Damit wären eigentlich optimale Voraussetzungen gegeben, um ein Ausstiegsszenario aus dem QE-Programm zu präsentieren. Die EZB will die Entscheidung darüber aber bis zum letzten Moment hinauszögern, um keine unnötige Volatilität an den Finanzmärkten zu erzeugen. Alles in allem spricht vieles dafür, dass kurzfristig noch-mals die »risk on«-Stimmung an die Finanzmärkte zurückkehrt, bevor im weiteren Jahresverlauf der konjunkturelle Rückenwind nachlässt.
Für die Finanzmärkte ging die diesjährige Konferenz von Jackson Hole aus wie das Hornberger Schiessen. Die hohen Erwartungen, welche die prominente Besetzung im Vorfeld geweckt hat, wurden nicht erfüllt. Janet Yellen und Mario Draghi wollten zur aktuellen Geldpolitik rein gar nichts sagen. Stattdessen nutzten sie die Chance, um dem US-amerikanischen Präsidenten ins Gewissen zu reden. Draghi hielt ein flammendes Plädoyer für den freien Welthandel und Yellen warnte davor, die Lehren aus der Finanzmarktkrise allzu schnell wieder über Bord zu werfen.
Noch aus einem anderen Grund schwebte der unheilvolle Geist Donald Trumps über der Konferenz und den Finanzmärkten. Einige Tage zuvor hatte er im Streit über die Anhebung der Schuldenobergrenze zusätzlich Öl ins Feuer gegossen: Sollte die Finanzierung des Mauerbaus zu Mexiko nicht gesichert sein, drohte er mit dem »Government Shutdown«.
Die Weltwirtschaft liess sich von diesen politischen Scharmützeln bis zuletzt nicht beirren – sie schwebt nach wie vor auf Wolke sieben. In den USA deutet sich im laufenden Quartal ein Wachstum von gut 3,0% an. Das 2. Quartal dürfte nachträglich in diese Richtung nach oben revidiert werden. Die eigentliche Wachstumslokomotive war bis zu Beginn des 2. Halbjahrs jedoch Asien. Selbst Japan zeigt sich in robuster Verfassung.
In der Eurozone ist die Welt ebenfalls noch in Ordnung. Im August haben sich die Konjunkturbarometer auf hohem Niveau stabilisiert. Der IFO-Index lag gerade einmal ein Zehntel unter dem im Juli erklommenen Allzeithoch. Rückenwind ging offensichtlich erneut von der kräftigen Nachfrage aus Asien aus. Dies hat auch den EUR-Einkaufsmanagerindex der Industrie beflügelt, der auf den zyklischen Höchststand vom Juni zurückschnellte. Im Ergebnis wird sich das BIP-Wachstum der Eurozone im laufenden Quartal nur geringfügig gegenüber dem 2. Quartal abschwächen.
Eigentlich ein optimales Umfeld, um den Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik vorzubereiten. Jens Weidmann hatte dem EZB-Präsidenten in der vergangenen Woche eine entsprechende Steilvorlage geliefert. Er sehe keinen akuten Grund, warum das Wertpapierkaufprogramm 2018 fortgeführt werden sollte. Mario Draghi selbst hält sich indes noch bedeckt. Ein Grossteil des EZB-Rats möchte jetzt erst einmal die Ernte einfahren, die mit der expansiven Geldpolitik der vergangenen Jahre gesät wurde. Der »schöne Aufschwung« soll nicht sofort wieder durch voreilige Schritte aufs Spiel gesetzt werden.
Manövrierraum für diesen abwartenden Kurs gewährt das Inflationsumfeld. Die Teuerungsrate liegt immer noch deutlich unter der Zielsetzung. Die Gefahr einer wirtschaftlichen Überhitzung erscheint gering. Entsprechend lassen sich die Notenbanker so lange wie möglich Zeit, um über den Fortgang des QE-Programms zu entscheiden. Im September wird die Diskussion zunächst einmal anlaufen. Definitive Beschlüsse über das Volumen und den Zeithorizont der zukünftigen Anleihenkäufe dürften erst Ende Oktober gefällt werden.
Für die Finanzmärkte ergibt sich aus dieser Gemengelage folgender Ausblick: Kurzfristig sollten das positive konjunkturelle Umfeld sowie der »dovishe« Kurs der Geldpolitik die Aktienmärkte nochmals beflügeln. Die Anleihenmärkte dürften hingegen per saldo erneut unter Druck geraten – vor allem dann, wenn sich die Lage im US-Haushaltsstreit wieder entspannt. Mittelfristig rechnen wir jedoch mit einem nachlassenden konjunkturellen Momentum. Letzteres sorgt für Gegenwind an den Aktienmärkten und stützt die Anleihenmärkte.