Da dieser Wochenrückblick in Peking verfasst wurde, darf natürlich auch die chinesische Wirtschaft nicht unerwähnt bleiben, zumal die chinesischen Börsen mit ihren Wertentwicklungen innerhalb der letzten zwölf Monate (>100 %) und ihren Bewertungen zu den teuersten Aktienmärkten der Welt zählen. In unseren Gesprächen mit Unternehmenslenkern und Regierungsvertretern klangen deutlich die Stabilisierung und die Normalisierung an, die sich nach Jahren starken Wachstums heute in der chinesischen Wirtschaft vollziehen, aber auch die bereits jetzt spürbaren negativen Auswirkungen der Überalterung der Gesellschaft aufgrund der Ein-Kind-Politik. Folgenreich ist diese Überalterung insbesondere für den Arbeitsmarkt und den Bausektor. Nach und nach setzen sich die grundlegenden Ideen der Betriebswirtschaft in allen Bereichen der Wirtschaft durch: Gleichgewicht zwischen Investitionen und Verbrauch, Streben nach Rentabilität und hohen operativen Cash-flows selbst in volkseigenen Unternehmen, allmähliche Öffnung der Kapitalmärkte (wie in Hongkong mit Shanghai Connect) und Unterstützung des Immobilienmarkts zur Verhinderung einer Kreditklemme und Wohnungsnot.
Die Einführung des Wirtschaftsliberalismus amerikanischen Stils erfolgt selbstverständlich in enger Verflechtung mit dem konfuzianisch-kommunistischen Erbe, was die wichtigen Entscheidungen der Zentralregierung aus westlicher Perspektive, der nicht selten konservative oder rationalistische Vorurteile anhaften, mitunter willkürlich und verfehlt erscheinen lässt. Ganz ungetrübt sind die Aussichten natürlich nicht, da es sich bei der Bevölkerungsentwicklung und den Umweltproblemen um langfristige Trends handelt, die sich noch auf die Haushalte künftiger Regierungen und die alltägliche Lebensqualität der Chinesen auswirken werden. Die Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung sind einem dauerhaften Wachstum selbstverständlich zuträglich, haben kurzfristig jedoch bestimmte Investitionen ausgebremst und einzelne Wirtschaftszweige beeinträchtigt (Pharmazie, Nicht-Basiskonsumgütersektor). Nichtsdestotrotz steht unsere dritte Reise in diese für die moderne Welt so wichtige Volkswirtschaft vor allem unter dem Eindruck des hohen Tempos und der Anpassung der Chinesen an die Weltwirtschaft nach angelsächsischem Modell.