08.07.2022 - Im Mai haben die USA eine neue Initiative zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit in der Indo-Pazifik-Region ins Leben gerufen. Mit dem enormen Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung in der Region muss der indopazifische Raum eine zentrale Bedeutung in einer zukunftsorientierten Außenpolitik einnehmen. Mit dem Indo- Pacific Economic Framework (IPEF) genannten Rahmenabkommen, dem auch Japan, Australien, Indien, Indonesien, Südkorea, Malaysia, Neuseeland, die Philippinen, Singapur, Brunei, Thailand und Vietnam angehören, wollen die USA einen Gegenpol zum wachsenden Einfluss Chinas in der Region schaffen. Eine der wichtigsten strategischen Aufgaben der kommenden Jahrzehnte wird zweifellos darin bestehen, Chinas Einfluss in seinem Hinterhof auszugleichen.
Obwohl es sich nicht um ein Freihandelsabkommen handelt und keine Zollsenkungen vorgesehen sind, zeigte sich US-Präsident Biden überzeugt, dass das IPEF „konkrete Vorteile" für die Region bringe. Man wolle „gemeinsam daran arbeiten, eine Wirtschaftsordnung zu schaffen, die in den kommenden Jahren nachhaltiges Wachstum, Frieden und Wohlstand in der Region Indo- Pazifik sicherstellt", sagte Japans Regierungschef Fumio Kishida. Ob die Wirtschaftlichkeit beim IPEF eine nachgeordnete Rolle hinter der Sicherheit spielen wird, wird sich im Laufe der Zeit herausstellen, aber Sicherheitsinteressen waren bei der Bestimmung der Grundlagen des IPEF von entscheidender Bedeutung.
Mit dem IPEF will Japans Schutzmacht USA gemeinsam mit den asiatischen Partnerstaaten neue Herausforderungen wie die Gewährleistung sicherer Lieferketten ohne die Beteiligung Chinas angehen. Und auch bei Standards für den digitalen Handel, erneuerbare Energien und in der Korruptionsbekämpfung will man enger zusammenarbeiten. Die Abhängigkeiten von strategischen Industrien Chinas sollen verringert werden. Schließlich sind fast alle Gründungsmitglieder der Allianz in den vergangenen Jahren auf die eine oder andere Weise zur Zielscheibe der neuen außen- und wirtschaftspolitischen Aggressivität der kommunistischen Partei Chinas geworden.
Einzelheiten der neuen Allianz sind allerdings noch unklar. Es gibt auch Zweifel, ob IPEF eine glaubwürdige Alternative zu großen regionalen Freihandelsabkommen werden kann, von denen die USA abgewichen sind - während sich China an ihnen beteiligen will. So trat im Januar mit dem Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) der größte Handelsblock der Welt in Kraft. Ihm gehören unter anderem Japan und Südkorea, aber auch China an. Daneben existiert das Freihandelsabkommen Transpazifische Partnerschaft (TPP). Seit dem Rückzug der USA aus dem Abkommen unter Joe Bidens Vorgänger, Donald Trump, führen die verbliebenen elf Mitglieder das Abkommen als CPTPP weiter. Auch China will dem Abkommen nun beitreten. Gleichzeitig hofft die Regierung in Tokio, dass die USA doch noch zum TPP-Abkommen zurückkehren. Für Japan, den wichtigsten militärischen Verbündeten der Amerikaner, ist es jedoch schon eine Erleichterung, dass die USA nicht nur Schlüsselindustrien daheim ansiedeln wollen, sondern offen für multilaterale Zusammenarbeit sind. Gleichzeitig zeigt Japan, was Mittelmächte tun können, um sich gegenüber möglicher Willkür der Großmächte etwas abzusichern und Regeln zu retten. Das Land verstärkt seine Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten wie Deutschland, der EU insgesamt und Australien. Südkoreas neue Regierung will dies nun auch versuchen.
In der Krise der Globalisierung bietet sich damit auch für europäische Länder eine Chance, technologisch starke asiatische Partner für das neue Zeitalter zu gewinnen.
Diese Chancen zu ergreifen, ist ein strategischer Imperativ, denn auch europäische Partnerschaften müssen diversifiziert und ihre Lieferketten robuster und weniger anfällig für die negativen Auswirkungen des Klimawandels, geopolitischer Entwicklungen und anderer globaler Krisen gemacht werden. Aus wirtschaftlicher Sicht sollten dringend Schritte unternommen werden, um die Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen Europa und Südostasien zu vertiefen.
Das ultimative Ziel ist die Sicherung eines EU-Asean- Freihandelsabkommens, das eines der bedeutendsten Freihandelsabkommen der Weltgeschichte wäre. Immerhin gibt es eine Ankündigung, dass die Gespräche zwischen den beiden Blöcken nach 13 Jahren wieder aufgenommen werden sollen.
Auch wenn dies ermutigend ist, sollte die EU jedoch kurzfristig und sogar mittelfristig neben diesen Verhandlungen den bilateralen Gesprächen mit einzelnen Asean-Mitgliedern sowie anderen Partnern in der Region einen neuen Impuls geben. Nicht zuletzt wegen der konkreten und fast unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteile für die EU ist der bilaterale Handel der direktere Weg, um diese Partnerschaften zu festigen.
Zu den interessanten bilateralen Partnern gehört beispielsweise Indonesien. Das Land ist mit der größten Bevölkerung und Wirtschaft in der Region ein „schlafender Riese“ mit enormem wirtschaftlichem Potenzial. Die Philippinen sind ein weiteres perfektes Beispiel für eine schnell wachsende, potenzielle Wirtschaftsmacht mit einer jungen Bevölkerung von mehr als 110 Millionen Menschen.
Aus Sicht der EU müssen die Bemühungen, Abkommen mit derartigen Ländern zu erreichen, intensiviert werden. Die Erfolge der bestehenden Handelsabkommen in der Region, wie die mit Singapur und Vietnam, werden sowohl dem Westen als auch dem Osten erhebliche wirtschaftliche Vorteile bringen und die parallel laufenden diplomatischen Bemühungen unterstützen. Nicht zuletzt werden die Asean-Länder beim Engagement für Menschenrechtsfragen in der Region eine entscheidende Rolle spielen. Im Fall von Myanmar sind die Asean- Länder bei den diplomatischen Bemühungen federführend, um einen Ausweg aus der Krise im Land zu finden.
Während sich die Weltwirtschaft weiterentwickelt und die Schwellenländer weiterhin immer schneller expandieren, können Europa und Deutschland es sich nicht leisten, sich in der nach gewissen Maßstäben wirtschaftlich am schnellsten wachsenden Region der Welt zu wenig zu engagieren. Neben dem diplomatischen Vorgehen müssen eine ganze Reihe wirtschaftlicher Maßnahmen ergriffen werden, um die Bemühungen zu unterstützen, die Relevanz Europas nicht nur im indopazifischen Raum, sondern weltweit aufrechtzuerhalten. Es besteht einfach keine andere praktikable Möglichkeit, um Chinas immer größer werdenden wirtschaftlichen und politischen Einfluss zu kontrollieren.
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