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Marktkommentar

Guido Barthels (ETHENEA): La Dolce Vita…

Die Wahlversprechen waren einfach zu gut! Als sich dann Mitte Mai eine Koalition mit den Rechtspopulisten der „Lega Nord“ herauskristallisierte, schien alles perfekt. Man sprach über mögliche Neuverhandlungen mit der EU über die Berechnungen der italienischen Staatsschulden. Massive Steuersenkungen und die großzügige Einlösung von Wahlversprechen beider Lager standen an.
© ETHENEA Independent Investors S.A.

Der Jurist Conte wurde beauftragt, eine neue Regierung zu bilden. Bis zum Veto von Präsident Matarella zur Ernennung von Euroskeptiker Paolo Savona zum Wirtschaftsminister am 27.Mai lief alles glatt – aus Sicht der Populisten.

Die Kapitalmärkte hatten eine etwas andere Sichtweise und folgten in ihren Bedenken mehr oder minder der Ratingagentur Moody‘s, die bereits eine mögliche Neubewertung des Kreditratings Italiens angekündigt hatte. Seitdem bekannt wurde, dass so ziemlich das Schlimmste passieren würde, was aus Sicht der Kapitalmärkte passieren konnte, nämlich ein Bündnis der eurokritischen Populisten von der linken und der rechten Seite, weiteten sich die Zinsaufschläge der italienischen Staatsanleihen gegenüber Bunds deutlich aus. Seit dem 27. Mai, als Präsident Matarella Carlo Cottarelli beauftragte eine Übergangsregierung zu bilden, war das politische Chaos perfekt.

Der US-amerikanische Memorial Day hatte, gepaart mit einem Bank Holiday in Großbritannien, die ohnehin schon angespannte Situation an den Märkten nochmals verschärft, da einfach viele Marktteilnehmer nicht im Büro waren und die Liquidität entsprechend gering war. Die Renditen der 10-jährigen BTPs, und vor allem auch der 2-jährigen BTPs, stiegen deutlich an. Aber das war vergleichsweise harmlos gegen das Chaos am Dienstag, den 29.5. (siehe Grafiken 1 und 2). Die Rendite der 2-jährigen BTPs stieg von 0,92 % um 180 Basispunkte auf 2,7 %! Nur um diese Dimension mit einer Perspektive zu versehen – am 10. November 2011, auf dem Höhepunkt der Eurokrise, stiegen die Renditen der 2-jährigen BTPs von 6,15 % auf 7,47 %, ein Anstieg um 132 Basispunkte. Der Anstieg der 10-jährigen Rendite fiel vergleichsweise niedrig aus, wobei der Anstieg um 70 Bp. zu einem satten Kursverlust von über 6 % führte. Falls man bisher der Meinung war, dass dies nur das „ganz normale“ politische Chaos mit der demnächst 65. Nachkriegsregierung in Italien sei, sollte man spätestens seit dem besagten Dienstag aufwachen.

Die Marktreaktionen zeigen deutlich, dass hier eine handfeste Vertrauenskrise entstanden ist, die schnellst möglich ausgeräumt werden sollte. Die Möglichkeit einer Ansteckungsgefahr für andere Märkte ist nicht nur hypothetisch, sondern tatsächlich vorhanden: Die Märkte in Portugal und Spanien kamen ebenfalls unter Druck, Zinsaufschläge für Unternehmensanleihen stiegen deutlich an, und die Geld-Brief-Spannen der Händler haben sich spürbar ausgeweitet, um die Handelsbücher zu schützen. Die gute Nachricht ist, dass wenig echte Verkäufe stattgefunden haben. Die Krise ließe sich daher noch gut eindämmen, weil in vielen Fällen eben lediglich Buchverluste entstanden sind, die zwar mehr als lästig sind, aber in den meisten Fällen nicht wirklich bedrohlich werden können. Die politischen Akteure haben mittlerweile auch erkannt, dass ihre Aussagen und ihr Handeln nicht folgenlos bleiben. Und obwohl es zum Zeitpunkt des Erstehens dieser Zeilen noch nicht ersichtlich ist, in welche Richtung sich die politische Gemengelage in Italien entwickelt, wird deutlich, dass sowohl „5-Sterne“ wie auch „Lega“ sich nicht völlig unverantwortlich verhalten, sondern im Gegenteil konstruktiv bleiben. Das lässt hoffen. 


Grafik 1: Entwicklung der Rendite der 10-jährigen italienischen Staatsanleihe.

Grafik 1: Entwicklung der Rendite der 10-jährigen italienischen Staatsanleihe.



Grafik 2: Entwicklung der Rendite der 2-jährigen italienischen Staatsanleihe.  


