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Marktkommentar

Stephan Rieke (Oddo BHF): Italien droht ein stürmischer Herbst

© Oddo BHF Asset Management

Im Herbst 2018 hatte die italienische Regierung, die damals gerade einige Monate im Amt war, noch einen Kompromiss mit der EU-Kommission aushandeln und ein drohendes Defizitverfahren abwenden können. Mittlerweile stehen die Zeichen aber erneut auf Sturm: Zum einen, weil die EU-Kommission den weiteren Anstieg der Verschuldung in Verbindung mit unzureichenden Reformbemühungen nicht mehr akzeptieren will, zum anderen, weil das Verfallsdatum der Regierung in Rom näher zu rücken scheint. Angesichts der Häufung von Risiken fällt es uns zunehmend schwer, darauf zu vertrauen, dass die relativ freundliche Wetterlage am italienischen Anleihemarkt lange Bestand haben wird.

Di Maio und Salvini: Ein unwahrscheinliches Paar

Nach den Parlamentswahlen von März 2018 hatten sich im Mai letzten Jahres zwei unwahrscheinliche Partner – über den Kopf der politischen Mitte hinweg – das politische Ja-Wort gegeben: Luigi di Maio als Vorsitzender der linkspopulistischen 5-Sterne-Bewegung, deren Unterstützung vor allem im italienischen Süden stark ist, und Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega, die im Norden verwurzelt ist. Einwände von Staatspräsident Sergio Mattarella führten dann allerdings dazu, dass sich die beiden Vorsitzenden mit Posten als Vize-Minister­präsidenten begnügen mussten, während der parteilose Rechtsprofessor Guiseppe Conte als Regierungs­chef und der ebenfalls parteilose Ökonom und Jurist Giovanni Tria als Finanz- und Wirtschafts­minister fungieren.

Diesen Beiden kommt offenbar eine moderierende Rolle zu, denn die politische Macht liegt eindeutig bei den Parteichefs. Allerdings läuft es in der Koalition alles andere als rund: Offenbar fällt es den ungleichen Partnern schwer, konkrete Entscheidungen – wie kürzlich bei einem wichtigen Infrastrukturprojekt – auf den Weg zu bringen. Nicht hilfreich ist dabei, dass die „5 Sterne“ zwar fast doppelt so viele Abgeordnete im Parlament stellen wie die Lega, aber politisch auf dem absteigenden Ast sind. Die Lega dagegen – das zeigen die Europawahlen ebenso wie Umfragen – könnte bei eventuellen Neuwahlen zur stärksten politischen Kraft in Italien werden und möglichweise ein Rechtsbündnis mit Forza Italia und den ultrarechten „Fratelli“ formen. Für Salvini dürfte das eine interessante Option sein.

Aber auch Ministerpräsident Conte zeigt sich unzufrieden. Tatsächlich drohte er vor einigen Tagen mit seinem Rücktritt, sollten seine beiden Vertreter ihre Streitereien nicht beilegen und zu einer konstruktiven Regierungsarbeit im Sinne des Koalitionsvertrags zurückkehren. Er erneuerte diese Drohung nochmals im Zusammenhang mit der Abwendung eines drohenden EU-Verfahrens wegen übermäßigen Defizits.

Der Konflikt zwischen Brüssel und Rom im Herbst 2018

Die Ausgabenwünsche gemäß Koalitionsvereinbarung hatten bereits im vergangen Herbst 2018 die EU-Kommission auf den Plan gerufen, die auf die Einhaltung der Haushaltsziele pochte – denn mit einer Schuldenquote von gut 130% des Bruttoinlandsprodukts ist Italien gemäß Stabilitäts- und Wachstumspakt verpflichtet, das Haushaltsdefizit so weit zu senken, dass die Schuldenquote kontinuierlich zurückgeführt wird.

