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Marktkommentar

Dr. Georg von Wallwitz (Eyb & Wallwitz): Alkibiades in Washington

Die Amerikaner haben die aktuelle Folge unfreundlicher Auseinandersetzungen im Welthandel nicht allein begonnen und die Chinesen können ihnen den protektionistischen Impuls gewiss innig nachempfinden. Aber sie sind derzeit die treibende Kraft und daher muss man sich mit ihren Motiven auseinandersetzen. Und an dieser Stelle wird es, das müssen wir gleich in aller Offenheit bekennen, auch und gerade für den professionellen Beobachter verwirrend.
© Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH

Wären nämlich die USA vernunftgesteuert, so würden sie nicht die Europäer vergraulen, welche immerhin den größten Binnenmarkt der Welt verwalten, mit denen sie wenig substantielle Differenzen haben und die ein ähnliches Beschwerderegister haben gegenüber den Chinesen, den eigentlichen „Verursachern“ des amerikanischen Handelsbilanzdefizits. Ginge es um ökonomische Logik, so würden die Amerikaner versuchen, die Welthandelsorganisation WTO zu stärken, anstatt sie der Lächerlichkeit preiszugeben. Sie müssten nur in die eigene Geschichte blicken, um festzustellen, dass Handelskriege keine Sieger kennen. Aber leider ist im Weißen Haus seit dem Abgang von Gary Cohn kaum noch wirtschaftliche Kompetenz anzufinden. So hat Peter Navarro, Trumps Berater in Handelsfragen, kürzlich in einem Fernsehinterview gesagt, er könne sich nicht vorstellen, dass irgendein Land auf die amerikanischen Strafzölle mit entsprechenden Gegenmaßnahmen reagieren würde.[1] In seinen Gedanken und Wünschen lebt er, wie sein Chef, wohl in einer ganz eigenen Welt.

Die Vermutung liegt daher nahe, dass es nicht um Ökonomie geht, sondern um Macht. Trump scheint die Politik zu verfolgen, von der er annimmt, dass sie ihm die Wiederwahl sichert. Und bei seiner Basis scheint die Durchsetzung von Machtpositionen gegenüber dem Ausland besonders gut anzukommen. So geht es in Demokratien manchmal zu. Die Orientierung an Werten, welche die amerikanische Außenpolitik in den letzten 80 Jahren (offiziell) gekennzeichnet hat, ist verloren gegangen. Es gelten nun andere Regeln.


Wie im Peloponnesischen Krieg: Alkibiades -  Volksredner und Feldherr - Verantwortlich für den Niedergang Athens.

Die neuen Regeln sind im Grunde alt. Schon das antike Athen berauscht sich trotz (oder wegen) seiner demokratischen Verfassung an der eigenen Macht. Nach der Abwehr der Perser dominiert Athen die Ägäis und einen großen Teil des griechischen Handels. Und so reicht es Athen bald nicht mehr, dominant zu sein, es will unterwerfen. Daher schickt Alkibiades, ein athenischer Befehlshaber in der zweiten Hälfte des Peloponnesischen Krieges, eine Flotte nach Melos, einer von Sparta kolonisierten Insel, um auch diesen letzten unkontrollierten Winkel der Ägäis unter Kontrolle zu bringen. Er gibt seinen Soldaten ein eindeutiges Ziel vor: Die Unterwerfung der Insel mit allen Mitteln. Die nun folgende Geschichte findet sich im Peloponnesischen Krieg des Thukydides als Beispiel für eine Machtpolitik reinsten Wassers.

Die Athener würden sich und den Meliern gerne eine langwierige Belagerung ersparen und schicken daher zunächst Unterhändler, um die friedliche Unterwerfung in die Knechtschaft zu erwirken. Thukydides hat das Gespräch unter Soldaten nachgezeichnet.

