Freitag,16.11.2018
Aktienmärkte:
Am Donnerstag (15.11) sorgte die am Mittwochabend erfolgte Billigung des Entwurfs eines EU-Austrittsvertrags durch das britische Kabinett für einen freundlichen Handelsauftakt an den europäischen Aktienmärkten. Die Zuversicht hielt aber nicht lange an, zwei Minister und zwei Staatssekretäre erklärten ihren Rücktritt, die EU-Skeptiker unter den Torys bereiten ein Misstrauensvotum gegen Premierministerin Theresa May vor. Pressemeldungen zufolge will die mit den regierenden Konservativen verbündete nordirische Partei DUP der Regierungschefin die Unterstützung entziehen.
Die EU-Leitindizes zeigen für die laufende Woche durchwegs rote Zahlen (Euro STOXX 50: -1,2%, DAX 30: -1,5%, CAC: -1,4%, FTSE 100: -1,0%); unter den STOXX-Sektoren weist nur die defensive Telekommunikationsbranche ein positives Vorzeichen (+1,2%) aus, die stärksten Abschläge mussten die Einzelhandelswerte (-3,7%) und Finanzdienstleister (-3,2%) hinnehmen. Vglw. widerstandsfähig erwiesen sich die 2018 schwer „unter die Räder“ gekommenen Autowerte (-21,5% seit 31.12.2017), die im Verlauf dieser Woche nur -0,1% abgaben. Deren europäischer Branchenverband meldete gestern einen Rückgang der Neuzulassungen im Oktober um -7,3% (nach -23,5%, jew. ggü. Vj.).
Pressemeldungen, die China angedrohte, nächste Runde an US-Strafzöllen sei auf Eis gelegt, sorgten gestern für Rückkäufe an der Wall Street. Der S &P 500 schloss mit +1,1%, was die Zwischenbilanz der laufenden Woche (-1,8%) wieder etwas näher an die Null-Linie heranführte; Immobilien- (-0,5%) und Grundstoffwerte (-0,6%) zeigten dabei gutes Stehvermögen, während die Marktsegmente Gebrauchsgüter (-3,3%) und Energie (-3,2%) unter Abgabedruck standen.
An den asiatischen Leitbörsen herrscht heute Morgen (16.11) ein durchwachsenes Bild, der rückläufige Nikkei 225 (-0,6%) beschloss die Handelswoche mit einem Verlust von - 2,6%, der südkoreanische KOSPI 200 (heute: +0,1%) mit + 0,1% und der chinesische CSI 300 (heute: +0,5%) mit erfreulichen + 2,9%.
Renten und Währungen:
Während Staatsanleihen der EWU-Kernmärkte im Wochenverlauf zulegen konnten, mussten Peripherie-Papiere angesichts des provokativen Kurses der italienischen Regierung leichte Abschläge hinnehmen; der Euro (aktuell: 1,134 US-$) zeigte per Saldo nur geringe Veränderungen. Das britische Pfund musste den zuletzt wieder stark belastenden politischen Nachrichten Tribut zollen und verlor sowohl gegenüber dem US-Dollar als auch dem Euro.
Edelmetalle und Rohstoffe:
Gold (aktuell: 1215 US-$/Unze) konnte sich diese Woche leicht befestigen. Rohöl (Brent-Future aktuell: 67,3 US-$) stieg gestern trotz des gemeldeten sehr starken Anstiegs der US-Rohöllagerbestände (+10,3 Mio. Barrel) den zweiten Tag in Folge, die Bilanz der laufenden Woche sieht aber weiter negativ aus.
Konjunkturelles Umfeld:
Aus den Vereinigten Staaten wurden gestern erneut sehr niedrige Erstanträge für Arbeitslosenhilfe (216.000 nach 214.000), ein rückläufiger Philly Fed Index (November: +12,9 nach +22,2) und überraschend stark wachsende Einzelhandelsumsätze (Oktober: +0,8% nach -0,1%, jew. ggü. Vm.) gemeldet.
