Asset Standard: Ihr Fonds verfolgt einen Risk-Parity-Ansatz, das heißt alle ausgewählten Assetklassen tragen den gleichen Teil zum Gesamtrisiko des Fonds bei. Im Januar machten Aktien aber mit 49,8% den größten Teil der Riskoallokation aus, Anleihen lagen bei 19,6% und Rohstoffe bei 30,6%. Wie kam es dazu?
Widmer: Das Portfolio des Balanced-Risk Allocation Fund besteht aus einer taktischen und einer strategischen Komponente. Diese spielen komplett unterschiedliche Rollen innerhalb der Gesamtstrategie. Strategisch streben wir eine Gesamtvolatilität von 8% des Gesamtportfolios an, die anhand der langfristigen Standardabweichung, also 40 Jahre zurück, gemessen wird. Die taktische Komponente wird mit einem Risikobudget von 2% kontrolliert. Wenn man diese beiden kombiniert, wird das Gesamtrisiko auf ex ante-Basis verändert. Außerdem verschiebt sich die Risikoparität des strategischen Teils, die dort mit 33% je Assetklasse festgelegt ist. Das heißt, wir können von diesen 33% Risikoanteil je Anlageklasse 17% nach oben oder unten abweichen.
Dann ist die derzeitige Allokation nicht ungewöhnlich?
Nein. Wenn Sie die historische Risikobeteiligung der Anlageklassen seit Auflegung betrachten, war das Risiko nie exakt paritätisch verteilt. Die Kombination der strategischen und taktischen Allokation gibt das nicht her.
Warum dann überhaupt ein Risk-Parity-Ansatz?
Wir halten den Risk-Parity-Ansatz für einen guten Ausgangspunkt, wissen aber auch, dass es kurzfristig immer zu Marktschwankungen kommen kann und wir sehr flexibel und pragmatisch sein müssen, um uns anzupassen. Betrachtet man die durchschnittliche Risikobeteiligung der Assetklassen über die historische Entwicklung des Portfolios, kam die sehr nahe an die jeweilige Parität heran – und das, obwohl wir seit Auflegung sehr stark zwischen den Assetklassen geschwankt sind. Das bestätigt uns in unserem Ziel, den größten Teil der Erträge dieses Fonds durch Risikoparität zu erwirtschaften.
Was war für diese Schwankungen verantwortlich?
Das ist einfach eine Funktion dieser taktischen Komponente. Strategisch benutzen wir hauptsächlich historische Volatilitätszahlen. Dadurch, dass der Betrachtungszeitraum 40 Jahre beträgt, ist diese Ausrichtung sehr stabil. Die taktische Komponente reagiert dann auf lang, mittel- und kurzfristige Signale. Wir rebalancieren das Portfolio jeden Monat hin zur Risikoparität und legen die taktische Komponente fest. Bei Aktien und Anleihen haben wir uns zeitweise nahe am Rand der erlaubten Ober- und Untergrenze bewegt. Bei den Rohstoffen haben wir die maximale Quote noch nicht ausgeschöpft, weil wir noch keine Inflation erlebt haben. Das Ganze ist also sehr flexibel. Wenn man weiß, in welche Richtung sich der Markt bewegt, kann man das Portfolio auch sehr schnell adjustieren.
Die Signale werden ja vermutlich auch nicht weniger, gerade den Aktien- und Anleihemärkten stehen unruhige Zeiten bevor. Wie sieht Ihre taktische Allokation im Moment aus?
Momentan befinden wir uns in einer Wachstumsphase, deswegen hatten wir im Januar eine Übergewichtung bei Aktien, waren neutral bei den Rohstoffen und untergewichtet bei den Staatsanleihen. Wenn wir nun in eine Inflation geraten, könnte ich mir vorstellen, dass wir Rohstoffe auf 50% des Risikos anheben und Anleihen auf 16% reduzieren, Aktien wären neutral. Falls die Inflation anhält, würden wir auch die Aktien konsequent auf Minimum halten.
