Am Dienstag der gleichen Woche gab es aus einem anderen europäischen Kernland politische Neuigkeiten, die fast ein wenig stiefmütterlich behandelt wurden. Theresa May, die englische Premierministerin hat sogenannte »snap elections« zum britischen Unterhaus für den 8. Juni angekündigt, die postwendend vom Parlament mit überwältigender Mehrheit beschlossen wurden.
In den Kommentaren wurde fast unisono diese Entscheidung als der Versuch der Konservativen gewertet, ihren deutlichen Vorsprung in den Umfragen in eine stärkere Parlamentsmehrheit über die heutigen 17 Sitze hinaus zu übersetzen. So soll wohl die Position von Theresa May in London und Brüssel vor den anstehenden Brexitverhandlungen gefestigt werden. Der Brexit per se sei davon nicht berührt, so der weit überwiegende Tenor nationaler und internationaler Kommentatoren.
Warum eigentlich nicht? Bergen vorgezogene Neuwahlen zur Festigung bestehender Regierungen das Risiko überraschender Ergebnisse? Die Erfahrung der Schröder-Regierung in 2005 bei aller Unterschiedlichkeit der Rahmenbedingungen lässt grüßen. Könnten nicht diejenigen, vornehmlich jüngeren und städtisch geprägten Wähler, die die Brexit-Abstimmung nicht wahrgenommen haben, jedoch vom Ergebnis enttäuscht sind, nicht die Keimzelle einer Bewegung werden, die die Parlamentswahl zum Forum einer wie auch immer gearteten impliziten Brexit-Abstimmung werden lassen? Und ist nicht das entsprechende Engagement des ehemaligen Premierministers Tony Blair ein starkes Signal für eine solche Bewegung? Und was ist eigentlich mit den Schotten? Ihre Unabhängigkeitsbestrebungen von UK werden ja nicht einfach so verschwinden. Und was ist mit Theresa May, wenn der Wahlsieg dann weniger deutlich als erwartet ausfällt? All diese Überlegungen führen dazu, dass wir die politischen Entwicklungen in UK zumindest weit intensiver beobachten müssen, als es Mitte April den Anschein hatte. Die Kapitalmärkte werden sicher ihren Blick hierauf nach dem 8. Juni verstärken. Vielleicht wird 2017 dann statt dem befürchteten Jahr der Renationalisierung zum Jahr der Reeuropäisierung. Aber – und naturgemäß schütten wir ungern Wasser in den Wein – Vorsicht vor Italien. Nach jüngster Umfrage ist Italien das EURO-Land, in dem die Skepsis gegenüber dem Euro am stärksten ausgeprägt ist; also: Cave ITEXIT.