Aus der Eurozone kommt heute Vormittag die finale Inflationsrate für Oktober, die mit erwarteten +2,2% (ggü. Vj.) bereits das fünfte Mal in Folge über der Zielgröße der Europäischen Zentralbank liegen dürfte. Um 15:15 Uhr steht dann noch die US-Industrieproduktion für Oktober (e: +0,2%) auf dem Datenkalender.
Gerät Europas Wachstumsmotor ins Stottern?
Die im Wochenverlauf veröffentlichten Wirtschaftsdaten deuten auf eine Eintrübung der deutschen Wirtschaft. Zwar wurde eine Abschwächung bereits erwartet, die Zahlen fielen dennoch schlechter aus als prognostiziert. So schrumpfte das saisonbereinigte BIP im dritten Quartal um 0,2% ggü. Vq. (erwartet -0,1%). Diese Entwicklung zeichnete sich bereits in denen am Dienstag veröffentlichten ZEW-Indizes ab. Während die Einschätzung der Wirtschaftslage im Oktober noch auf einen Wert von 70,1 Zählern kam, sank der Wert mit 58,2 Punkten auf die schlechteste Einschätzung seit zwei Jahren und damit deutlich tiefer als die erwarteten 65,0 Punkte. Dagegen stieg der Index für die konjunkturellen Erwartungen leicht von zuvor -24,7 auf -24,1 Punkte (erwartet: -26,0).
Die Hauptursache für die erste Kontraktion des BIP seit 2015 liegt im Automobilsektor . Die Einführung des WLTP im September machte sich unter anderem in der Zahl der registrierten Neufahrzeuge bemerkbar, deren Zahlen am gestrigen Donnerstag veröffentlicht wurden. Ende September wurden im Vergleich zum Vormonat 36 ,7% weniger Neuwagen registriert – der größte Rückgang seit 1991. Jedoch zeigt die aktuelle Zahl für Oktober , wo die Registrierungen um 26,2% ggü. Vm. gestiegen sind, dass es sich wohlmöglich
um einen Sondereffekt handeln könnte. Auch produktionsseitig zeigt die Automobilindustrie keine Anzeichen einer anhaltenden Krise. Mit 442,5 Millionen produzierten Fahrzeugen im Oktober liegt die Produktion hier wieder nahe des 5-Jahres-Durchschnitts von 465,7 Millionen. Zuvor ist die Produktion im August auf ca. 310 Millionen eingebrochen.
Die Erholung des gewichtigen Automobilsektors allein genügt jedoch nicht um jegliche Konjunktursorgen auszuräumen. Über der exportabhängigen Wirtschaft Deutschlands schwebt nach wie vor das Damoklesschwert des globalen Handelskonflikts, auch wenn Ausfuhrzölle auf europäische Autoexporte seitens der USA zunächst ausgeschlossen sind. Belastend wirkt auch der Budgetstreit zwischen Italien und der EU-Kommission. Der bevorstehende Brexit könnte ebenfalls für Unruhe sorgen, sollte ein ungeordnetes Ausscheiden des Vereinigten Königreichs eintreten.
Binnenwirtschaftlich wirkt die starke Nachfrage unterstützend. Das solide Lohnwachstum wird vom Sachverständigenrat auf 2,7% für 2018 bzw. 2,6% für 2019 geschätzt. Hinzu kommt eine zunehmende fiskalpolitische Expansion, der in der ersten Jahreshälfte 2018 – bedingt durch die verzögerte Regierungsbildung – ausblieb. Für das zweite Halbjahr ist von einem fiskalpolitischen Stimulus in Höhe von 0,2% des nominalen BIP auszugehen. Für 2019 sind Staatsausgaben in Höhe von 0,6 bis 0,7% des BIP vorgesehen, die in
Investitionsvorhaben und rentenpolitische Maßnahmen begründet sind. Angesichts der starken Binnenwirtschaft und der Erholung der Automobilindustrie, dürfte die deutsche Wirtschaft somit künftig wieder stärker wachsen.