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Pressemitteilung

Gothaer: Wann wird der Inflationsgipfel erreicht?

© Gothaer Asset Management AG

28.09.2022 - Seit die Inflationsraten in den USA und Europa im Frühjahr 2021 die Schwelle von zwei Prozent überschritten haben, verfolgen Marktteilnehmer, Ökonomen und Zentralbanken die monatlichen Berichte von der Preisfront mit wachsender Nervosität. Im Laufe des zweiten Halbjahres wurde immer offensichtlicher, dass die ursprüngliche Einschätzung des Inflationsschubs als “transitorisch“ falsch war. Denn wäre dieser allein durch Basiseffekte im Zusammenhang mit der weltweiten COVID-Rezession 2020 getrieben gewesen, hätte er spätestens im Juli (USA) bzw. September (Deutschland, Euroraum) 2021 enden und die monatlichen Inflationsraten von den seinerzeit erreichten Niveaus um 5% allmählich sinken müssen.

Ebenso verfehlt wie die Diagnose war die hierauf basierte Entscheidung der Geldpolitik, durch den vermeintlichen „Inflationsbuckel“ hindurchzusehen und auf Gegenmaßnahmen zu verzichten. Ende 2021 zogen die Bank of England und die US Federal Reserve als erste Notenbanken die Konsequenz aus dieser Einsicht und schalteten in den Inflationsbekämpfungs-Modus um. Zahlreiche Notenbanken weltweit haben inzwischen ebenfalls ihren Kurs in Richtung einer strafferen Geldpolitik geändert; als eine der letzten großen Zentralbanken hat im Juni nun auch die EZB eine Leitzinswende angekündigt.

Obwohl die bisherigen Reaktionen der Notenbanken bereits zu einer deutlichen Rückbildung der marktbasierten Inflationserwartungen geführt haben, setzte sich die Beschleunigung der Inflation bis zuletzt weitgehend ungebremst fort. Getrieben wird die Preisdynamik von

  • der fortdauernden Anspannung der globalen Lieferketten (u.a. wegen der von China verfolgten strikten Lockdown-Politik zur Pandemie-Bekämpfung),
  • der Angebotsknappheit bei Rohstoffen, insbesondere Energie
  • fehlenden Arbeitskräften, engen Arbeitsmärkten und steigenden Lohnkosten
  • zusätzlichen Angebotsverknappungen bei Energie- und Agrarrohstoffen sowie Zwischenprodukten als Folge des Ukraine-Krieges bzw. der westlichen Embargo-Politik gegenüber dem Aggressor Russland.

Auf den vorgelagerten Preisstufen - den Import- und Erzeugerpreisen - bleibt der Preisdruck auch am aktuellen Rand extrem hoch und zwingt Unternehmen immer stärker, ihre Kostensteigerungen auf die Endverbraucher zu überwälzen. Diese Preisüberwälzung findet in Deutschland derzeit in weit stärkerem Maße statt als in früheren Inflationszyklen, so dass die Verbraucherpreis-Inflation inzwischen aus ihrer langjährigen Bandbreite von -1 bis +4% nach oben ausgebrochen ist. Dennoch: Die extreme Spreizung zwischen Erzeugerpreis- und Verbraucherpreis-Inflation impliziert, dass der Druck auf die Unternehmensgewinne höher denn je zuvor ist.

Während zu Beginn der Entwicklung vor allem die Verteuerung von Energie als Inflationstreiber wirkte, weitete sich der Teuerungsdruck im weiteren Verlauf auf vielfältige andere Waren und Dienstleistungen aus, für deren Herstellung und Transport Energie ein relevanter Kostenfaktor ist. Beispielsweise verteuerte sich beispielsweise die Produktion von Kunstdünger (bei der Erdgas ein wichtiger Produktionsfaktor ist) so stark, dass Dünger-Hersteller die Fertigung zeitweise mangels Rentabilität einstellten. Die resultierende Angebotsverknappung wiederum wirkte in der Landwirtschaft sowohl kostensteigernd als auch ertragsmindernd, wodurch im nächsten Schritt auch Lebensmittelpreise unter Aufwärtsdruck gerieten. Ein zweites Beispiel sind die extremen Preissteigerungen bei den energieintensiven Industriemetallen Stahl und Aluminium, die zu starken Kostensteigerungen u.a. in der Bauindustrie und dem Fahrzeugbau führten.

Unsere Analyse des deutschen Verbraucherpreis-Indexes zeigt, dass der Preisdruck im Vergleich zum Zeitraum 2017-2021 stark zugenommen und inzwischen die Mehrzahl der im Warenkorb enthaltenen Gütergruppen erfasst hat: Acht der zwölf Subindizes wiesen im April „überhöhte“ Teuerungsraten auf (d.h. Inflationsraten über 2,5% ). Auffällig ist dabei, dass die höchsten Teuerungsraten in den Energiekosten-intensiven Bereichen „Verkehr“ und „Wohnung“ ausgewiesen werden - den beiden Gütergruppen mit den höchsten Gewichtsanteilen (zusammen ca. 45% des Gesamtindexes). Dies unterstreicht die zentrale Rolle der Energiepreise für die Inflationsdynamik. Ebenfalls deutlich überhöht im Vergleich der letzten fünf Jahre erscheint die Teuerungsrate in dem mit knapp 10% gewichteten Bereich „Nahrungsmittel“.