Der „Melierdialog“ kommt vollkommen ohne diplomatische Floskeln aus. Alle Beteiligten sagen in vollkommener Klarheit, was sie denken. „Wir nun wollen selbst nicht unter schönen Wendungen … mit einer langen und unglaubhaften Rede kommen“, beginnen die Athener und erwarten dasselbe von den Meliern. Nun folgt die Argumentation der Mächtigen, die sich weder um die guten Sitten, noch um das Recht scheren müssen. „Denn ihr wisst so gut wie wir, dass von Gerechtigkeit im Menschenmund nur dann die Rede ist, wenn man durch eine gleiche Gewalt im Zaum gehalten wird, und dass diejenigen, die die Macht haben, auflegen, so viel sie können, und die Schwachen ihnen gehorchen müssen.“ (Thuk., 5,89,1) Und darin hat sich auch 2.500 Jahre später nicht viel geändert. Eine Großmacht, die sich ihr Handeln vom Recht vorschreiben lässt, fühlt sich schwach und angreifbar.

Ihrerseits versuchen nun die Melier die Athener davon zu überzeugen, dass es in ihrem eigenen Interesse liege, sich Freunde in der (griechischen) Welt zu erhalten, auch mit Schwächeren zum gegenseitigen Vorteil zu kooperieren und die Lasten des Krieges gering zu halten. Davon wollen die Athener aber nichts wissen. Sie wollen die Unterwerfung, denn womit sonst, als dem größtmöglichen Gewinn, sollte sich der Stärkere zufriedengeben? Zumal die Unterwerfung für beide von Vorteil wäre: „Ihr entschließt euch vielleicht zur Unterwerfung, ehe ihr das Schlimmste erleidet, und für uns ist es ein Gewinn, wenn wir euch nicht zu Grunde richten.“ Leicht verunsichert erwidern die Melier: „Damit also würdet ihr nicht zufrieden sein, wenn wir in Ruhe und Frieden euere Freunde statt eure Feinde, und weder mit den einen noch mit den anderen im Bunde wären?“ Daraufhin Athen: „Nein, denn euere Feindschaft schadet uns nicht so viel als eure Freundschaft. Diese würden unsere Untertanen als Beweis unserer Schwäche ansehen: euer Hass dagegen gibt uns Gelegenheit, einen Beweis unserer Macht zu geben.“ (Thuk., 5,93 ff.) Das ist die Logik der Macht.


Es lohnt immer, Thukydides aus dem Bücherschrank zu holen, denn dort werden nicht nur die oberflächlichen Anlässe aufgezählt, sondern die tiefsten Gründe und Prinzipien erforscht, welche ursprünglich zum Krieg führen.

Erstens benennt er die eifersüchtige Furcht Spartas vor dem aufstrebenden Athen. Die etablierte Machtbalance gerät dadurch aus den Fugen. Ein noch tieferer Grund ist aber der unausgleichbare Gegensatz zwischen dem demokratischen Athen und dem oligarchischen Sparta. Deren Regierungssysteme werden einander (unausgesprochen) immer in Frage stellen und daher nicht auf Dauer friedlich koexistieren können. Auf der tiefsten Ebene sind es aber die Konstanten der menschlichen Natur - Macht, Furcht und Ehrsucht - welche die Menschheitsgeschichte auf immer ähnliche Weise ablaufen lassen. Auf die Parallelen zwischen dem Aufstieg der neuen Macht heute (China) und den alternden Platzhirschen (USA) ist schon oft hingewiesen worden. [2] Die Mechanismen der Macht scheinen jedenfalls auf ähnliche Weise zu funktionieren wie damals.

In der Tat ist die Verhandlungsstrategie der Amerikaner mit ihren Handelspartnern so, als wäre sie den Athenern abgeschaut (eine eingehende Thukydides-Lektüre des US-Präsidenten ist allerdings äußerst unwahrscheinlich). Man nimmt sich die Gegner (die meist bis dahin noch gar nicht wussten, dass sie Gegner sind) einzeln vor, denn einzeln sind sie alle schwächer als die großen USA (das mächtige Athen). Im nächsten Schritt verdeutlicht man ihnen, dass der Überlegene mit dem Unterlegenen im Grunde machen kann, was er will. Es wird das Vernichtungspotenzial gezeigt. Und der logische Schluss aus der asymmetrischen Machtverteilung lautet, dass die Annahme der gestellten Bedingungen (und sei es die Knechtschaft) immer noch besser ist als die alternative, d.h. die Auslöschung des Gegners. Denn der Verlust von Freiheit und Vermögen ist in der Logik des Stärkeren immer noch besser als der Tod. Und hat der Stärkere erst einmal diese Strategie gewählt, kann er nicht mehr von ihr lassen, denn eine Drohung, die sich als leer erweist, unterminiert die ganze Logik der Stärke. Er muss seine Drohungen wahr machen und den Krieg bis zum bitteren Ende durchziehen.


