Das Wort "Niedrigzinsumfeld" kann man als Verantwortlicher einer Pensionseinrichtung eigentlich nicht mehr hören, dennoch hängt es als Bedrohung über uns, und wir müssen uns weiterhin damit auseinandersetzen. Als NSN Pension Trust haben wir schon früh versucht, Akzente zu setzen, um unsere Assets-Struktur dem neuen Umfeld anzupassen, und werden dies auch weiterhin tun. So haben wir uns bereits vor einiger Zeit von Staatsanleihen verabschiedet und unser Portfolio frühzeitig über Investitionen in alternative Assets diversifiziert.
Ist dies heute noch ausreichend? Um diese Frage zu beantworten, betrachten wir zunächst die Situation an den Märkten.
Wir haben sehr niedrige Renditen, die zum Teil sogar negativ sind. Die zweijährigen deutschen und in der Schweiz sogar die zehnjährigen Renditen sind weiterhin negativ. Oftmals wird das eingegangene Risiko nicht angemessen kompensiert. Aus "risk free return" ist nun in der Tat "return free risk" geworden. Auf der Währungsseite gibt es Entwicklungen, die die Theorie und jahrzehntelange Erfahrung auf den Kopf stellen (etwa fallender Dollar bei Annahme einer Zinsanhebung durch die Fed). Historische Korrelationsannahmen verändern sich und treffen nicht mehr ohne Weiteres zu.
Die Märkte sind zunehmend politisch getrieben, dies führt zu Verwerfungen, die fundamental nicht mehr zu erklären sind. Wir haben Volatilitäten von teilweise mehr als zwei Standardabweichungen in beide Richtungen an einem einzigen Tag gesehen. Da politische Brandherde weiterhin lodern, ist davon auszugehen, dass uns dies noch weiter begleiten wird. Generell kann man sagen, dass es schwieriger geworden ist, Prognosen zu erstellen, und dass die Prognosequalität gesunken ist. Investmentbanker und die Asset-Management-Industrie werden immer kreativer und überschwemmen die Märkte mit neuen Produkten. Die Liquiditätsschwemme führt zu einem Verfall der Renditen in quasi allen Anlageklassen. Dies allein wäre als Herausforderung noch annehmbar, aber im Pension Management stehen wir zusätzlich auch vor steigenden Verpflichtungen aufgrund der niedrigen Zinsen, die unsere DBO (Verpflichtungen) vielfach steigern.
Welche Reaktionen sind notwendig?
Bevor wir betrachten, wohin die Reise geht, werfen wir einen kurzen Blick zurück. Wie haben viele institutionelle Investoren in der Vergangenheit ihre Asset Allocation aufgestellt? Klassischerweise bildete die aktuelle Asset Allocation die Grundlage für die zukünftige Ausrichtung. Veränderungen wurden durch Investment-Guidelines, interne Richtlinien und Risikobudgets beschränkt. Oft flossen auch persönliche Zu- und Abneigungen der Anlageverantwortlichen mit ein und schränkten die Anlage zusätzlich ein. Anschließend wurde eine Asset-LiabilityManagement-Studie (ALM) durchgeführt, die in eine Asset-Allocation-Vorgabe mündete. Neben dem Rebalancing zur Erhaltung der festgelegten Asset Allocation fanden taktische Trades in der Regel nur selten statt.Dieses Vorgehen ist nun aus mehreren Gründen nicht mehr ausreichend. Zum einen sollten die persönlichen Neigungen der Anlageverantwortlichen nicht das Anlagespektrum zusätzlich einschränken. Bei den aktuellen Renditeniveaus verstärkt dies nur den ohnehin bestehenden Anlagenotstand. Zum anderen führt das Ergebnis der ALM-Studie nicht mehr automatisch zu den gewünschten Ergebnissen. Dabei sind die Hauptschwächen einer ALM-Studie neben den selbst gesetzten Annahmen vor allem die Implementierungsrisiken (etwa Timingrisiko oder Umsetzungsfehler), die Annahme einer Normalverteilung und das oft immer noch statische Vorgehen. Des Weiteren können die Ergebnisse am Markt oft nicht eins zu eins umgesetzt werden, da die passenden Assets (bezüglich der Duration oder Liquidität etc.) nicht oder nicht in ausreichender Zahl vorhanden sind. Entsprechend sollten die ALM-Ergebnisse lediglich eine Rahmenvorgabe darstellen und nicht stoisch umgesetzt werden.
Ziel: Dynamische Asset Allocation
Mit Blick nach vorne sollte die Asset Allocation dynamisiert werden. Neben der Strategischen Asset Allocation (SAA) darf die Möglichkeit einer Taktischen Asset Allocation (TAA) nicht nur theoretisch bestehen. Vielmehr sollte diese auch tatsächlich gelebt werden, um auf die neuen Marktgegebenheiten angemessen reagieren zu können. Zur Umsetzung kann in den bisherigen Prozess ein, wie wir es nennen, "Recent Market Overlay" eingebaut werden, indem die regelmäßige Marktanalyse und der eigene Outlook in Tradeempfehlungen münden. Demzufolge gelangt man von dem SAA- und TAA-Ansatz zu einer echten Dynamischen Asset Allocation (DAA).
