02.08.2023 - Wir haben die erste Jahreshälfte hinter uns – eine gute Gelegenheit, um über die Wertentwicklung unserer Anlagen nachzudenken und zu überlegen, was wir aus unseren Erfolgen und Fehlern lernen können.
Ich versuche immer, meinen Kindern gute Gewohnheiten zu vermitteln. Gerade jetzt, da mein Sohn seine Prüfungen ablegt. Natürlich hört er kaum auf mich, aber ich hoffe, dass einiges davon, was ich ihm sage, irgendwann hängen bleibt und es ihm in Zukunft helfen wird.
Hoffentlich weiß er, dass ich sowohl beruflich als auch privat davon überzeugt bin, dass man nie aufhören sollte zu Lernen – sowohl von Anderen als auch aus eigenen Fehlern.
Der Markt lehrt mich, wie wichtig es ist, bescheiden zu bleiben und mich auf unseren Anlageprozess zu konzentrieren. Die Jahresmitte ist ein besonders guter Zeitpunkt, um über die Wertentwicklung unserer Anlagen nachzudenken: darüber, was gut, was schlecht lief, und was ich daraus lernen kann.
Nicht alles lief nach Plan.
Anfang des Jahres richtete sich das Multi-Asset-Team auf eine langsamere Wirtschaftsaktivität aus. Wir gewichteten daher Anleihen über und Aktien unter.
Im letzten Monat gab es jedoch mehrere Gründe dafür, diese Haltung zu ändern. Der Arbeitsmarkt blieb angespannt. Alle großen Zentralbanken überraschten die Märkte mit höheren Zinsen oder restriktiven Kommentaren. In den USA überwog der weiterhin robuste Dienstleistungssektor die anhaltenden Anzeichen von Schwäche im verarbeitenden Gewerbe und im Warensektor. Das potenzielle Extremrisiko, das die Diskussion um die Schuldenobergrenze in den USA befürchten ließ, wurde abgewendet.
Aus diesem Grund stiegen die Aktienmärkte, die in den letzten Monaten innerhalb einer relativ engen Spanne notierten, und die Anleihemärkte verabschiedeten sich von der Erwartung einer Kehrtwende seitens der US-Notenbank Fed bei den Zinsen, sodass die Anleiherenditen zulegten.
In den letzten zwölf Monaten haben wir oft gesagt, dass die Fed ihre Zinserhöhungen erst einstellen wird, wenn sie Anzeichen eines weniger angespannten Arbeitsmarkt feststellt. Zwar ist es bei anderen Kennzahlen der Inflation, wie Energie und Lebensmittel, zu einer eindeutigen Kehrtwende gekommen, das Lohnwachstum ist jedoch immer noch zu hoch. Das bedeutet, dass die geldpolitischen Bedingungen voraussichtlich restriktiv bleiben werden und wir mit einer wirtschaftlichen Abkühlung im weiteren Jahresverlauf rechnen, während sich die Kreditbedingungen schrittweise verschärfen.
Gleichzeitig machen uns die Aktienbewertungen nach wie vor Sorgen – wir befinden uns weiterhin in einer Phase, in der man einfach durch das Halten von Barmitteln gut verdienen kann. Wie immer ist das Timing wichtig. Da die Arbeitsmärkte immer noch robust sind, wird die Wirtschaft wohl kaum diesen Sommer bereits in eine Rezession abrutschen, und die Unternehmensgewinne befinden sich nicht in unmittelbarer Gefahr. Daher haben wir uns entschieden, unsere Untergewichtung in Aktien aus Gründen des Risikomanagements zu reduzieren und uns einer neutralen Einstellung anzunähern.
Was Anleihen betrifft, so besteht die größte Herausforderung darin, dass die invertierte Zinskurve (längerfristige Anleihen weisen niedrigere Zinsen als ihre kurzfristigen Pendants auf) eine Übergewichtung in US-Anleihen verteuert. Aus diesem Grund haben wir unsere Übergewichtung in Staatsanleihen in eine Long-Position in europäischen Investment-Grade-Anleihen umgeschichtet, was einen hochwertigen Spread bietet, mit dem wir Zeit gewinnen, bis der Abschwung eintritt. Wir bleiben in Schwellenländeranleihen in Lokalwährung übergewichtet, da viele dieser Märkte eine bessere Inflationsdynamik und relativ attraktive Renditen bieten. Kurz gesagt: Wir bevorzugen Strategien mit positivem Carry, während wir neue Gelegenheiten abwarten.
Wenn ich also die vergangenen Monate Revue passieren lasse, ist klar, dass sich einige unsere Positionen nicht gut entwickelt und wir einen Trend verpasst haben. Wir reduzieren oder schließen nun einige unserer defensiven Positionen, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die erwartete Abkühlung nicht schnell genug eingetreten ist.
In solchen Zeiten ist es so wichtig wie eh und je, diszipliniert zu bleiben und das Risiko angemessen zu steuern.
Wie bereits erwähnt, sind unsere Anlageprozesse oft dazu da, um mit Rückschlägen fertig zu werden. Wenn eine Erfolgsrate von 60 % als hervorragend gilt, ist es einfach so, dass wir, selbst wenn wir gute Arbeit leisten, in 40 % der Fälle „falsche“ Entscheidungen treffen.
Es ist wichtig, Fehler frühzeitig zu erkennen und den ursprünglichen Grund für eine Anlage nicht aus den Augen zu verlieren.
Für Investoren ist Widerstandskraft eine wichtige Eigenschaft. Jedes Mal, wenn Sie eine falsche Entscheidung treffen, wird daran gekratzt. Manchmal bezeichne ich das als „Fehlerbudget“, das es während der Laufbahn als Investor zu verwalten gilt.
Indem Sie Ihre Verluste einschränken oder Ihre Mentalität bei schwierigen Märkten auf andere Weise schützen, bewahren Sie sich Ihre emotionale Energie und Ihre Risikobereitschaft für eine Zeit, in der sich wieder neue Chancen bieten. So überziehen Sie Ihr Fehlerbudget nicht und sind auf den nächsten Tag am Markt vorbereitet.
Den vollständigen Bericht "CIO Lens" für dieses Quartal können Sie hier herunterladen.