20.09.2024 -
Die sich im ersten Halbjahr abzeichnende Konjunkturerholung in Europa und China ist bisher ausgeblieben. Im dritten Quartal enttäuschten die Konjunkturdaten in fast allen Regionen. Wachstumssorgen traten in den Vordergrund. Bei weiter rückläufiger Inflation sind nicht nur die Zinssenkungshoffnungen am Markt deutlich gestiegen und die Anleiherenditen gesunken, sondern alle wichtigen Notenbanken haben inzwischen ihre erste(n) Zinssenkung(en) vorgenommen. Zinssensitive und defensive Anlagen wie Gold, Anleihen sowie die Sektoren Immobilien, Versorger, Basiskonsumgüter, Telekommunikation und Gesundheit entwickelten sich positiv. Zyklische Sektoren sowie Öl- und Industriemetallpreise gaben nach. Die Aktienmärkte tendierten im dritten Quartal unter stärkeren Schwankungen seitwärts. Europäische Aktien und Nebenwerte schnitten dabei etwas besser ab.
Den ersten Zinssenkungen dürften weitere folgen. Die hohen Zinssenkungserwartungen des Marktes erscheinen aber nur im Falle einer deutlicheren Schwäche der US-Wirtschaft und des US-Arbeitsmarktes realistisch. In diesem Fall dürften Aktien wenig Potenzial haben. Bei einer sanften Landung, unserem Basisszenario, dürften die Zinssenkungen geringer ausfallen, die Anleiherenditen mittelfristig wieder etwas ansteigen und Aktien mehr Potenzial bieten. Dazu müssten aber die US-Konjunkturüberraschungen im vierten Quartal wieder positiv ausfallen. Dies erscheint angesichts der derzeit lockersten Finanzbedingungen seit mehr als zwei Jahren nicht unmöglich, insbesondere wenn die Unsicherheit über die US-Wahlen hinter uns liegt. Ein nachhaltiges Übersteigen der Allzeithochs bei Aktien wäre dann denkbar. Bis dahin dürfte sich jedoch der volatile Seitwärtsmarkt fortsetzen. Das knappe Rennen um die US-Präsidentschaft und den US-Kongress geht in die heiße Phase, eine frühe Klarheit ist unwahrscheinlich. Der Oktober ist ohnehin historisch der volatilste Monat für Aktien. Kurzfristig ist also nicht die Zeit für mutige Portfoliopositionen, zumal die zunehmende Marktbreite auch ein weniger fokussiertes Portfolio erfordert und unserer breiten Aufstellung zugutekommen sollte. Viele Anleger haben in den letzten paar Jahren Geld in kurzfristigen Zinsanlagen „geparkt“. So stiegen die Bestände der US-Geldmarktfonds seit Mitte 2023 um 900 Mrd. US-Dollar auf 6,3 Bill. US-Dollar. Diese Strategie war bisher nicht erfolgreich. Die 4,0 %, die Anleger mit Tagesgeld in Euro in den letzten zwölf Monaten erzielten (Tabelle S. 4), wurden von allen anderen Anlageklassen geschlagen, allen voran von Gold, das um fast 30 % zulegte. Und mit den Zinssenkungen wird die Wiederanlage nun immer unattraktiver. Die Anleger dürften sich mittelfristig wieder verstärkt anderen Anlagen zuwenden. Davon dürften alle Anlageklassen profitieren, insbesondere Anleihen mittlerer Laufzeiten, günstig bewertete Aktien (z.B. Europa, Schwellenländer, Nebenwerte) und Gold. Auch wenn die Bäume nicht in den Himmel wachsen, sind wir zuversichtlich, dass sich ein breites Multi-Asset-Portfolio trotz aller Unsicherheiten und Risiken deutlich besser entwickeln wird als kurzfristige Zinsanlagen.
Im Insights-Interview spricht Maria Ziolkowski, Portfoliomanagerin für Anleihen, darüber, was sie an Anleihen fasziniert, was das Berenberg-Anleiheteam auszeichnet und welche Anleihestrategien derzeit attraktiv sind.
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