Allerdings ist das Phänomen des Erstarkens der Populisten, links wie rechts, kein rein italienisches Problem. Überall in Europa sind die Populisten auf dem Vormarsch, ja selbst in den USA könnte man ohne viel Aufhebens Präsident Trump als Populisten bezeichnen. Der Grund scheint recht schnell gefunden. Die Wohlstands- und Einkommensverteilung in der sogenannten „entwickelten“ Welt ist in den letzten Dekaden immer ungleicher geworden. Als Folge dessen fühlen sich immer größere Bevölkerungsgruppen von der Wohlstandsentwicklung abgehängt, und je nach politischer Couleur wird bestimmten Minderheiten (z. B. Flüchtlingen) oder aber politischen Gebilden (z. B. der EU) die Schuld an dem Ungemach gegeben. So berechtigt manche von den Schuldzuweisungen auch sein mögen, würden die Lösungsansätze der Populisten in den allerseltensten Fällen wirklich eine langfristige Verbesserung der Lage der wirtschaftlich zurückgebliebenen Bevölkerungsteile bewirken. „Ausländer raus!“ oder „Weg mit der EU!“ hilft nicht wirklich. Ein kurzer Blick über den Ärmelkanal könnte vielleicht Wunder bewirken, wenn man die Briten beim Brexit beobachtet. Hier hat der Populismus gesiegt – und die Briten wahrscheinlich verloren. Es erscheint immer unwahrscheinlicher, dass auch nur ansatzweise die Versprechungen der Brexiteers eingelöst werden. Aber zu dem Thema haben wir ja bereits genug geschrieben. Trotzdem können uns die Briten in der EU helfen, wenn auch nur, weil sie als schlechtes Beispiel dienen – vielleicht auch den italienischen Wählern und Politikern.

Allerdings ist ja nicht alles falsch, was die Populisten behaupten. Das ist ja gerade das Gefährliche daran. In Italien beispielsweise ist die Ära nach dem 2.Weltkrieg bestimmt durch viele Regierungen in allen möglichen Zusammensetzungen. Wenn jetzt die neue Regierung zustande käme, wäre es die 65. Nachkriegsregierung, allerdings lediglich der 29. Regierungschef. Eine relativ kleine politische Clique in Rom hat jahrzehntelang die Geschicke des Landes geführt. Beispielhaft ist Giulio Andreotti zu nennen, der an 34 Regierungen beteiligt war, sieben Mal als Regierungschef, 21 Mal als Minister und sechs Mal als Staatssekretär. Dass in dieser Umgebung Parteien Zustimmung bekommen, die mit „denen in Rom“ abrechnen wollen, ist kaum verwunderlich.

Und tatsächlich wächst Italien seit der Finanzmarktkrise langsamer als andere Staaten aus dem Euroraum (siehe Grafik 3). Die Reformen, die in Spanien und Portugal für das Wachstum seit der Eurokrise gesorgt haben, fallen in Italien bestenfalls anämisch aus. Die nötigen Reformen wurden nicht oder nur teilweise umgesetzt. Aktuell versucht sich der französische Präsident Macron an ähnlichen Reformen und erlebt Massenproteste, wird sich aber hoffentlich durchsetzen können. Die italienischen Populisten versuchen nun, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, und versprechen zur alten Grandesse zurückzukehren (siehe Grafik 4). 


Grafik 3: Entwicklung des BIP per Capita relativ zu 2000 in %.

 Grafik 3: Entwicklung des BIP per Capita relativ zu 2000 in %.                      

Grafik 4: Entwicklung des BIP Capita relativ zu 1970 in %.

 Grafik 4: Entwicklung des BIP Capita relativ zu 1970 in %.                


Vor der Jahrtausendwende konnte Italien beim Wachstum mühelos Schritt halten. Deutschland galt vor den Schröder‘schen Reformen als „kranker Mann Europas“. Die Agenda 2010, die ja auf dem gemeinsamen Schröder/Blair Papier von 1999 basierte, führte zu einer Modernisierung des deutschen Arbeitsmarktes und zu einem Wiedererstarken der deutschen Industrie. Linke Sozialdemokraten würden argumentieren, dass dies auf Kosten der unteren Einkommensklassen passierte, und sie hätten nicht komplett unrecht mit dieser Beobachtung.

Gerade in Deutschland wurde jahrelang Lohnzurückhaltung praktiziert, was im Zusammenspiel mit den nunmehr festen Wechselkursen zu einem signifikanten Wettbewerbsvorteil der deutschen Wirtschaft geführt hat (siehe Grafik 5). In einem System flexibler Wechselkurse hätten die relativen Änderungen dazu geführt, dass der komparative Vorteil der deutschen Lohnstückkosten beispielsweise gegenüber denen der Italiener durch eine relative Abwertung der italienischen Lire gegenüber der deutschen Mark praktisch ausgeglichen worden wäre. Man konnte also als effektiv wirken, ohne wirklich effizient zu sein. Die Analyse, ob dieser Vorteil die Nachteile flexibler und damit volatiler Wechselkurse ökonomisch aufwiegt, möchten wir an dieser Stelle nicht durchführen. In Zeiten von Industrie 4.0 und immer stärkerer Automatisierung in der Produktion haben Lohnstückkosten einen deutlich geringeren Stellenwert. Politisch stellt sich die Frage nach dem Sinn und Unsinn von flexiblen Wechselkursen zumindest dem Autor nicht. 