Neben der Dynamisierung spielt die Flexibilisierung eine wichtige Rolle. Das heißt: Man sollte die gesamte Klaviatur der Investmentwelt in Betracht ziehen. Die Diversifikation über Regionen und Sektoren in traditionelle Assetklassen alleine ist aufgrund der vorhandenen Downward-Correlation nicht zielführend. Alternative Assets und Strategien werden immer mehr fester Bestandteil der Asset Allocation. Für viele der großen Investoren sind alternative Investments längst nicht mehr alternativ, sondern alternativlos. Gerne herangezogene Beispiele sind die Universitätsstiftungen von Yale und Harvard. Alternative Investments machen, nach der traditionell amerikanischen Definition, mittlerweile 76,2 Prozent beziehungsweise 57 Prozent aus, womit sehr stabile Renditen erwirtschaftet werden konnten.
Auf Marktgegebenheiten reagieren
Wahrscheinlich muss man noch weiter über den "klassischen" Tellerrand schauen und auch Investments in Timber und Farmland in die Überlegungen mit einbeziehen. Sie bieten ein ähnliches Cashflow-Profil wie Infrastruktur bei gleichzeitig höheren Renditechancen. Allerdings bedarf es einer speziellen Expertise bei der Analyse solcher Investments.
Von vielen Asset Managern werden derzeit neben den klassischen Debt-Instrumenten Anlagen in Private Debt, Infrastructure Debt und Real Estate Debt angeboten. Hier scheinen uns die Renditen jedoch in keiner Weise auskömmlich hinsichtlich der damit verbundenen Risiken. Wir bevorzugen Investments in Senior Secured Debt, da hier auch die Sicherheiten-Struktur stimmt. Klassische Immobilien dürfen natürlich auch nicht fehlen und gewährleisten einen stabilen Cashflow und Beständigkeit hinsichtlich der Bewertung des Gesamtportfolios.
Auf der Fixed-Income-Seite bieten sich vor allem Unconstrained-Fixed-Income-Strategien an. Hier wächst das Angebot aktuell, und es treten immer mehr Anbieter mit entsprechenden Strategien an den Markt, zu denen auch der FRANKFURT-TRUST gehört. Besonders interessant sind "echte" Unconstrained-Strategien, die komplett unabhängig von einer Benchmark agieren und nicht lediglich die Duration variieren. Es geht vielmehr um die Möglichkeit, das gesamte Fixed-Income-Universum - von Corporates über Derivate bis hin zu Structured Credit - abzudecken, um auf steigende Zinsen reagieren zu können.
Betrachtet man das Ganze im Gesamtportfolio-Kontext, so erkennt man einen deutlichen Wandel über die vergangenen Jahrzehnte (siehe Grafik). Dieser Wandel ist nicht nur der deutlich gewachsenen Angebotsseite geschuldet, sondern auch der Notwendigkeit, sich neuen Marktgegebenheiten anzupassen. Während es auf dem Renditeniveau der 80er-Jahre noch genügte, sein Portfolio mit einer simplen 60:40-Aufteilung zu fahren und innerhalb der Asset-Klassen zu diversifizieren, so war dieses Vorgehen bereits in den 90er-Jahren nicht mehr zielführend. Den Portfolien wurden neue Asset-Klassen und Regionen hinzugefügt. Ein aus heutiger Sicht gut aufgestelltes Portfolio muss deutlich granularer sein als noch vor einigen Jahren. Wir haben zur Illustration fiktive Beispielportfolien herangezogen, die selbstverständlich nicht alle institutionellen Investoren erfassen können. So haben selbst Anfang dieses Jahrzehnts viele Investoren mehr als 80 Prozent Anleihen und kaum nennenswerte Aktienquoten gehalten. Ebenso bedarf es selbstverständlich heute wie damals eines taktischen Overlays, um auf außerordentliche Gegebenheiten reagieren zu können. In Abhängigkeit von der Zielrendite - in unserem Fall rund viereinhalb Prozent, um "fully funded" zu sein - ist es notwendig, sich mehr oder weniger breit aufzustellen. Die Umsetzbarkeit ist zweifelsohne abhängig vom zur Verfügung stehenden Risikobudget, welches bei uns rund zehn Prozent beträgt und den Ansatz somit unterstützt.
Alles in allem denken wir, dass uns das herausfordernde Umfeld noch länger begleiten wird. Die geopolitischen Unruheherde sind weiter präsent, die Griechenland-Problematik nicht abschließend gelöst, die Wachstumsdynamik der globalen Wirtschaft anhaltend schwach, und die Unterstützung durch China und die Emerging Markets hat sich abgeschwächt. Die nächsten Aktionen der Zentralbanken werden die Märkte auch weiterhin in Atem halten. Dies sind nur einige der Punkte, warum Investoren sich flexibel aufstellen müssen. Die Identifizierung neuer Strategien und Manager wird zunehmend Zeit beanspruchen, weshalb der Manager-Due-Diligence und dem Risikomanagement eine wachsende Bedeutung zukommen wird.
Dr. Thomas Friese, Vorsitzender NSN Pension Trust e.V.
Amin Obeidi, Senior Asset Manager Pensions NSN Pension Trust e.V