Handelskrieg mit antiken Mustern

In den Kontext des sich derzeit anbahnenden Handelskrieges übersetzt, bedeutet die Melierrede etwa das Folgende: Die USA umgehen die WTO, denn dort haben sie wesentlich weniger Druckmittel als in bilateralen Gesprächen. Dann verweisen sie gegenüber einzelnen Handelspartnern auf die enorme Bedeutung der USA als Exportmarkt und was es bedeuten würde, diesen zu verlieren. Sie drohen nicht, das sei hier lobend erwähnt, mit einem Vernichtungsschlag im Stile Athens, welcher den USA etwa durch den Ausschluss aus dem von ihnen kontrollierten internationalen Zahlungssystem zur Verfügung stünde. Aber sie drohen damit, den für viele Firmen größten und attraktivsten Exportmarkt abzuriegeln und dadurch bei den Handelspartnern eine Rezession auszulösen und den Wohlstand spürbar zu reduzieren.

In dieser Eins-gegen-Eins-Situation lassen sich für die USA nicht nur gute Bedingungen heraushandeln, sondern auch solche, die für die Handelspartner schlecht sind. Und es liegt ebenfalls in der Logik dieses Vorgehens, wie bereits von Thukydides bemerkt, dass die Drohungen nicht leer bleiben dürfen. Die USA müssen zu Handelskriegen mit allen bereit sein, wenn sie eine Verbesserung mit nur einem Handelspartner erreichen wollen.

Befinden sich die USA heute schon auf der machtpolitischen Schiene, haben sie die werteorientierte Außenpolitik (die ihnen immerhin zu einer einzigartigen Machtstellung in der Welt verholfen hat, von welcher China oder Russland nur träumen können) aufgegeben? Ist das ökonomische Interesse tatsächlich hinter das ganz eigene Kalkül von militärisch-technologischer Dominanz zurückgetreten? Das lässt sich jetzt noch nicht abschließend beantworten. Vielleicht sind die Manöver dieser Tage nur Theaterdonner, vielleicht nur eine Ablenkung von der Krise der Demokratie, vielleicht nur eine Verhandlungsstrategie. Ich fürchte, wir werden es im Lauf des Jahres herausfinden – und unsere Portfolios dann entsprechend ausrichten (d.h. in solche Länder umschichten, die von einer Repatriierung exportierten Kapitals profitieren).

Am Ende beschließen die Melier, ihre Unabhängigkeit zu verteidigen und den Krieg der Knechtschaft vorzuziehen. Sie vertrauen auf die Zufälle und das Glück, welche in jedem Krieg eine Rolle spielen, sowie auf den Beistand ihrer Bundesgenossen aus Sparta. Athen errichtet eine Blockade, die zu grauenvollem Hunger führt. Sparta schickt keine Hilfe, ist an anderen Kriegsschauplätzen engagiert. Am Ende ergeben sich die Melier auf Gnade und Ungnade. Alkibiades lässt die Volksversammlung demokratisch das Urteil sprechen: Die Männer von Melos werden hingerichtet und die Frauen in die Sklaverei verkauft.

Für Melos war es das Ende, aber für Athen ging die Geschichte weiter. Thukydides stellt die Episode auf Melos als einen Wendepunkt im Krieg dar. Die Macht, die sie so selbstherrlich ausüben und der sie die Melier so bereitwillig Opfern, beginnt bald zu zerbröseln. Eine spektakulär großartige Fehlentscheidung reiht sich an die nächste. Alkibiades läuft erst zu den Spartanern über, und als es auch dort nicht rund läuft, zu den Persern – von wo aus er als Feldherr wieder nach Athen zurückkehrt. Aber das ist eine andere Geschichte. Am Ende gewinnt Sparta den Krieg. Es muss vielleicht nicht überraschen, dass das autoritäre Sparta dem demokratischen Athen in der reinen und wertfreien Machtpolitik überlegen war. Keine schlechte Perspektive für China.



[1] http://video.foxbusiness.com/v/5743778657001/?#sp=show-clips

[2] https://foreignpolicy.com/2017/06/09/the-thucydides-trap/





 

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