30.09.2022 -
Fast jede Zentralbank hat im September ihre Leitzinsen deutlich angehoben. Der globale Kampf gegen die Inflation ist in vollem Gange. Aber kann er auch gewonnen werden? Zumindest ist er die Mindestvoraussetzung, um einen Rückgang der Inflationsraten auszulösen. Wir sehen bereits jetzt, dass Kredite – insbesondere für Immobilien – deutlich teurer geworden sind. Die Konsequenz ist sicherlich eine Eindämmung der privatwirtschaftlichen Nachfrage.
Aber Zentralbankpolitik kann nicht alles. Die Energiepreise hängen beispielsweise am globalen Angebot, den Embargos und Lieferstopps oder aber auch am Wetter. Und die staatlichen Hilfsprogramme zur Abfederung von Härten bewirken sicherlich genau das Gegenteil dessen, was die Zentralbankpolitik anstrebt, und fördern den ungebremsten Energieverbrauch und die Nachfrage seitens der Verbraucher. Auch konnten die Regierungen zumindest in den vergangenen Monaten noch ihre Zusatzausgaben preiswert refinanzieren. Dieses Szenario neigt sich jedoch langsam dem Ende zu.
Den Knall gab es in England. Als Reaktion auf zusätzliche Ausgaben und großzügige Steuererleichterungen durch die Truss-Regierung sank der Wert des britischen Pfunds deutlich und die Renditen 10-jähriger englischer Staatsanleihen stiegen innerhalb von 3 Tagen um 100 Basispunkte auf 4,5 %. Daraufhin sah sich die Bank of England genötigt, die geplante Bilanzverkürzung zu verschieben und sogar wieder Anleihenkäufe zu tätigen. Die Renditen sanken am Folgetag wieder um 50 Basispunkte. Renditen 30-jähriger Staatsanleihen bewegten sich noch wilder; hier folgte auf einen Anstieg um 150 Basispunkte ein Rutsch um 100 Basispunkte – und das an nur einem Tag! Es bleibt abzuwarten, ob die Bank of England der Regierung helfen wird, ihre Verschuldungspolitik weiterzuführen oder ob sie auf Konfrontationskurs gehen wird.
Auf jeden Fall hat dies gezeigt, dass die Schuldentragfähigkeit wieder stärker in den Gedanken der Investoren verankert ist. Dies führte dazu, dass die teilweise stark inversen Zinskurven gegen Ende September wieder revidiert wurden und insbesondere Renditen langlaufender Staatsanleihen deutlich angezogen haben.
Wir glauben, dass die Entwicklung der Inflation in den USA und die Zentralbankpolitik der Fed für die weitere globale Entwicklung der Wirtschaft und der Kapitalmärkte entscheidend sein werden. Gelingt es der Fed tatsächlich, bis zum Jahresende Zinserhöhungen um weitere 125 Basispunkten zu verkünden und einen Erfolg im Kampf gegen die Inflation zu verzeichnen, dann wäre eine sanfte Landung wohl vollbracht. Ist die Fed aber gezwungen, die Zinsen 2023 weiter zu erhöhen oder aber ihren Erhöhungszyklus vorzeitig abzubrechen, weil die globalen Finanzmärkte die aktuelle Zinspolitik nicht verkraften, dann stehen weitere unruhige Zeiten bevor.
Trotz allem haben die Renditen an den globalen Anleihenmärkten wieder interessantere Niveaus für Investoren erreicht. Man hat wieder eine Wahl am Anleihenmarkt. Eine Entwicklung wie 2022 mit Kursverlusten um durchschnittlich 20 % wird sich 2023 nicht wiederholen.