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Marktkommentar

Monica Defend und Vincent Mortier (Amundi): Vertrauensvotum: Die Zukunft Frankreichs

© Amundi Asset Management

03.09.2025 - Es ist ein schmaler Grat für die französische Regierung. Premierminister François Bayrou wird am 8. September – vor den Haushaltsverhandlungen am 1. Oktober – ein Vertrauensvotum beantragen. Er sieht sich einer Opposition gegenüber, die seinen Haushaltsplan blockieren will. Unabhängig vom politischen Ausgang garantiert der institutionelle Rahmen Frankreichs aber die Verabschiedung des Haushaltsplans. Wird kein neuer Haushalt verabschiedet, bleibt der Haushalt des Vorjahres per Dekret in Kraft, bis über ein neues Finanzgesetz entschieden ist.

Am Ende des ersten Quartals 2025 belief sich die Staatsverschuldung Frankreichs auf 3,35 Billionen Euro, also 114 % des BIP, wobei seit 2019 über 1 Billion Euro hinzugekommen sind. Das französische Haushaltsdefizit ist von 5,4 % im Jahr 2023 auf 5,8 % des BIP im Jahr 2024 gestiegen. Die Zinszahlungen dürften weiter auf 2,5 % des BIP im Jahr 2025 und 2,9 % im Jahr 2026 ansteigen. Unterdessen wird wohl das Defizit 2026 auf 5,7 % des BIP steigen, da einige Maßnahmen zur Erhöhung der Einnahmen aus dem Jahr 2025 auslaufen. So könnte die Staatsverschuldung aufgrund anhaltender Primärdefizite und steigender Zinszahlungen von 113 % auf 118-119 % im Jahr 2026 wachsen.

Opposition mauert

Die Oppositionsparteien, die im Parlament insgesamt 315 von 577 Sitzen vertreten, haben aber bereits erklärt, dass sie gegen das Vertrauensvotum stimmen – also dagegen sein werden, im Herbst einen ausgeglichenen Haushalt zu verabschieden und Einsparungen in Höhe von 44 Milliarden Euro, 1,5 % des BIP, zu erzielen. Eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen reicht aus, um die Regierung zu stürzen. Beobachter halten die Aussicht auf ein erfolgreiches Vertrauensvotum für sehr unwahrscheinlich. Wird es abgelehnt, muss der Premierminister zurücktreten.  Präsident Macron hat dann zwei Möglichkeiten: Er kann einen neuen Premierminister ernennen, möglicherweise einen Technokraten, inmitten einer zersplitterten Nationalversammlung. Oder er kann die Nationalversammlung auflösen und vorgezogene Neuwahlen ansetzen. Angesichts der fragmentierten Wählerschaft wäre es allerdings erneut schwierig, eine Mehrheit zu bilden. 

Belebung des Wachstums möglich

Die Binnennachfrage ist derzeit schleppend und die Auslandsnachfrage nur moderat, da die Unsicherheit hinsichtlich der US-Zölle das Vertrauen der Unternehmen und somit deren Investitionsbereitschaft stark belastet hat. Im zweiten Quartal lag das BIP-Wachstum bei rund 0,3 %. Der Konsum der privaten Haushalte stieg um 0,1 %, nachdem er im ersten Quartal um 0,3 % zurückgegangen war; die Unternehmensinvestitionen gingen um 0,3 % zurück. Die Inflation schwächte sich ab und stabilisierte sich im Juli bei 1 % im Jahresvergleich. Der Konsum der privaten französischen Haushalte dürfte aufgrund der Disinflation von höheren Reallöhnen und günstigeren Kreditbedingungen und die privaten Investments von der Klärung der US-Zölle profitieren. Wir rechnen mit einer Belebung des Wachstums auf etwa 0,7 % im Jahr 2025 und 0,8 % im Jahr 2026. Dennoch bleiben Risiken. Die innenpolitische Unsicherheit könnte das Vertrauen belasten und Unternehmen dazu veranlassen, Investitionspläne zu verschieben, während die Privathaushalte ihre hohen Sparquoten beibehalten könnten. Umgekehrt könnte die erfolgreiche Umsetzung der erwarteten Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung das Vertrauen der Unternehmen und die privaten Investitionen stärken und die Haushalte dazu ermutigen, ihre Ersparnisse im nächsten Jahr zu reduzieren. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass Deutschland – als Frankreichs wichtigster Handelspartner – dank einer expansiven Fiskalpolitik im nächsten Jahr voraussichtlich einen starken wirtschaftlichen Aufschwung erleben wird.

Schuldendienst ist machbar

Die Situation erfordert also eine Beschleunigung der Haushaltskonsolidierung im nächsten Jahr. Allerdings ist sie nicht so ernst, wie einige Analysen vermuten lassen. Trotz einer Verdopplung der Staatsverschuldung seit dem Jahr 2000 lagen die Zinsaufwendungen im Jahr 2024 um 0,9 Prozentpunkte unter denen von 2000. Dies war auf die anhaltend niedrigen Renditen von Staatsanleihen zurückzuführen, die die Kosten für den Schuldendienst senkten. Darüber hinaus hat sich die durchschnittliche Laufzeit der ausstehenden Schulden auf etwa neun Jahre erhöht, wodurch die Auswirkungen eines Anstiegs der Marktzinsen auf die Schuldenlast begrenzt wurden. Die Stabilisierung der Schuldenquote erfordert zwar erhebliche Anstrengungen, ist aber dennoch machbar.

Volatilität auf dem Anleihemarkt bleibt

Der Markt für französische Staatsanleihen (OATs) ist nach wie vor einer der breitesten und liquidesten im Euroraum und damit ein bevorzugter Markt für ausländische Investoren. Die politische Unsicherheit hat aber den Druck auf französische Staatsanleihen erhöht. Der Spread zwischen OATs und Bundesanleihen hat sich auf rund 80 Basispunkte ausgeweitet. Die Volatilität der Spreads und eine „politische Risikoprämie” von 20 bis 25 Basispunkten gegenüber dem derzeit eingepreisten fairen Wert dürften so lange anhalten, bis sich die politische Lage klärt. Und das passiert, auch wenn der französische Staatsanleihemarkt aufgrund der hohen Liquidität und der akkommodierenden Haltung der EZB aus einer Position der relativen Stärke in diese Phase eintritt.

Aktien weiter attraktiv bewertet – auch im Vergleich zu den USA

Der französische Aktienmarkt reagierte negativ auf die Ankündigung des Vertrauensvotums durch den Premierminister und löste Gewinnmitnahmen bei inländischen Aktien wie Finanzwerten aus, die sich in den letzten Monaten überdurchschnittlich entwickelt hatten. Da jedoch das politische Risiko weitgehend eingepreist ist und über 80 % der französischen Aktienumsätze international erzielt werden, könnten zuvor betroffene internationale Titel zur Stabilisierung des Marktes beitragen. Generell bieten europäische Aktien im Vergleich zu den USA weiterhin relativ attraktive Bewertungen und bieten damit Chancen, das Engagement bei einem Marktrückgang zu verstärken, insbesondere in langfristigen Themenbereichen.



Rechtliche Hinweise 

Amundi. Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management und sind aktuell mit Stand 31.05.2025. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen. Herausgeber: Amundi Deutschland GmbH, Arnulfstraße 124–126, D-80636 München.



 

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