Ein kräftiger Anstieg der italienischen Anleiherenditen bis auf 3,80% für zehnjährige Staatsanleihen und Druck der EU-Kommission veranlassten die Regierung in Rom im Herbst zum Einlenken. Zumindest pro forma nahm man die anspruchsvollen Wachstumsvorstellungen auf ein realistischeres Maß zurück und korrigierte die Haushaltspläne insoweit, als das Haushaltsdefizit 2019 nur leicht auf 2% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen sollte (nach geplant 1,9% im Jahr 2018) – so dass die Planzahlen für 2019 einen leichten Rückgang der Schuldenquote ergaben.

Mit diesem „Kompromiss“ gab sich die EU-Kommission erst einmal zufrieden. Brüssel verzichtete auf eine Eskalation, obwohl die Regierung in Rom kaum einen Zweifel daran ließ, dass man an den kostspieligen finanzpolitischen Plänen des Koalitionsvertrags grundsätzlich festhalten würde, und obwohl unrealistisch hohe Privatisierungserlöse veranschlagt wurden, um die Schuldenquote 2019 zu drücken. Zudem wurde die versprochene Verringerung der Staatsschuldenquote jenseits von 2019 nur mit Hilfe von Vorratsbeschlüssen für Mehrwertsteuer- und Mineralöl-Steuererhöhungen (in Höhe von rund 1,3% des BIP) erreicht. Derartige Beschlüsse waren schon in der Vergangenheit regelmäßig kassiert worden, bevor man sie hätte umsetzen müssen.

EU-Kommission empfiehlt Eröffnung eines Verfahrens

Entsprechend überrascht uns nicht, dass der Konflikt zwischen Italien und der EU nun wieder auf der Tagesordnung erscheint, zumal die vor einigen Monaten erhoffte Belebung der Wirtschaft ausblieb. Nach zwei negativen Quartalen in der zweiten Jahreshälfte 2018 (das reale BIP fiel jeweils um 0,1% gegenüber dem Vorquartal) konnte die italienische Wirtschaft im ersten Quartal 2019 nur ein Mini-Plus von 0,1% verzeichnen. Die Wachstumsprognosen für das Gesamtjahr 2019 bewegen sich um die Nulllinie, die offizielle Schätzung der Regierung liegt nun bei 0,2% im Vergleich zum Vorjahr.

Anfang Juni gab die EU-Kommission im Rahmen des sog. „Frühjahrspakets des Europäischen Semesters“ ihre Einschätzung bekannt, dass das Haushaltsdefizit im laufenden Jahr merklich über die im Stabilitätsprogramm veranschlagten 2,4% hinausgehen dürfte und bei unveränderter Politik (ohne die ominöse Mehrwertsteuererhöhung) auch in den nächsten Jahren signifikante Zielverfehlungen wahrscheinlich seien. Eine systematische Reduzierung der Staatsschuldenquote, so die Kommission, sei bei unveränderter Politik nicht absehbar. Vor diesem Hintergrund hat die Kommission die Einleitung eines Verfahrens wegen übermäßigen Defizits gegen Italien empfohlen. Anfang der Woche hat auch der Wirtschafts- und Finanzausschuss der EU – ein Beratungsgremium von Regierungsvertretern zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten – ein Verfahren gegen Italien befürwortet.

Der nächste Schritt in diesem Prozess wäre eine entsprechende Bestätigung durch die Finanzminister der Eurogruppe. Sofern die Minister ihre Zustimmung geben, ist der Prozess zur Sanktionierung formal in Gang gesetzt. Italien könnte dann aufgefordert werden, innerhalb von drei Monaten korrigierende Maßnahmen einzuleiten. Sollten die Korrekturen nicht erfolgen, können effektive Sanktionen verhängt werden: Neben Strafzahlungen von bis zu 0,2% des BIP könnte der Zugang zu EU-Mitteln blockiert und eine engmaschige Überwachung der Haushaltsentwicklung mit Vor Ort-Kontrollen durch Kommissions- und EZB-Vertreter (ähnlich wie in Griechenland) installiert werden. Bei anhaltendem „Fehlverhalten“ können die Sanktionen weiter verschärft werden.

Quo vadis, Italien?

