Selten gingen vom wirtschaftlichen und politischen Umfeld der Währungsunion so unterschiedliche Signale aus wie Anfang 2017. Auf der einen Seite wird der Frexit oder Italexit an die Wand gemalt. Völlig unbeeindruckt davon stürmen auf der anderen Seite die Einkaufsmanager- und Geschäftsklimaindikatoren von einem zum nächsten Gipfel. Barometer wie der Einkaufsmanagerindex der Industrie sind so steil nach oben gerichtet wie lange nicht mehr und signalisieren entsprechend den ersten veritablen Aufschwung seit dem Jahr 2011. Im Einklang damit deuten die Niveaus der Indikatoren mittlerweile auf BIP-Wachstumsraten von über 2,0% hin (im Vorjahresvergleich).
Wie lässt sich die günstige Ausgangslage im laufenden Jahr erklären? Anders als 2014/2015 ist nicht mehr nur die Binnen-, sondern auch die Auslandsnachfrage Wachstumsmotor. Dies spiegelt sich inzwischen in den Exportzahlen wider, die Ende 2016 kräftig zugelegt haben. Mithin war das 4. Quartal 2016 gemäss den monatlichen Daten von Eurostat das Beste seit fünf Jahren.
Daneben hat sich auch auf Länderebene einiges getan. Waren in den vergangenen Jahren vor allem Deutschland und Spanien die Konjunkturlokomotiven der Eurozone, ist inzwischen Frankreich hinzugestossen, dessen Datenflow zuletzt überraschend positiv ausfiel. Daneben befinden sich mit den Niederlanden, Österreich, Portugal und Irland aber auch zahlreiche kleinere Länder im Aufwind. Im Ergebnis läuft die Eurozone nicht mehr nur auf wenigen, sondern auf allen Zylindern. Der Aufschwung hat sich verbreitert.
Noch mehr als das Wachstum ist indes die Inflation der Eurozone aus dem Winterschlaf erwacht. Nachdem sich die Teuerungsrate (Veränderung zum Vorjahr) fast drei Jahre lang um die Nulllinie bewegt hat, ist sie im Januar 2017 auf 1,8% geschnellt und dürfte im laufenden Monat knapp 2,0% erreichen. Dafür verantwortlich sind primär die Energiepreise, deren Teuerungsrate sich in kürzester Zeit von -9,0% auf +8,0% gedreht hat. Obwohl die Reflationierung damit bislang im Wesentlichen nur eine Ursache besitzt, sollte man die Entwicklung nicht klein reden. Spiegelt doch die Hausse bei den Energiepreisen nichts anders als die weltwirtschaftliche Belebung wider, die neben den Öl- auch die meisten anderen Rohstoffpreise erfasst hat. Der aussenwirtschaftliche Deflationsdruck hat zweifellos abgenommen.
Dagegen ist der binnenwirtschaftliche Preisdruck nach wie vor gering. Das Lohnwachstum ist blutleer und wird sich in den nächsten Quartalen nur moderat beschleunigen. Gleichzeitig ist von Überhitzung in der Wirtschaft noch wenig zu sehen. Die Preissteigerungsrate unter Ausklammerung von Energie wird daher lediglich gemächlich in die Gänge kommen.
Entsprechend können auch die Währungshüter die Entwicklung gelassen sehen: Statt Inflationsangst überwiegt derzeit die Freude über die Abwehr der Deflationsgefahr. Diese abwartende Haltung ist aus unserer Sicht gerechtfertigt. Das Risiko, dass die EZB zu spät mit der geldpolitischen Straffung beginnt, ist mithin gering. So positiv die Konjunkturentwicklung aktuell ist, für das 2. Halbjahr 2017 deuten unsere Frühindikatoren auf keine weitere Beschleunigung des Wachstums hin. Ausserdem darf die EZB auch die politischen Risiken nicht ausser Acht lassen.
Alles in allem bieten die makroökonomischen Rahmenbedingungen derzeit keinen Grund für einen gelpolitischen Kurswechsel, sondern sind ein Anlass zum Aufatmen. Die Zeiten, in denen jeder Rückschlag sofort Rezessionsrisiken heraufbeschwört, sind vorerst vorbei. Auch für die Finanzmärkte ist das konjunkturelle Umfeld aktuell ein Hort der Stabilität und stellt ein Gegengewicht zu den politischen Spannungen dar.