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Marktkommentar

Gilles Moëc (AXA IM): Konträrer Zinsverlauf bei EZB und Fed? - US-Wahl könnte Fed vom Kurs abbringen - Zwingt Rezessionsrisiko die EZB zur Beschleunigung?

© AXA Investment Managers

25.09.2024 - 

Ausgewählte Statements
„Die geldpolitischen Risiken beiderseits des Atlantiks unterscheiden sich nicht von denen am Anfang des Jahres: Die Fed könnte am Ende „zu viel“ tun und die EZB „zu wenig“.“

„Über den Umfang der EZB-Zinssenkungen kann man diskutieren, nicht aber über die Richtung – ein wesentlicher Unterschied zu den USA, solange dort die Wahlen nicht entschieden sind.“

„Die mögliche geldpolitische Entwicklung von Fed und EZB könnte man als zwei gespiegelte Hockeyschläger darstellen: Die EZB zunächst mit der Ablehnung schneller Zinssenkungen, bevor sie von einer Verschlechterung der Makrolage und einem schnelleren Inflationsrückgang zu einer Beschleunigung gezwungen wird. Die Fed hingegen zunächst mit raschen Zinssenkungen, bevor sie durch einen Wiederanstieg der Inflation aufgrund von expansiver Finanzpolitik und Handelszöllen ausgebremst wird.“

Fed: Inflation besiegt? / US-Wahlkampf bringt Unsicherheit / Anleger zu sehr vom Dot Plot vereinnahmt

„Mit der Zinssenkung um 50 Basispunkte tätigte die Fed zum ersten Mal in der modernen Geschichte der US-Geldpolitik einen „Jumbo“-Schritt, ohne dass sich eine Rezession und/oder eine Finanzkrise klar abzeichnet.“

„Nachdem der Offenmarktausschuss die Inflation nun offensichtlich für besiegt hält, ist die weiche Landung eindeutig das Primärziel der Zentralbank.“

„Der Dot Plot im Juni war eine Überreaktion auf den erneuten Anstieg der Dienstleistungsinflation Anfang 2024. Deshalb könnte die Prognose im September auch gut eine Überreaktion auf die enttäuschenden Arbeitsmarktdaten im Sommer sein.“

„Viel hängt vom Ergebnis der US-Wahlen im November ab. Und aus unserer Sicht muss die Fed ihre Meinung zum Umfang der Senkungen möglicherweise revidieren, falls Donald Trump gewählt wird.“

„Die grundlegende Unsicherheit geht über die Präsidentschaft hinaus, das Kräftegleichgewicht im Kongress wird mitentscheidend sein. Deshalb schauen wir auch mit Vorbehalt auf die aggressive Marktbepreisung für den Fed-Kurs.“
 
EZB: Klarerer Zinspfad als Fed / hohes Rezessionsrisiko 
„Die Zinspolitik im Euroraum halten wir für eindeutiger als in den USA. Der einzige Faktor, der gegen eine Lockerung sprechen könnte, ist eine Verschärfung des Arbeitskräftemangels.“

„Das Lohnwachstum könnte trotz eines noch immer engen Arbeitsmarktes weiter sinken. Angesichts des externen Umfelds und der Aussicht auf Haushaltskürzungen im nächsten Jahr könnte die EZB sogar gezwungen sein, ihre Zinsen schneller zu senken. Dann bestünde wieder das Risiko einer gegenläufigen Entwicklung.“

„Dass sich die Inflation in der Eurozone im Umfeld einer weichen Landung abgekühlt hat, ist schwer zu verargumentieren. Vielmehr hat es den Anschein, Europa steckt fest – in einer Art endlosen Unfähigkeit, richtig durchzustarten.“

„Europa ist einem heftigen Abschwung um einiges näher als die USA.“

„Wir halten das Risiko, dass die Inflation letztlich das EZB-Ziel verfehlt und wieder unter zwei Prozent fällt, weiterhin für beträchtlich. Der EZB-Rat sollte darauf mit einem klareren Bekenntnis zu einem Lockerungskurs reagieren.“

+++

Kurzzusammenfassung

Die Entscheidung der Fed, ihren Zinssenkungszyklus gleich mit einem 50-Basispunkte-Schritt zu beginnen, ist mutig, aber ihre im Zuge der Zinssitzung veröffentlichte Prognose verdeutlicht, dass nach Einschätzung des Offenmarktausschusses Zinssenkungen von insgesamt 200 Basispunkte nötig sind, damit die „weiche Landung wirklich gelingt“. Und nachdem die Inflation besiegt zu sein scheint, ist das eindeutig das neue Primärziel der Zentralbank.  Einer – wichtigen – Randbemerkung ist zu entnehmen, dass der Offenmarktausschuss glaubt, dass die Leitzinsen in diesem Zyklus, möglicherweise auch aufgrund des Paukenschlags zu dessen Beginn, nicht bis in den expansiven Bereich hinein gesenkt werden müssen. Wir halten es jedenfalls nicht für Zufall, dass die Fed Funds Rate Ende 2026 in genau in der Spanne liegen soll, die die Fed für das „langfristige Niveau“ hält.  Aus unserer Sicht ist dies ein wichtiger Hinweis, den Akteure am Anleihenmarkt nicht ignorieren sollten.

Allerdings sind Zentralbankprognosen eher als „Absichtserklärung“ zu betrachten und nicht als „Aktionsplan“. Wie wir heute wissen, hatte der Dot Plot im Juni eine zu starke Straffung in Aussicht gestellt, weil er eine Überreaktion auf den erneuten Anstieg der Dienstleistungsinflation Anfang 2024 war. Deshalb könnte die Prognose im September auch gut eine Überreaktion auf die enttäuschenden Arbeitsmarktdaten im Sommer sein. Um abzuschätzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit dies der Fall ist, und um die geldpolitischen Unterschiede zwischen Fed und EZB zu prognostizieren, haben wir einige Faktoren analysiert, die zusätzlichen Einfluss auf die Entscheidungen der Fed haben könnten. Viel hängt vom Ergebnis der US-Wahlen im November ab. Und aus unserer Sicht muss die Fed ihre Meinung zum Umfang der Senkungen möglicherweise revidieren, falls Donald Trump gewählt wird. Die Zinspolitik im Euroraum halten wir dagegen für eindeutiger. Der einzige Faktor, der gegen eine Lockerung sprechen könnte, ist eine Verschärfung des Arbeitskräftemangels. Nach den Ergebnissen der Unternehmensumfragen finden sie nach wie vor nur schwer neue Mitarbeiter.  Wir haben die Auswirkungen auf die Lohnentwicklung analysiert: In den letzten zwei Jahren hat das knappe Arbeitskräfteangebot eine spürbare, aber keine entscheidende Rolle bei der Lohnentwicklung gespielt. Das Lohnwachstum könnte also trotz eines noch immer engen Arbeitsmarktes weiter sinken. Angesichts des externen Umfelds und der Aussicht auf Haushaltskürzungen im nächsten Jahr ist die geldpolitische Richtung im Euroraum erheblich klarer als in den USA. Die europäische Zentralbank könnte sogar gezwungen sein, ihre Zinsen schneller zu senken. Und bestünde wieder das Risiko einer gegenläufigen Entwicklung, über das wir zu Beginn dieses Jahres geschrieben hatten: die Gefahr, dass die Fed am Ende „zu viel“ und die EZB „zu wenig“ tut, zumindest anfangs. 

 

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