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Marktkommentar

Dr. Georg von Wallwitz (Eyb & Wallwitz): Havensteins Optionen

© Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH
September 2021

Rudolf Havenstein war ein treuer Diener seines Staates, ein echter Preuße. Seit 1900 hatte er das Amt des Präsidenten der Königlichen Seehandlung inne, der Vorläuferin der Reichsbank, als deren Präsident er dann von 1908 bis zum Ende der Großen Inflation im November 1923 diente. Er war derart pflichtbewusst, dass er sich weigerte, im und nach dem Ersten Weltkrieg Lebensmittel auf dem Schwarzmarkt zu kaufen, obwohl die offiziellen Rationen nur für Hungerkünstler auskömmlich waren. Und er blieb auf seinem Posten bis zum letzten Atemzug: Sein Todestag fällt zusammen mit dem Ende der Mark und der Einführung der Rentenmark im November 1923, die das Ende der Inflation bedeutete.

Die Reichsbank hatte damals eine Reihe von Sünden begangen. Sie ließ es zu, dass die Geldmenge dramatisch ausgeweitet wurde, sie versorgte den Staat beinahe unbegrenzt mit frischem Geld und sie vergab Kredite direkt und ohne Sicherheiten an die Industrie. Aber Havenstein sündigte stets mit schlechtem Gewissen und fast immer fühlte er sich zum Handeln regelrecht gezwungen.

Sollte der staatstragende Beamte der jungen Weimarer Republik das Geld verweigern, das sie benötigte, um den sozialen Frieden zu sichern? Sollte er in einem extrem verschuldeten Staat die Zinsen anheben und dadurch die Inflation stoppen, aber die Regierung in die Zahlungsunfähigkeit treiben? Er wollte das Chaos nicht heraufbeschwören, das ein Staatsbankrott unweigerlich nach sich gezogen hätte.

Die Gesamtsituation, mit der die Reichsbank zurecht unzufrieden war, bezeichnen wir heute als „Fiscal Dominance“. Diese tritt ein, wenn die Zentralbank ihre geldpolitischen Ziele den finanziellen Bedürfnissen des Staates unterordnen muss – wenn sie also etwa die Zinsen trotz steigender Inflationsraten nicht anheben kann, weil der Staatshaushalt sich die höheren Zinskosten nicht leisten kann. Wenn die Zentralbank hingegen die Freiheit hat, ohne externe Restriktionen zu handeln, spricht man von einem Regime der „Monetären Dominanz“.

Und das bringt uns in die Gegenwart: Die Inflationsraten steigen, die Zentralbankzinssätze bleiben nicht nur niedrig und die Anleihekaufprogramme laufen auch unbegrenzt weiter. Das wird damit begründet, der Inflationsschub sei nur temporär, eher ein Buckel als eine schiefe Ebene. Es stellt sich die Frage, ob die amerikanische und die europäische Zentralbank überhaupt eine andere Wahl haben als so zu handeln. Kann Jerome Powell verkünden, auch er sei besorgt über die aktuellen Preissteigerungen und halte baldige Zinserhöhungen für möglich? Täte er dies, so kämen die Anleihemärkte ins Rutschen. Die amerikanischen Anleger würden sofort höhere Zinsen verlangen als jene spärlichen 1,3% für zehnjährige Staatsanleihen, mit denen sie sich heute zufriedengeben. Kann Christine Lagarde eine Zinserhöhung in Aussicht stellen, die für die Staatshaushalte vieler Mitgliedsländer der Eurozone nicht verkraftbar wäre? Der Euro würde wahrscheinlich wieder ins Gerede kommen.

Damit haben die Notenbanken einen guten Teil ihrer Unabhängigkeit verloren. Nicht offiziell, durch den Gesetzgeber, aber faktisch, aufgrund der Entwicklung der Staatsverschuldung. Nun sind die Unterschiede zu den frühen Jahren der Weimarer Republik so gewaltig, dass man keine Parallelen, sondern allenfalls Lehren ziehen kann. Fiskalische Dominanz allein führt noch nicht automatisch in die Inflation, sie ist aber ein echtes Warnzeichen, denn die Unabhängigkeit der Notenbanken ist eines der effizientesten Mittel zur Erreichung der Preisstabilität. Ich habe aber keinen Zweifel daran, dass die Notenbanken ein höheres Zinsniveau lieber früher als später sähen. Seit einem Jahr beobachten wir immer wieder andere Inflationstreiber. Erst war es das Klopapier – das war noch zu verkraften. Zu Anfang dieses Jahres stiegen dann die Preise für Bauholz außerordentlich stark an (und haben sich seither wieder beruhigt). Als nächstes wurden Halbleiter knapp, der heute wichtigste Industrierohstoff. Seit einem Jahr steigt auch der Preis für Rohöl (der zweitwichtigste Rohstoff) unaufhörlich – was nicht verwundert, denn es wird schon seit Jahren nicht mehr viel Geld in neue Projekte zur Gewinnung fossiler Brennstoffe gesteckt. Wie temporär ist aber ein Inflationsschub, wenn er von immer neuen Treibern angefacht wird?

Spannend wird die Entwicklung am Arbeitsmarkt. In den USA haben die Unternehmen gegenwärtig so viele Stellen ausgeschrieben wie seit der Jahrtausendwende nicht mehr. Auch in Deutschland gab es im August 24% mehr offene Stellen als noch zu Anfang des Sommers. Höhere Löhne scheinen kaum noch vermeidbar, mit allen Konsequenzen für ein Anziehen der Inflationsrate. Es ist zwar noch nicht abzuschätzen, wie stark dieser Anstieg ausfallen wird, aber er ist jedenfalls von der Notenbank kaum zu kontrollieren.

Was bedeutet das für die Anleger?

Erstens sollte man die Rolle der Zentralbanken weder über- noch unterschätzen. Sie sind sehr wichtig für den Erhalt der Geldwertstabilität und der Liquidität der Finanzmärkte. Sie sind oftmals der einzige Akteur, der im Krisenfall schnell intervenieren kann. Langfristigen Trends stehen sie aber ebenso machtlos gegenüber wie die Regierungen. So sind die sinkenden Zinsen, die seit den 1990er-Jahren zu beobachten sind, weniger ein Erfolg der Zentralbanken als vielmehr das Ergebnis der Globalisierung und der demografischen Entwicklung. Aber man muss nicht in Alarmismus verfallen, um besorgt zu sein über den Handlungsspielraum der Europäischen Zentralbank.

Zweitens ist es sehr wahrscheinlich, dass die Zinsen noch länger niedrig bleiben als der Markt es sich derzeit vorstellt. In den USA geht man davon aus, dass die Fed im nächsten Sommer mit dem nächsten Zinsanhebungszyklus beginnen wird. Es ist aber auch dort noch ein weiter Weg, bis die Zentralbank wirklich frei ist in ihren Entscheidungen.

Drittens ist es wahrscheinlich, dass die Preisentwicklung nicht so bald wieder auf das Niveau vor der Corona-Krise zurückkehrt. Inflationsraten über 2% werden die Regel. Das ist gut für Unternehmen, die ihre Preise auch nach oben anpassen können (z.B. für Handelsunternehmen).



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