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Marktkommentar

Dr. Holger Schmieding (Berenberg): Sanktionen gegen Putin aus wirtschaftlicher Sicht

© Berenberg

24.02.2022 -

Wirtschaftliche Sanktionen können weder Putins völkerrechtswidrigen Angriffskrieg unmittelbar stoppen noch immer brutalere Attacken auf ukrainische Städte verhindern. Aber sie können die Fähigkeit Russlands einschränken, einen langen Krieg durchzuhalten und/oder anschließend einen neuen Krieg zu führen. Sie können dazu beitragen, die Welt sicherer zu machen.

Sanktionen müssen wirksam und durchsetzbar sein. Sie müssen gezielt eingesetzt und so gestaltet werden, dass der freie Westen sie durchhalten kann. Ob Sanktionen deshalb bis zu einem vollständigen Embargo aller Energie-  und Rohstofflieferungen aus Russland gehen sollten, lässt sich aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht abschließend beurteilen. Dies kann nur politisch abgewogen und beantwortet werden. Volkswirte können jedoch zur Debatte beitragen, indem sie Handlungsspielräume aufzeigen und Optionen vergleichen und bewerten. Persönlich neige ich dazu, den Nutzen harter Sanktionen, die Russlands Kriegsfähigkeit erheblich mindern, hoch zu bewerten im Vergleich zu den kurzfristigen wirtschaftlichen Kosten solcher Sanktionen für den freien Westen. Anpassungsfähige Marktwirtschaften können sich vergleichsweise schnell auf neue Gegebenheiten einstellen und so die langfristigen Kosten minimieren.  

Drei Grundsätze  

Aus volkswirtschaftlichen Argumenten lassen sich drei Grundsätze für die Sanktionspolitik ableiten.  

Erstens sollten möglichst viele Länder gemeinsam und einheitlich gegen Russland vorgehen. Ein solches Kartell der freien Welt erhöht die Durchsetzungskraft und erschwert es Russland, Sanktionen auszuweichen. Nationale Alleingänge sind nahezu sinnlos, auch für mittelgroße Länder wie Deutschland (4,7 % des Bruttoinlandsproduktes der Welt). Dagegen steht die EU für immerhin 19 % der Wirtschaftskraft der Welt. Gemeinsam mit den USA, Japan, Großbritannien, Kanada, Australien und der Schweiz wären es bereits 58 %.  

Zweitens sollten die wesentlichen Entscheidungen bald gefällt werden. Sollte es beispielsweise politisch sogar auf die vermutlich für Europa kostspieligste Sanktion hinauslaufen, nämlich auf einen Stopp aller Energieeinfuhren aus Russland einschließlich Erdgas, sollte dies möglichst umgehend beschlossen werden. Dann würde die Sanktion Russland maximal treffen. Vor allem aber könnte so die Suche nach Alternativen sofort in vollem Umfang beginnen. Nach Aussagen vieler Experten könnte ein vollständiger Verzicht auf russisches Erdgas im kommenden Winter zu Energieengpässen für Teile der europäischen Industrie führen. Volkswirte können dies vorab nicht eindeutig beurteilen. Allerdings zeichnen Marktwirtschaften sich durch eine hohe Anpassungsfähigkeit aus. Je mehr Zeit sie hätten, sich auf einen solchen Ernstfall einzustellen, desto besser.  

Drittens muss sich die Diskussion nicht auf zwei Extremoptionen beschränken, also auf das völlige Verbot bestimmter Transaktionen einerseits und einen ansonsten sanktionsfreien Handels- und Zahlungsverkehr andererseits. Sofern politisch kein umfassender Stopp jeglichen Austausches mit Russland gewollt ist, kommen auch Zwischenstufen in Betracht, in denen Russland ein hoher Preis für weiterhin erlaubte Transaktionen auferlegt wird.  