Grafik 5: Relative Lohnstückkosten. Entwicklung seit Einführung des Euro.

Grafik 5: Relative Lohnstückkosten. Entwicklung seit Einführung des Euro.                 


Selbst die italienischen Populisten stellen in der Mehrheit auch die Zugehörigkeit zum Euro nicht wirklich in Frage. Allerdings möchte man gewisse Sachverhalte nachverhandeln, was auch keine Überraschung darstellt. Viele Stellschrauben an dem gemeinsamen Projekt der europäischen Währungsunion sollten adjustiert werden. Ob wirklich die teutonische Beharrlichkeit im Projekt „Schwarze Null“ die richtige Vorgehensweise für alle Zeiten und alle Staaten ist, würden selbst deutsche Sozialpolitiker mit einem großen Fragezeichen versehen. Das Problem der unausgeglichenen TARGET-2-Salden, die potenziell ein „moral hazard“-Problem darstellen, sollte im Rahmen einer umfassenden EU-Reform angegangen werden. Und vieles mehr.  Je näher man hinschaut, umso klarer wird es, dass der Euro in erster Linie ein politisches Projekt ist und keins, bei dem die Ökonomie im Vordergrund stand. Und gerade mit Blick auf den politischen Konsens für den Euro konnte sich Mario Draghi sicher sein, Rückhalt zu bekommen, als er am 26.7.2012 in London seine historischen Worte „Whatever it takes“ aussprach. Unseres Erachtens gilt diese Aussage nach wie vor in aller Klarheit und Deutlichkeit.  Der Anzahl der Freiheitsgrade, die die nächste italienische Regierung besitzt, ist vergleichsweise besser als in den vergangenen Jahren. Zwar ist der Schuldenstand insgesamt mit über 130 % des BIP fast auf Rekordhöhe, aber das Budgetdefizit ist mit -2,3 % so niedrig wie seit Jahren nicht mehr (siehe Grafik 6). Insofern würden sich vielleicht tatsächlich gewisse Wahlversprechen erfüllen lassen, wenn nicht gleichzeitig massive Steuersenkungen gemacht werden. Letztere würden den unteren Einkommensklassen wohl auch nicht wirklich helfen, da dort ohnehin nicht viele Steuern bezahlt werden. Diese Quadratur des Kreises ist aber genau der wunde Punkt, den die Ratingagenturen und Investoren bei der möglichen neuen italienischen Regierung sehen. Staatliche Einnahmen senken und gleichzeitig Ausgaben steigern führt fast zwangsläufig zu einem höheren Kreditrisiko. Wenn allerdings die Ausgaben keine Konsumausgaben darstellen, sondern Investitionsausgaben, dann wird es schon weniger offensichtlich. Dann könnte ja mittel- bis langfristig das genaue Gegenteil erreicht werden, und das zukünftige Wachstum durch Multiplikatoreffekte die heutigen Investitionen überkompensieren.

Grafik 6: Entwicklung des Budgetsaldos und der Staatsschulden.

Grafik 6: Entwicklung des Budgetsaldos und der Staatsschulden. 


 Grafik 7: Entwicklung der Handelsbilanz.

 Grafik 7: Entwicklung der Handelsbilanz.                


Seit der Eurokrise in 2011/12 und den anschließend ungewohnt niedrigen Kapitalmarktzinsen – nicht nur für den italienischen Staat, sondern auch für die italienischen Unternehmen – hat sich ja bereits einiges verbessert. Grafik 7 zeigt deutlich, dass die Handelsbilanz seit der Krise einen deutlichen Überschuss aufweist, obwohl es ja bekanntlich keine „weiche“ Lire gibt. Zugegebenermaßen hat der Euro nach seiner Krise bis 2015 fast 20 % an Wert eingebüßt, was dem italienischen Handelsbilanzüberschuss sicher geholfen hat; allerdings wird das gewiss nicht der einzige Grund gewesen sein. Es ist keine Binsenweisheit, dass Italien nicht wegen, sondern trotz seiner Politik funktioniert (hat). Reminiszenzen an Don Camillo und Peppone kommen auf, die die scheinbaren Widersprüche im Nachkriegs-Italien amüsant aufarbeiteten. Der kommunistische Bürgermeister mit dem katholischen Pfarrer, die immer wieder große Gemeinsamkeiten fanden.  So ähnlich wird es dann auch hoffentlich in der aktuellen Krise ablaufen. Die Politiker finden einen Konsens und machen das Beste draus. Una tempesta in un bicchier d’acqua wird in einigen Wochen hoffentlich unser Resümee der Ereignisse der letzten Tage lauten. Es sollte aber eine Warnung an alle sein, die etwas zu gelassen in die Zukunft schauen und die niedrigen Zinsen schon als gottgegeben ansehen.  

Der Druck auf normalere Zinsniveaus zurückzukehren, wo der nominale Zins höher als die Inflationsrate ist, steigt.

Aber auch, oder eher gerade mit höheren Zinsen lässt sich das Dolce Vita genießen.


 

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