblick über die wichtigsten Erkenntnisse zur Wirtschafts- und Marktentwicklung:
- vorsichtiger Ansatz angesichts geopolitischer Risiken
- moderat positive Aussichten für risikoreiche Anlagen ("Risky Assets") insbesondere Aktien, aber wachsende "Tail-Risiken"
- High-Conviction-Ideen im Rahmen eines robusten RisikomanagementFrameworks als Schlüsselfaktor für die Wertschöpfung
Was sind die Hauptpunkte der globalen Wirtschaftsprognose von Pioneer Investments für 2016?
Wir sehen für 2016 die Möglichkeit eines konjunkturellen Aufwärtstrends, vor einem gesamtwirtschaftlichen Hintergrund, der fragil bleibt und auf ein strukturell geringeres Wachstum hindeutet. Wir befinden uns in einer heiklen Phase. Sowohl in entwickelten als auch aufstrebenden Märkten, durchlaufen einige Volkswirtschaften tiefgreifende Strukturveränderungen. Die geopolitische Instabilität, das steigende Risiko politischer Fehlentscheidungen angesichts der Übergangsphasen, in denen sich viele Volkswirtschaften befinden, sowie die knappe Marktliquidität erhöhen allesamt die Gefahr von Extremereignissen. Unserer Einschätzung nach werden die Finanzmärkte in diesem Umfeld vulnerabel bleiben und Volatilitätsspitzen ausgesetzt sein. Dennoch sind wir relativ optimistisch, dass der Weltwirtschaft eine breitflächige Stagnation erspart bleiben kann, solange die wichtigsten Volkswirtschaften weiterhin Fortschritte bei den Strukturreformen machen - was für uns das wahrscheinlichste Szenario ist.
Welche Faktoren liegen Ihrer These eines strukturell geringeren Wachstums zugrunde?
Unserer Einschätzung nach, kommen vier strukturelle Faktoren zusammen, die in Kombination das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren wohl bremsen dürften: Erstens der Druck zum Schuldenabbau, der noch alles andere als erledigt ist. Zweitens ein weltweiter Rückgang des Produktivitätswachstums, der die Rentabilität sowohl in reifen als auch aufstrebenden Märkten unterminiert. Drittens steigende Investitionen, ein Schlüsselfaktor für eine nachhaltige Erholung, der so gut wie überall fehlt. Und viertens das Lowflation-Risiko, das von einem konjunkturbedingten Phänomen zu einem strukturellen Problem geworden ist.
Welche Kräfte könnten in diesem schwierigen Kontext das Wachstum 2016 beschleunigen helfen? Sehen Sie regionale Divergenzen?
Eine akkommodierende Geldpolitik und eine weniger restriktive Fiskalpolitik sollten unserer Ansicht nach im Laufe des Jahres 2016 einen konjunkturellen Aufwärtstrend begünstigen, wobei aber regionale Divergenzen ein wichtiges Thema bleiben. Wir rechnen mit einer stärkeren Dynamik in den USA und Europa, während wir bei unseren Prognosen für die Schwellenländer zurückhaltend sind. In den USA sollte die Inflation steigen, da ein besserer Arbeitsmarkt und ein solides Wachstum der Konsumausgaben endlich zu moderatem Lohn- und Preisdruck führen dürften. Wir rechnen mit einer fortschreitenden Normalisierung der USamerikanischen Geldpolitik, die unserer Meinung nach schrittweise ablaufen wird, mit Fokus auf einer Inflation, die ungefähr der Zielvorgabe von 2% entsprechen soll. Für Europa sind die Aussichten positiv, auch wenn es risikoanfällig bleibt, besonders durch externe Faktoren. Die Reformbemühungen in vielen Ländern machen jedoch die konjunkturelle zu einer strukturellen Erholung; dadurch ist die Eurozone widerstandsfähiger als früher. Der aktuelle Aufwärtstrend ist eine wichtige, aber zeitlich begrenzte Chance für alle Volkswirtschaften der Region, ihre strukturellen Probleme anzugehen und sich auf ein besser ausgeglichenes und nachhaltigeres Wachstum zuzubewegen. Die Schwellenländer bieten nach wie vor ein gemischtes Bild. Es ist mit einem geringfügig höheren Wachstum zu rechnen, unterstützt von der Konjunkturerholung in den entwickelten Märkten und einer gewissen Stabilisierung in Ländern, die 2015 einen starken Abschwung erlebt haben. Es bleiben aber signifikante Risiken bestehen wie die bevorstehende allmähliche Straffung der Geldpolitik der Fed (selbst wenn die Wirtschaft widerstandsfähiger ist als früher), anhaltend niedrige Rohstoffpreise und der Schuldenabbaudruck. Was schließlich China anbelangt, erwarten wir keine harte Landung, sondern eine andauernde "gemanagte" Verlangsamung. Die Wirtschaftsaktivität in China zeigt weitere Anzeichen einer Stabilisierung, wobei Schwächen hauptsächlich im staatlichen Sektor und bei den Exporten vorhanden sind. Die Divergenz zwischen den verschiedenen Sektoren gibt Grund zur Annahme, dass sich zurzeit ein tiefgreifender Strukturwandel vollzieht, mit einer schmerzlichen Kürzung der Überkapazität in den Industriesektoren, aber gleichzeitiger Widerstandsfähigkeit in den privaten Sektoren, bei den Dienstleistungen und beim Konsum. Die Reformdynamik bleibt außerdem stark und sollte auch nächstes Jahr anhalten.
Was sind die größten Risiken für Ihr Hauptszenario?
Besorgniserregend sind geopolitische Risiken mit möglichen negativen Auswirkungen auf die Marktstimmung sowie das geringere wirtschaftliche Wachstumspotenzial vieler Länder und Regionen. Auch das Risiko politischer Fehler ist ausgesprochen hoch, da die Zentralbanken weiterhin eine zentrale Rolle beim Ausbruch aus der Depressionsdynamik spielen. Zu guter Letzt ist auch die Umsetzung der Strukturreformen ein wichtiger Faktor, den man im Auge behalten muss.
Was bedeutet das für die Anleger?
Angesichts eines ansehnlichen Wachstums und der oben erwähnten nach wie vor weitgehend akkommodierenden Geldpolitik bleiben wir bei einer moderat positiven Einschätzung hinsichtlich "Risky Assets". Die Bewertungen sind jedoch im Allgemeinen an der oberen Grenze. Die Erträge in allen Anlageklassen dürften 2016 niedrig und die Volatilität angesichts der vielfältigen Risiken hoch bleiben. Unserer Ansicht nach werden eine Auswahl an Investmentideen, von denen Portfoliomanager in hohem Maße überzeugt sind ("High-Conviction Ideas"), flexiblen und Benchmark-unabhängigen Ansätzen und Investmenttechniken mit dem Ziel des Kapitalerhalts ausschlaggebend für den Anlageerfolg im Jahr 2016 sein.