Um eine Schätzung der Inflationsentwicklung nach Warengruppen für die Jahre 2022-2024 zu erhalten, haben wir die Preistrends der letzten fünf Jahre nach vorne projiziert. Wir gelangen so zu der Erwartung eines allmählich abebbenden Teuerungsdrucks bzw. einer Halbierung der Jahresinflation im Jahr 2024 gegenüber 2022. Dabei fällt die Anzahl der Warengruppen mit Inflationsraten über 2,5% von sieben auf fünf. Damit wäre der Preisdruck allerdings immer noch deutlich breiter gelagert als im Zeitraum 2017-2021, als nur zwei der zwölf Subindizes eine Jahresteuerung über 2,5% auswiesen.

Das Ergebnis unserer Analyse wird dabei maßgeblich von dem gewählten Prognoseansatz bestimmt. Da wir für die Prognose der Inflation den drei Jahren 2022-2024 die Preistrends der jeweils vorhergehenden fünf Jahre heranziehen, wird die Prognose 2022 noch von den vier „Niedriginflations“-Jahren 2017-2020 geprägt. Dagegen fallen bei der Prognose für 2024 die Preistrends der „Hochinflations“-Jahre 2021-2023 stärker ins Gewicht.

Ein wichtiger Einflussfaktor für die längerfristige Inflationsdynamik ist die Lohnentwicklung. Sie könnte im ungünstigsten Falle in einer Lohn-Preis-Spirale münden, in der sich die Lohnzuwächse dauerhaft vom Wachstum der Arbeitsproduktivität abkoppeln und die resultierenden Kostensteigerungen von Unternehmen auf die Absatzpreise überwälzt werden. Dies wäre für die Notenbanken das „die Lohnkostensteigerungen worst case“-Szenario, da sie dann einen so restriktiven Kurs einschlagen müssten, dass die Wirtschaft in eine Rezession fiele. Die damit verbundenen hohen wirtschaftlichen und sozialen Kosten gilt es möglichst zu vermeiden. Erforderlich ist hierfür allerdings frühzeitiges und entschlossenes Handeln der Geldpolitik, das eine Entankerung der Inflationserwartungen verhindert.

Vergleicht man die Lohndynamik in den USA und im Euroraum, so erkennt man, dass die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale in den USA mit einem Lohnwachstum von ca. 4,5% im ersten Quartal 2022 etwas höher ist als im Euroraum, wo die durchschnittlichen Tariflöhne zuletzt um 2,8% gestiegen sind. Aber auch hier ist eine deutliche Beschleunigung des Lohnwachstums gegenüber dem Vorquartal erkennbar, die sich - angesichts der Signale von laufenden und bevorstehenden Tarifverhandlungen - in den kommenden Quartalen fortsetzen dürfte. Gerade weil die Geldpolitik durch ihre Fehleinschätzung der Inflation als „transitorisch“ ins Hintertreffen geraten war, muss sie nun umso schneller agieren, um wieder „vor die Kurve“ zu kommen – mit „großen“ Zinsschritten um 50 oder sogar 75 Basispunkte, wie aktuell für die Fed erwartet.

Ein beschleunigter Lohnanstieg in einer Größenordnung von 3,5-4,5% ist für 2022 absehbar, ebenso wie eine daraus resultierende Lohnkosten-Überwälzung, die den Inflationsgipfel im Euroraum in Richtung Jahresende verlagern dürfte. Die Lohnsteigerungen im kommenden Jahr dürften etwas niedriger als 2022 ausfallen. Sofern keine neuen Inflationsimpulse von anderer Seite eintreten, könnte daher die Lohnentwicklung den grundsätzlich erwartbaren Rückgang der Inflationsraten zwar bremsen, würde ihn aber nicht umkehren.

Wie sind die langfristigen Perspektiven für die Inflation? - Die meisten der derzeitigen Inflations-Treiber - siehe unsere Aufzählung oben - sind weder strukturell noch system-immanent. Insofern erscheint grundsätzlich die Erwartung berechtigt, dass die aktuellen Preissignale im Zeitablauf

  • erstens zu Anpassungsprozessen von Angebot und Nachfrage an den Rohstoff-, Arbeits- und Gütermärkten, hin zu einem neuen Marktgleichgewicht führen werden, sowie
  • zweitens Produkt- und Prozessinnovationen mit dem Ziel eines sparsameren Einsatzes der zurzeit knappen und teuren Ressourcen auslösen werden.