Wohin Italien nun steuert ist unklar: Auf der einen Seite zeigt die Regierung in Rom Gesprächs­bereit­schaft: Die Regierung, so Conte, wolle unter allen Umständen ein Verfahren vermeiden, das zu neuen Verwerfungen an den Anleihemärkten führen und möglicherweise zu einer Verschlechterung des Ratings beitragen könnte. Jenseits der allgemeinen Bekundungen zu einer Einigung mit der EU kommen zu wollen, hält die Regierung jedoch weiter an ihren Plänen fest. Insbesondere das Thema Steuersenkung – die Einführung einer pauschalen Einkommensteuer – steht fest auf der Agenda von di Maio und Salvini. Woher allerdings das Geld dafür kommen soll, bleibt offen. Di Maio beispielsweise hatte früher erklärt, dass eine mehrwertsteuerfinanzierte Einkommen­steuer­reform nicht akzeptabel sei.

Die Idee, die Zahlungsrückstände des italienischen Staates gegenüber Unternehmen im Umfang von rund 50 Mrd. Euro mit Hilfe von klein gestückelten Schatzwechseln („Mini-BOTs“) zu begleichen, ist kürzlich wieder ins Gespräch gebracht worden. Eine Lösung der Probleme bieten solche geldnahen Titel allerdings nicht. Hier lässt sich auf die Stellungnahme von EZB-Präsident Draghi verweisen: Die Mini-BOTs wären entweder Schulden, und dann (anders als die Zahlungsrückstände selbst) dem Schuldenstand zuzurechnen. Oder sie wären Geld, und die Emission damit illegal. Die Ausgabe eines Geld-Substituts würde wohl nur als vorbereitende Maßnahme für einen Austritt aus der EWU Sinn machen. Aber trotz einiger prominenter Befürworter innerhalb der Lega sehen wir derzeit keine konkreten Hinweise auf einen „Quitaly“.

Für uns sieht es vielmehr so aus, als wolle Italien Zeit gewinnen, um politisch an der Aufweichung der Fiskalregeln in der EU bzw. EWU zu arbeiten. Vielleicht hofft man darauf, dass die EU den offenen Konflikt mit einem der großen Mitgliedsländer letztlich scheut, vielleicht auch, dass die neue EU-Kommission, die am 1. November ihren Dienst aufnehmen wird, den Argumenten Italiens aufge­schlos­sener gegenüberstehen könnte.

Mögliche Marktreaktionen

Wir halten es für wahrscheinlich, dass die EWU-Finanzminister das Defizitverfahren unterstützen. Damit werden die Schuldenprobleme Italiens für die Anleger auf der Tagesordnung bleiben; exponiert wäre vor allem der Anleihemarkt. Die Risiken sprechen dafür, dass die Renditeaufschläge italienischer Staatsanleihen im Vergleich mit Bundesanleihen zumindest phasenweise deutlich höher ausfallen könnten, insbesondere höher als in den ersten Monaten des Jahres.

Ein beruhigender Einfluss könnte davon ausgehen, dass die langfristigen Renditen absolut gesunken sind. Aktuell rentiert die zehnjährige italienische Staatsanleihe bei knapp 2,4%, rund 140 Basispunkte unter den Spitzenständen von Oktober/November letzten Jahres. Dies kompensiert den Effekt höherer Kreditrisikoprämien auf die Finanzierungskosten des Staates ein wenig. Darüber hinaus dürfte das moderatere Niveau der Renditen dazu beitragen, die unmittelbaren Belastungen für das angeschlagene Bankensystem zu begrenzen.

In Pressekommentaren wird spekuliert, dass es in der zweiten Jahreshälfte zu einem Bruch der Regierungskoalition und Neuwahlen kommen könnte. Vor dem Hintergrund eines laufenden Defizitverfahrens würden die eingeschränkte Handlungsfähigkeit der Regierung und politische Ungewissheiten hinsichtlich der künftigen politischen Ausrichtung die Risiken für die Finanzmärkte in Italien zusätzlich verschärfen. Dann könnte der italienische Herbst tatsächlich stürmisch werden.

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