Stichwort USA: Könnte von dieser Seite eine Inflation drohen?
Wenn Trump seine Infrastrukturmaßnahmen und sein Konjunkturprogramm wahrmacht, schon. Bei einigen Agrarrohstoffen sehen wir schon Engpässe in der Lieferkette, die Nachfrage steigt also. Aktuell sind die USA polarisiert wie schon lange nicht mehr. Es bleibt abzuwarten, was kommt.
Was spricht für die Assetklasse Rohstoffe?
Wir haben die Assetklassen ganz bewusst aufgrund von drei Eigenschaften ausgewählt: Risiko/Korrelation, die Fähigkeit, positive Risikoprämie zu erwirtschaften und Liquidität. Wir investieren beispielsweise nicht in Unternehmensanleihen, denn sie korrelieren zu stark mit Aktien, wir wollen keine Duplizierung des Risikos. Die Rolle der jeweiligen Anlageklasse ist es, innerhalb der jeweiligen Phase des Wirtschaftszyklus – Inflation, Rezession und Wachstum – ihren Teil zur Risikominimierung beizutragen. Rohstoffe haben den Vorteil, dass sie keinen Cashflow generieren und ein in sich geschlossenes Universum darstellen. In Zeiten steigender Nachfrage ist ihre Preisentwicklung außerdem nicht linear, sondern exponentiell, was uns Zeit zum Reagieren gibt.
Führt das dann auch dazu, dass Sie bei Staatsanleihen auf Volkswirtschaften zurückgreifen, die noch nicht unter dem Einfluss einer Niedrigzinspolitik stehen? Ihre größten Positionen sind Australien, Kanada und Großbritannien.
Anleihen aus Volkwirtschaften mit extrem niedrigen Zinsen sind nicht mehr in der Lage, als Rezessionspuffer zu dienen. Deswegen haben wir deutsche und japanische Staatsanleihen letztes Jahr temporär aus dem Portfolio entfernt. Diese frei werdende Allokation musste innerhalb des Exposures wieder umorganisiert werden, weswegen wir Australien und Kanada stärker gewichtet haben.
Ein Ende der Niedrigzinsphase ist – zumindest in Europa – noch nicht in Sicht. Wie wollen Sie hier weiter vorgehen?
Betrachten wir das Ganze mal so: Mit den sinkenden Zinsen hat sich auch die Volatilität von Staatsanleihen der Eurozone und den USA verringert. Unter einem strategischen Risk-Parity-Ansatz hätten wir also mehr und mehr von diesen Staatsanleihen kaufen müssen, was aber offensichtlich der Intuition widersprechen würde. Den Risikomaßstab mussten wir also erstmal anpassen. Heute haben Märkte mit längerer Duration – etwa die Eurozone – eine geringere Gewichtung im Portfolio als die kürzer Laufenden, da ihr Beitrag zum Gesamtrisiko höher ist. So trägt wiederum jeder der sechs Märkte, aus denen wir Staatsanleihen beziehen, gleich viel zum Gesamtexposure der Anlageklasse bei.
Wie finden Sie diese Märkte heraus?
Mit einem Risk Management Tool, das sicherstellt, dass die Qualität der Anleihen im Portfolio vom Markt als die höchstmögliche gesehen wird. Dafür schauen wir uns die Spreads der Credit Default Swaps von Volkswirtschaften an, die ein BIP von über 100 Mrd. US-Dollar produzieren. Zudem konzentrieren wir uns auf die Märkte mit der höchsten Liquidität. Im Moment sind das USA, Kanada, Australien, Japan, England und Deutschland. Der zweite Filter ist dann das Zinsniveau. Theoretisch könnten wir uns auch vorstellen, Japan und Deutschland komplett aus der strategischen Komponente zu entfernen. Dann müssen wir natürlich Alternativen zu diesen Save Haven Assets finden.