Obwohl der holländische Urnengang von den Märkten mit relativem Gleichmut registriert wurde, zeigt er doch, dass die antieuropäischen Thesen längst nicht von einer Mehrheit geteilt werden. Niemand bestreitet, dass die Europäische Union an einer gewissen Ineffizienz leidet, wie uns die Engländer mit ihrem Brexit-Referendum wieder ins Bewusstsein gerufen haben. Auch die Ungereimtheiten eines Währungsraums (der Eurozone) aus Volkswirtschaften, deren inhärente Flexibilitätsgrade voneinander abweichen, stehen außer Frage. Dennoch weisen alle wirtschaftlichen Zeiger des Euroraums in die richtige Richtung (Geschäftsklima, Verbrauchervertrauen, Arbeitslosenzahlen, Kreditvergabe, Rückkehr der Inflation, leichte Aufwärtskorrekturen der Unternehmensgewinne), und seit drei Jahren entwickelt sich sein BIP besser als das langfristige Potenzial von rund 1 %.
Nachdem der Euroraum seit 2011 wiederholt Schauplatz beängstigender Systemschocks war, könnte er heute wieder ein attraktives Anlageziel abgeben ... sofern auch die letzte politische Hürde ohne allzu große Mühen genommen wird. So steht vorerst nur noch die französische Präsidentschaftswahl im Brennpunkt der Entwicklung der Finanzmärkte. Derzeit lassen die Umfragen, soweit man ihnen Glauben schenken darf, keine hohe Wahrscheinlichkeit eines Siegs für eine extremistische Partei erkennen, und für die Parlamentswahlen im Juni zeichnet sich erst recht keine extremistische Mehrheit ab. Das europäische, aber auch weltweite Wirtschaftswachstum setzt sich fort, und zumindest in den Vereinigten Staaten normalisiert sich auch das geldpolitische Umfeld. Trotz des unerhörten populistischen und medialen Drucks auf die Demokratien ist es also noch zu früh, das Testament der Eurozone zu schreiben und den globalen Kapitalismus zu begraben.