Ein konkreter Vorschlag  

Mit dem Einfrieren großer Teile der russischen Devisenreserven und dem Ausschluss wichtiger russischer Banken vom SWIFT-Kommunikationssystem für den Zahlungsverkehr hat die freie Welt bereits ein scharfes Schwert gezogen. Gerade das Ansetzen beim Zahlungsverkehr verspricht Erfolg, auch deshalb, weil Finanzinstitute aus Gründen ihrer Reputation und nach teils sehr hohen Strafen für das Umgehen von US-Sanktionen gegen den Iran in der Vergangenheit sehr darauf bedacht sein dürften, gar nicht erst in den Verdacht zu geraten, solche Sanktionen nicht voll umzusetzen.  

Deshalb bietet sich folgende Sanktion an:

  • Auf alle (noch) nicht untersagten Zahlungen der freien Welt an und nach Russland wird eine Gebühr von 25 % fällig zugunsten eines Fonds für den Wiederaufbau einer freien Ukraine. Für bereits vereinbarte Zahlungen (langfristige Lieferverträge für Erdgas etc.) muss der Zahler nachweisen, dass er diese Gebühr vom vereinbarten Betrag abgezogen hat. Eingezogen wird der Betrag von einem ausführenden Finanzinstitut.  

Russland mag in einer ersten Reaktion mit einem Lieferstopp drohen. Es hat aber beim weitgehend pipeline-gebundenen Erdgas vorerst keine alternativen Abnehmer und ist auch beim teils über Pipelines wie Druschba transportierten Erdöl nicht voll flexibel. Nach kurzer Zeit müsste Russland einknicken oder auf die ihm verbleibenden 75 % der sonst möglichen Einnahmen verzichten. Eine solche russische Reaktion könnte Europa mit geringen Kosten abwarten. Während der Frühlingsmonate braucht Europa Russland (noch) nicht unbedingt, um die Speicher für den kommenden Winter wieder etwas zu befüllen.  

Bei leicht transportierbaren Rohstoffen hat Russland zwar alternative Abnehmer, aber wohl nur zu einem Abschlag und zu höheren Logistikkosten. Zudem müsste Russland in vielen Fällen seinen anderen Käufern (Indien, China?) Preisabschläge bieten. Solange die Gebühr für mögliche Lieferungen an die freie Welt nicht prohibitiv hoch ist, hätte Russland deshalb wenig zu gewinnen durch ein Umlenken seiner (noch) erlaubten Ausfuhren in die freie Welt. Und wenn Russland trotzdem die Öl- und Kohleausfuhr in die freie Welt einstellen und stattdessen nur noch andere Abnehmer beliefern würde, würden damit am Weltmarkt Kapazitäten für Europa und andere Teile der freien Welt frei. Auch bei einer solchen Handelsumlenkung blieben die Kosten weitgehend an Russland hängen.  

Als Zusatzstufe ließe sich die Sanktion nach US-Vorbild exterritorial ausdehnen: Finanzinstitute außerhalb der freien Welt, die nicht diese Gebühr für Zahlungen an und nach Russland erheben oder sonst Russland beim Umgehen der Sanktion helfen, unterliegen hohen Strafen und verlieren den Zugang zum westlichen Markt. Selbst China und seine größeren Finanzinstitute würden es sich vermutlich dreimal überlegen, ob sie beim Sanktionsbruch erwischt werden möchten.  

Allgemeine Grundsätze einer Sanktionspolitik

Von seltenen Ausnahmen abgesehen treffen Handelshemmnisse immer beide Seiten. Um die möglichen Verluste ins Verhältnis zu setze, spielt die relative Größe der beteiligten Volkswirtschaften eine große Rolle. Im Jahr 2021 lieferte die Europäische Union Waren im Wert von € 89,3 Mrd. nach Russland. Das entspricht lediglich 0,6 % der Wirtschaftsleistung der EU-27. Gleichzeitig bezog sie Güter im Wert € 159 Mrd. (entsprechend 1,1 % der Wirtschaftsleistung der EU-27) aus Russland. Da das Bruttoinlandsprodukt der EU27 etwa zehnmal so hoch ist wie das Russlands, macht dieser Betrag also etwa 11 % der russischen Wirtschaftsleistung im Jahr vor dem Krieg aus. So gesehen ist Russland weit stärker auf den gegenseitigen Handel angewiesen als die EU. Die EU sitzt eindeutig am längeren Hebel. Ein weitgehender Stopp russischer Einfuhren aus der EU würde Russland wesentlich härter treffen als die große und reiche EU.  

