19.08.2022 - Nach vier Gewinnwochen in Folge gaben internationale Aktien diese Woche leicht nach. Die US-Zehnjahresrendite stieg um zehn Basispunkte auf 2,95%; das Barrel Rohöl der Sorte West Texas Intermediate verbilligte sich von 92,00 US-Dollar auf 88,50 US-Dollar. Gemessen am CBOE Volatility Index stieg die Volatilität von 19,2 auf 20,7.
KONJUNKTUR
Höhere Zinsen schwächen US-Immobilienmarkt weiter
Ein wichtiger US-Immobilienmarktindikator fiel im August ins Minus. Der National Association of Homebuilders Market Index ging von 55 im Juli auf 49 zurück, nachdem er Anfang 2022 noch bei 84 gestanden hatte. Die höheren Hypothekenzinsen haben die Nachfrage nach Neu- und Bestandsimmobilien gedämpft, und die Baubeginne fielen nach 9,6% Minus z.Vm. auf den niedrigsten Wert seit Anfang 2021. Die Verkäufe von Bestandsimmobilien gingen im Juli um 5,9% zurück, der sechste negative Monat in Folge. Auch der Median-Verkaufspreis ist im Juli gesunken, von 413.800 US-Dollar im Vormonat auf 403.800 US-Dollar. Fitch Ratings schloss diese Woche einen massiven Einbruch des US-Wohnimmobilienmarktes nicht aus, hielt ihn aber auch nicht für wahrscheinlich.
Biden unterzeichnet abgespecktes Klima- und Steuerpaket
US-Präsident Joe Biden hat diese Woche den sogenannten Inflation Reduction Act unterzeichnet. Das Gesetzespaket enthält Teile seiner sehr viel ehrgeizigeren Build-Back-Better-Initiative, etwa höhere Ausgaben für den Klimaschutz. Außerdem sollen Versicherungsprämien im Rahmen des Affordable Care Act („Obamacare“) um weitere zwei Jahre subventioniert werden, und Medicare soll die Preise ausgewählter verschreibungspflichtiger Medikamente aushandeln dürfen. Für Unternehmen mit mindestens einer Milliarde US-Dollar Gewinn wird eine 15-prozentige Mindeststeuer gelten, für Aktienrückkäufe eine einprozentige Sondersteuer. Außerdem soll die Steuerverwaltung in den nächsten zehn Jahren weitere 80 Milliarden US-Dollar bekommen, um fällige Steuern besser eintreiben zu können.
China senkt wegen des schwachen Wachstums die Zinsen
Am Montag hat die People’s Bank of China den Zins für die mittelfristige Kreditfazilität überraschend auf 2,75% gesenkt. Sie reagierte damit auf den massiven Einbruch der Wohnimmobilienverkäufe. Auch Industrieproduktion, Einzelhandelsumsätze und Investitionen waren im Juli überraschend schwach. Vermutlich wird die chinesische Notenbank in der kommenden Woche auch ihren wichtigsten Leitzins senken, den Benchmarkzins für Unternehmenskredite. Corona hemmt Chinas Wirtschaft noch immer: Diese Woche stieg die Inzidenz auf den höchsten Wert seit drei Monaten.
Hohe Inflation dämpft britisches Konsumklima
Die Anzeichen für eine bevorstehende Rezession und der stärkste Anstieg der Lebenshaltungskosten seit 40 Jahren ließen das britische Konsumklima im August auf ein Rekordtief von ‑44 fallen. Trotz eines zweitägigen Sonderverkaufs eines wichtigen Onlinehändlers blieben die Einzelhandelsumsätze schwach; korrigiert um den Sondereffekt wären sie im Juli den dritten Monat in Folge gefallen. Nach einer Bloomberg-Umfrage unter britischen Volkswirten beträgt die Rezessionswahrscheinlichkeit in den nächsten zwölf Monaten 75%, nach 44% in der Umfrage zuvor. Die schlechte Stimmung hat viel damit zu tun, dass die Inflation erstmals seit 1982 auf 10,1% z.Vj. gestiegen ist. Erfreulich war allerdings der Arbeitsmarktbericht. Die Arbeitslosenquote blieb mit 3,8% unverändert, doch leiden die Reallöhne noch immer unter der hohen Teuerung.
Fed-Protokoll ohne klare Richtung
Das Protokoll der Offenmarktausschuss-Sitzung im Juli brachte Investoren wenig Klarheit darüber, wie stark und wie lange die Leitzinsen noch erhöht werden. Auch gab es keinen Hinweis auf ein mögliches Ende der straffen Geldpolitik. Die aktuellen Zinserhöhungen seien angemessen, hieß es, und die Geldpolitik müsse noch straffer werden. Zu lesen war aber auch, dass man die Zinsen sicher irgendwann langsam anheben werde und dass zu starke Zinserhöhungen befürchtet würden. Jetzt warten alle gespannt auf Jerome Powells Rede auf der Jackson-Hole-Konferenz am kommenden Freitag.
KURZ GEFASST
Im Juli stiegen die deutschen Produzentenpreise um rekordhohe 37,2% z.Vj., vor allem wegen der teureren Energie. Weil eine Energiekrise im Winter nicht ausgeschlossen kann, wird Deutschland die Laufzeit der drei verbleibenden Kernkraftwerke verlängern, schreibt das Wall Street Journal.
Meist ist Erdgas im Sommer saisonbedingt billig, doch diesmal werden sowohl in den USA als auch in Europa Rekordpreise verlangt. Mit dem nahenden Winter droht deshalb eine Stagflation.
Im Juli lag die japanische Verbraucherpreisinflation mit 2,6% z.Vj. den vierten Monat in Folge über dem 2%-Ziel der Notenbank. Der Kernindex – ohne frische Lebensmittel und Energie – ist zwar nur um mäßige 1,2% gestiegen, hat seit Jahresbeginn aber ebenfalls um mehr als 2% zugelegt.
Chinas Xi Jinping und Russlands Wladimir Putin werden am G-20-Gipfel in Indonesien im November voraussichtlich teilnehmen, teilte Indonesiens Präsident Joko Widodo diese Woche mit.
Nach einer Umfrage von PwC plant etwa die Hälfte der US-Unternehmen Entlassungen und 52% verzichten auf Neueinstellungen.
Entgegen dem internationalen Trend hat die türkische Notenbank ihren Leitzins diese Woche von 14% auf 13% gesenkt – und das trotz etwa 80% Inflation. Unterdessen haben Norwegen und Australien ihre Leitzinsen um jeweils einen halben Prozentpunkt angehoben.
Die kanadische Verbraucherpreisinflation verringerte sich von 8,1% z.Vj. im Juni auf 7,6% im Juli. Die Kernrate stieg allerdings auf 5,5%. Damit steht die Bank of Canada unter Druck, ihre Geldpolitik noch weiter zu straffen.
Die amerikanische Industrieproduktion ist im Juli um 0,6% gestiegen, der erste Anstieg seit drei Monaten. Grund war eine höhere Automobilproduktion wegen der nachlassenden Lieferprobleme.