10.05.2023 - Prof. Dr. Dr. h.c. Lars Feld, ehemaliges Mitglied und Vorsitzender im Rat der Wirtschaftsweisen und zurzeit unter anderem Direktor des Walter Eucken Instituts sowie ehrenamtlicher Berater des Bundesfinanzministers, bereichert jeden Monat den ACATIS Investmentbericht mit einem Kommentar zu einem aktuellen Thema aus der Wirtschaft (Bericht zur Lage der Wirtschaft):
Auf Wiedervorlage: Die steuerpolitische Diskussion in Deutschland
Seit dem Bundestagswahlkampf des Jahres 2013 haben SPD, Grüne und die Linke die Wiederbelebung der Vermögensteuer oder -abgabe sowie eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer auf dem Programm. CDU/CSU und FDP stellten sich in diesen zehn Jahren durchgehend ge- gen solche Steuererhöhungsvorschläge, die FDP möchte die Steuerbelastung sogar senken. Nun hat sich die CDU im Zuge ihrer Reformdiskussion zu neuen steuerpolitischen Reformvorhaben durchgerungen.
Schon einmal waren Steuern Thema in dieser Kolumne - nach den steuerpolitischen Vorschlägen des Sachverständigenrates für Wirtschaft. Gleichwohl ist es erforderlich, eine Einordnung dieses steuerpolitischen Vorstoßes vorzunehmen. Vorweg. Steuererhöhungen sind nicht notwendig, um die Finanzierung von Bund, Ländern und Gemeinden zur Konsolidierung der in den jüngsten Krisen erhöhten Staatsverschuldung zu gewährleisten. Die Staatsschuldenquote bleibt - trotz aller Sondervermögen - derzeit unter 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und wird weiter sinken, sofern es keine erneute Krise gibt Dies gilt für den Bund, aber erst recht für die Länder, die derzeit Finanzierungsüberschüsse haben und denen das Aufkommen aus einer wiederbelebten Vermögensteuer und aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer zusteht. Steuerreformen sind daher vor allem vor dem Hintergrund der Effizienz des Steuersystems, der damit verbundenen Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland und der Verteilungs- fragen einzuordnen.
Letztere stehen im Zentrum der Forderung nach vermögensabhängigen Steuern, weil die Vermögensverteilung in Deutschland ungleicher geworden ist. Vermögensteuern sind immer Substanzsteuer und brauchen daher eine besondere Rechtfertigung Ihre höhere Bedeutung in anderen OECD-Ländern ist vor allem auf die dortigen Grundsteuern zurückzuführen. Ansonsten existieren Vermögensteuern noch in der Schweiz und in den Niederlanden. In beiden Ländern bilden sie steuersystematisch den Ersatz für Kapitalgewinnsteuern Anstelle der Besteuerung von Wertsteigerungen bei Veräußerungen von Teilen des Portfolios an Kapitalanlagen erheben beide Länder eine Vermögensteuer, statt tatsächliche Erträge bei realisierten Gewinnen werden Sollerträge besteuert, denn jede Vermögensteuer lässt sich in eine Einkommensteuer mit einer fixen Kapitalrendite trans- formieren. In Deutschland belastet die Abgeltungssteuer die Kapitalgewinne bereits, sodass eine Vermögensteuer diese doppelt belasten würde. Dies führte zu erheblichen Verzerrungen und beeinträchtigte private Investitionen. Eine Vermögensteuer ist daher keine gute Idee.
Mit ähnlicher Intention wird die Erbschaftssteuer diskutiert. Die Verschonungsregeln für Betriebsvermögen, die in den jüngsten Reformen dieser Steuer eingeführt wurden, erlauben steuerfreie oder vergünstigte Übertragungen von Vermögen auf die Erben unter bestimmten Auflagen. Dies erscheint vielen ungerecht. Jedenfalls erhöhen diese Auflagen aber den Verwaltungsaufwand für diese Steuer bei den Unternehmen. Die CDU schlägt vor, die Verschonungsregeln abzuschaffen und stattdessen eine Flat Tax von 10 Prozent auf alle vererbten Vermögensarten zu erheben sowie diese mit großzügigen Freibeträgen und Stundungsregeln auszustatten Dieser Vorschlag ist interessant, denn er mindert die Befolgungskosten der Erbschaftssteuer erheblich und dürfte für den weitaus größten Teil der familiengeführten Unternehmen erträglich sein. Gleichwohl werden weitere Detailregelungen insbesondere bei der Stundung erforderlich sein, um allfällige Liquiditätsprobleme von Unternehmen zu vermeiden.
Zudem schlägt die CDU vor, den Solidaritätszuschlag in den Einkommensteuertarif zu integrieren und den so genannten Mittelstandsbauch bei der Einkommensteuer abzuflachen. Der Soli war ursprünglich als temporäre Ergänzungsabgabe konstruiert, hat aber bereits jetzt einen nahezu permanenten Charakter. Der Vorschlag zieht daraus die Konsequenz, ohne die Spitzenbelastung von Einkommen im Vergleich zu heute erhöhen zu wollen. Will man den Mittelstandsbauch ganz abflachen, wäre allerdings ein wesentlich höherer Spitzensteuersatz von über 50 Prozent erforderlich. Die Union müsste also spezifizieren, ob sie den Mittelstandsbauch ganz oder teilweise abflachen will und wie die Gegenfinanzierung auf der Ausgaben- oder Einnahmenseite aussieht Schließlich: Das Aufkommen aus dem Soli steht dem Bund zu, dasjenige der Einkommensteuer wird zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geteilt. Angesichts der aktuellen Schieflage in der Verteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund und Länder spricht nichts dafür, ihnen noch mehr vom Steuerkuchen zu überlassen. Die Länder müssten sich daher bereit erklären, Umsatzsteuerpunkte an den Bund zurückzugeben. Solchen Verhandlungen darf man mit Sorge entgegensehen.