Natürlich ist der reine Einfuhrwert kein Hinweis auf die kurzfristig denkbaren volkswirtschaftlichen Kosten eines Embargos oder Lieferstopps. Schließlich werden Rohstoffe und Vorprodukte eingesetzt, um weitere Güter herzustellen, Dienstleistungen anzubieten, Mobilität zu sichern und Wohnungen und Büros zu heizen. Die möglichen Gesamtschäden beim Ausfall eines nicht mehr aus Russland bezogenen Produktes können umso mehr ins Gewicht fallen, je schwerer es zu ersetzen ist. Relativ zum reinen Einfuhrwert können die Kosten umso höher ausfallen,  

  •     je größer der Weltmarktanteil Russlands ist,
  •     je weniger es durch andere Güter zu ersetzen ist,
  •     je weniger andere Anbieter ihr Angebot als Reaktion auf höhere Preise ausweiten können,
  •     je mehr es als Vorprodukt für Güter oder Dienstleistungen mit hoher Wertschöpfung gebraucht wird,
  •     je mehr es an feste Vertriebskanäle wie Pipelines gebunden ist und
  •     je mehr sich andere Abnehmer bereits die Ausfuhren nicht-russischer Anbieter durch langfristige Verträge gesichert haben.

 

Kohle ist ein Beispiel für ein relativ homogenes Produkt mit großem Weltmarkt, das anders als Erdöl (teilweise) oder Erdgas (überwiegend) keine feste Vertriebsform wie eine Pipeline braucht. Ein Ende russischer Kohleexporte in die EU würde über kurzfristige Umstellungskosten hinaus wohl keine großen Schäden anrichten. Russland könnte seine Kohle andernorts verkaufen, während die EU sich auf dem Weltmarkt bei den Lieferanten eindecken könnte, von denen Russlands neue Abnehmer sonst ihre Kohle bezogen hätten. Insgesamt fielen dabei für Russland und die EU etwas höhere Transport- und Logistikkosten an. Allerdings könnte es sein, dass Russlands Nicht-EU-Kunden die russische Kohle auch aus Reputationsgründen nur mit einem für Russland spürbaren Preisabschlag kaufen würden.  

Bei dem überwiegend an Pipelines gebundenen Erdgas würde dagegen ein Ausfall russischer Lieferungen an die EU die auf dem Weltmarkt verfügbare Menge insgesamt erheblich einschränken. Über hohe Preise hinaus könnte Erdgas in der EU physisch knapp werden, bis die Wirtschaft der EU sich angepasst hat.  

Abgesehen von Produkten wie Erdgas, die überwiegend an nur langsam veränderbare Vertriebswege gebunden sind, dürfte jedoch ein Ausfall von Lieferungen aus Russland (und der Ukraine) nicht zu großen und dauerhaften physischen Engpässen in der EU führen. Stattdessen könnte bei hohen Preisen die vergleichsweise reiche EU sich die zu diesen Preisen nachgefragte Menge sichern. Ärmere Abnehmer, die sich die hohen Preise nicht leisten können, würden dagegen leer ausgehen.  

Eine sich abzeichnende Knappheit beispielsweise an Dünge- und Nahrungsmitteln wird – leider – die Menschen in vielen Entwicklungs- und Schwellenländer wesentlich härter treffen als die EU. Gezielte Hilfen für solche Länder gehören zu den großen Aufgaben der Politik in diesem Jahr.

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