09.11.2022 -
Kurzes Vorwort: Den meisten Lesern des CSR-Kommentars dürfte die aktuelle Situation rund um den Globus wie eine unvorstellbare Lebenssituation vorkommen, da wir „echte“ Krisen eigentlich nur aus den Erzählungen unserer Eltern und Großeltern kannten. An dieser Stelle soll, als Einstimmung auf die folgenden Betrachtungen, auf das Buch „Kollaps“ von Jared Diamond verwiesen werden. In diesem Buch beschreibt der Autor ...
Fünf wesentliche Gründe an, warum Hochkulturen an Macht verloren haben:
- Selbstverursachte Umweltschäden
- Klimaveränderungen
- Feindliche Nachbarn
- Wegfall von Handelspartnern
- Eine falsche Reaktion der Gesellschaft auf Veränderung.
Betrachten wir nun in Folge eine kurze Liste von Ist-Zuständen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, und ähnlich, wie Sie es von den heutigen Speiskarten kennen, ordnen wir diese den o.g. kritischen Faktoren zu.
Die Lage der Umwelt:
Die Summe aus Umweltproblemen, politischen Zwängen und dem wirtschaftlichen Umfeld bilden ein toxisches Gemisch.
- Waldbrände im Amazonas1.
- Tropenstürme nehmen in der Intensität und Häufigkeit zu1., 2.
- Hurrikan „Ian“ verwüstet große Teile Floridas
- Abholzung zu Gunsten Landgewinnung und extensiver -nutzung
- längere und heißere Trockenperioden
- Flüsse erreichen teilweise nicht mehr die Weltmeere; die Meere werden wärmer und saurer; Meeresströmungen verändern sich
- der CO2-Gehalt in der Luft nimmt noch zu stark zu; der sogenannte „Earth Overshoot Day“ ist erschreckend früh im Jahr: nämlich 28.07.2022 bzw. schon am 04.05.2022 (bezogen auf Deutschland).
Politisches Umfeld
- Russland führt einen Krieg, mit dem die Grenze zwischen West und Ost verschoben werden soll. 3., 4., 5.
- Sanktionen werden verhängt, die auf verschiedenen Ebenen Wirkungen in beide Richtungen zeigen. 1., 3., 4., 5.
- Eine konservative britische Regierung senkt nach dem BREXIT nun Steuern z.L. einer Neuverschuldung – der Markt bestraft sofort. Liz Truss ist die Regierungschefin mit der kürzesten Amtszeit. 4., 5.
- Null-Covid Politik ohne Ausnahme in China 4., 5.
- Brüssel will Staaten zu gemeinsamen Gaseinkauf zwingen. 4., 5.
- China zeigt sich kampfbereit in Sachen Taiwan und Hongkong. 1., 4., 5.
- USA beschließt Sanktionen von Halbleiterlieferung gegen China. 4., 5.
- In Frankreich blockieren Streiks das halbe Land. 4., 5.
Wirtschaftliches Umfeld/Wegfall von Handelspartnern
- Sanktionen führen zur Auslagerung von Produktionen in Länder mit geringeren Umweltstandards. 1., 4., 5.
- Die OPEC nutzt die Krise aus, um den Ölpreis durch Produktionsdrosselung auf hohem Niveau zu halten – Zunahme von Fracking. 1., 4., 5.
- Staatsverschuldungen auf Nachkriegshoch 1., 4., 5
- Die seltenen Erden sind in der Hand von nicht gerade befreundeten Ländern und das wird Folgen haben. 1., 4., 5.
- Die globalen Lieferketten sind durchtrennt.4., 5.
- Angebotsseitiger Schock führt die Inflation auf ein Nachkriegshoch.4., 5.
- Negativer Realzins so hoch wie noch nie nach 1945 1., 4., 5.
- Zentralbanken sind gefangen zwischen Inflation und Rezession.1., 4., 5.
- Bank of England kauft Staatsanleihen, FED/EZB haben volle Bücher. 4., 5.
- Die Schweizer Nationalbank hat ein „Depot“, das mehr als 135 % des Schweizer BSP ausmacht. 4., 5.
- Verteilung der Inflationskette bleibt offenes Thema. 1., 4., 5.
- Die Konsumenten ändern bereits ihr Verhalten. 1., 4., 5.
- Die Überalterung der Gesellschaft wirkt auf den Arbeitsmarkt. 4., 5.
Fazit:
Es ist nicht das Ziel dieses Kommentars, den Kopf in den Sand zu stecken, sondern vielmehr, darauf aufmerksam zu machen, dass die Aufgaben, die vor der internationalen Politik und Wirtschaft stehen, sich nicht so einfach lösen lassen.
Die Interessen der Unternehmer können immer wieder konträr zu politischen oder ökologischen Interessen sein, über die in Washington, Brüssel, Moskau oder gar in Peking entschieden werden. Corona und der Ukraine-Krieg haben dabei so manches altbekannte Problem zwar zum Teil noch verstärkt, aber der eigentliche Punkt ist, dass „der Kaiser nun blank vor uns steht“. „Es brennt nicht nur im Amazonasgebiet“ sondern an zu vielen anderen Stellen in der Wirtschaft und der Politik.
Im Stil der altbekannten „Disclaimer“ der Banken und Vermögensverwalter möchten wir daher folgende Aussage treffen: Die nächsten 14 Jahre werden auf jeden Fall ganz anders verlaufen, als die letzten 14 Jahre verliefen. Es wird die Aufgabe von vielen Entscheidungsträgern sein, das Schiff in diesen extremen Zeiten durch die Stürme zu bringen. Kurs halten, statt in den falschen Momenten ein Wendemanöver durchzuführen, wird dabei eine Hauptaufgabe sein.
Solange man einen Vermögensgegenstand nicht verkauft, wird man keine Verluste machen, sondern hat lediglich Bewertungseffekte.
Quellen/Zitate: Jared Diamond: Kollaps, Verlag: FISCHER Taschenbuch; https://www.snb.ch/de/mmr/reference/pre_20220729/source/pre_20220729.de.pdf; F.A.S. v. 23.10.2022: „Gefahr der Überforderung“ von G. Braunberger