Die entscheidende Frage ist also nicht ob, sondern wann die Teuerung wieder ihren mittelfristigen Zielwert von zwei Prozent erreichen wird.

Einen Hinweis hierfür liefern die Kapitalmärkte mit ihrer Bepreisung inflationsbesicherter Anleihen. Die sogenannte „Breakeven“-Inflation, berechnet als Differenz zwischen der Rendite einer konventionellen Festzins-Anleihe und der Rendite einer inflationsbesicherten Anleihen mit sonst gleichen Ausstattungsmerkmalen, lässt sich als durchschnittliche Inflationserwartung der Marktteilnehmer über die Laufzeit der betrachteten Anleihen interpretieren. Vergleicht man die Breakeven-Inflation für Anleihen mit unterschiedlich langen Laufzeiten, kann man daraus ein Verlaufsprofil für die erwartete Inflation ableiten. Die Marktteilnehmer erwarten zurzeit auf Sicht der nächsten zwei Jahre etwa 4,7% Inflation, auf Sicht von fünf Jahren 3% und auf Sicht von zehn Jahren ca. 2,4% Inflation.*

* Datenquelle: Bloomberg. Die generischen Breakeven-Inflationsraten entsprechen nicht exakt der von Bloomberg genannten Laufzeit. Die aktuell ausstehenden (und von Bloomberg zur Berechnung verwendeten) inflationsgesicherten Bundesanleihen haben Restlaufzeiten von 0,8 Jahren, 3,8 Jahren bzw. 10,8 Jahren.

Der Blick nach vorne

Der erneute Anstieg der Inflation in den USA und Euroraum im Mai hat gezeigt, dass die genannten Inflationstreiber weiterhin wirksam sind und der Inflationsgipfel daher wohl immer noch vor uns liegt. Die erkennbare Bremsung der Wirtschaft, v.a. des privaten Konsums durch die eingetretenen Kaufkraft-Verluste, spricht zwar dafür, dass der Höhepunkt der Teuerungswelle bald überschritten werden könnte. Andererseits steht dem Euroraum aber eine Beschleunigung des Lohnanstieges erst noch bevor; dies dürfe den Inflationsanstieg nochmals verstärken und verlängern.

Die von Fed und EZB avisierte Straffung der Geldpolitik wird wegen der zunehmenden Konjunkturgefahren immer mehr zu einer Gratwanderung. Wir trauen der US Notenbank zu, ihren Leitzins zumindest eine Zeitlang auf ein restriktives Niveau (Fed Funds: 3,25-3,75 %) zu erhöhen und notfalls eine Rezession zu tolerieren, um der Inflation das Rückgrat zu brechen. Dagegen hegen wir eine gewisse Skepsis, ob die EZB den Kampf gegen die Inflation mit der gleichen Entschlossenheit führen wird wie in den letzten Jahren gegen die Deflation. Ihre Leitzinserhöhungen dürften lediglich auf ein „neutrales“ Zinsniveau (Einlagensatz: 1,25-1,5 %) führen.

Eine Rückkehr der Hochinflations-Ära der Siebziger Jahre ist unseres Erachtens unwahrscheinlich angesichts der deutlich veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (u.a. weltweit integrierte Finanz- und Gütermärkte, verringerte gewerkschaftliche Verhandlungsmacht, Aufgabe der Lohnindexierung). Wenngleich die Langfrist-Trends Deglobalisierung, Dekarbonisierung und demografischer Wandel per Saldo eine Rückkehr zu der Niedriginflation der letzten 20 Jahre verhindern dürften, wird als ein inflationsdämpfendes Gegengewicht die Digitalisierung wirksam bleiben.




Hinweis Dieses Dokument ist kein vertraglich bindendes Dokument, sondern wurde von der Gothaer Asset Management AG ausschließlich zu allgemeinen Informationszwecken erstellt. Die enthaltenen Informationen sind allgemein und unverbindlich und stellen keine Handlungsempfehlung oder Finanzanalyse dar. Die Angaben ersetzen weder die individuelle Anlageberatung durch eine Bank/einen Vertriebspartner noch den fachkundigen steuerlichen oder rechtlichen Rat. In dieser Publikation enthaltene Meinungen, Prognosen, Angaben und Analysen geben die aktuellen Einschätzungen und Erwartungen der Gothaer Asset Management AG hinsichtlich der Markt- und Branchenentwicklung wieder, die ohne vorherige Ankündigung geändert werden können. Trotz sorgfältiger Auswahl der Quellen und Prüfung der Inhalte übernimmt die Gothaer Asset Management AG keine Haftung oder Garantie für die Richtigkeit und Vollständigkeit der in dieser Publikation enthaltenen Informationen. Stand aller Informationen, Darstellungen und Erläuterungen ist der 28.09.2022 soweit nicht anders angegeben.


 

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