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Marktkommentar

Dr. Volker Schmidt (ETHENEA): Inflation vor einem Comeback?

© Ethenea Independent Investors S.A.

02.02.2021 - Immer wieder warnen die Medien davor, dass die Inflation kurz vor einem Comeback steht. So werden auch aktuell nochmal dunkle Erinnerungen an die Hyperinflation der 1920er Jahre geweckt. Aber ist die Angst vor einer Inflation generell oder gar in diesem Ausmaß wirklich berechtigt?

Wenn wir uns die Stimmung am Markt anschauen, so scheint dieser zumindest einen Anstieg der Inflation zu antizipieren. Die marktbasierten Inflationserwartungen in Form von fünfjährigen Forward-Inflationsswaps (also die durchschnittliche Inflationserwartung über 5 Jahre, beginnend in 5 Jahren) und zehnjährigen „Break-Even“-Inflationsraten haben kürzlich ein Zweijahreshoch erreicht.

Tatsächlich hätte ein starker Anstieg der Inflationsrate dramatische Folgen. Bereits jetzt notieren US-Staatsanleihen und rund ein Drittel der auf US-Dollar lautenden Investment-Grade-Anleihen nach Abzug der Inflation im Negativbereich. Ein großer Teil der Unternehmen wird also für die Aufnahme von Schulden bezahlt. Gleichzeitig erhöht sich für Anleger dadurch aber auch das Risiko. Wenn die Inflation anzieht, würden langfristig auch die Renditen wieder steigen. Für Besitzer von Anleihen wäre das fatal, denn gerade bei den niedrigverzinslichen Titeln wäre dann mit drastischen Kursverlusten zu rechnen. Dem versuchen die Zentralbanken mit ihrer lockeren Geldpolitik derzeit noch entgegenzuwirken, doch es werden bereits erste Stimme laut, welche die Effektivität der Maßnahmen in Frage stellen.

Sondereffekte könnten kurzfristig für Inflationsdruck sorgen

Kurzfristig scheint tatsächlich einiges für einen Anstieg der Verbraucherpreise zu sprechen. Schuld daran sind vor allem eine Reihe technischer Effekte. Der Ölpreis hat im März und April des vergangenen Jahres noch nie dagewesene Tiefstände erreicht. Davon hat er sich mittlerweile wieder erholt. Da die Inflationsrate aber als prozentuale Veränderung des Preisniveaus gegenüber dem Vorjahreszeitraum berechnet wird, wird dieser „Basiseffekt“ rein rechnerisch für spürbaren Inflationsdruck sorgen. Selbst wenn man den Ölpreis aus der Inflation herausrechnet und sich nur auf die Kerninflation beschränkt, könnte er aufgrund steigender Produzentenpreise über Umwege den Verbraucher erreichen.

Außerdem wurden Mitte letzten Jahres in vielen Ländern die Mehrwertsteuersätze zur Ankurbelung des Konsums gesenkt, auch in Deutschland. Die niedrigeren Steuersätze scheinen zumindest in Teilen an die Endverbraucher weitergegeben worden zu sein. Während dadurch der Preisauftrieb gedämpft wurde, sollten mit der Rückkehr zu den alten Regelsätzen zum Jahresbeginn die Verbraucherpreise nun wieder Auftrieb bekommen.

Seit Anfang dieses Jahres wird zudem im Rahmen der CO2-Steuer für Hersteller und Anbieter von Waren und Dienstleistungen eine Abgabe von 25 Euro je Tonne ausgestoßenem Kohlendioxid fällig, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht. Werden diese zusätzlichen Kosten auf die Käufer umgelegt, würden klimaschädliche Waren und Dienstleistungen teurer werden und die Inflation steigen. Schließlich könnte sich die schrittweise Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns von 9,35 Euro auf 9,50 Euro und im Juli dieses Jahres auf 9,60 Euro kurzfristig positiv auf die Entwicklung der Inflation auswirken.

Anzeichen für eine Spekulationsblase verschärfen sich

Darüber hinaus soll eine expansive Fiskal- und Geldpolitik die Inflation zusätzlich anschieben. Die US-Notenbank hat die Leitzinsen auf null gesenkt und ihre Anleihenkäufe im vergangenen Jahr massiv ausgeweitet, indem sie jeden Monat US-Staatsanleihen für 80 Milliarden Dollar und mit Hypotheken gedeckte strukturierte Anleihen für 40 Milliarden Dollar kauft. Alleine in den USA ist die Geldmenge im Zeitraum von März bis November 2020 um 25 Prozent gestiegen.

Hinzu kommen fiskalpolitische Stimuli in einem noch nie dagewesenen Ausmaß. Der US-Kongress hatte bereits zum Jahreswechsel ein neues Corona-Hilfspaket in Höhe von 900 Milliarden Dollar verabschiedet, und US-Präsident Joe Biden will ein weiteres Hilfspaket im Umfang von 1.900 Milliarden auflegen. Unter anderem sollen die direkten Finanzhilfen an Millionen US-Bürger von bislang 600 Dollar auf 2.000 Dollar aufgestockt werden.

Massive Staatsausgaben, unterstützt von einer massiven Liquiditätsausweitung durch die Zentralbanken – und trotzdem will die Inflation bisher nicht so recht anziehen. Grund dafür ist eine der ältesten Theorien der Wirtschaftswissenschaften. Diese besagt nämlich, dass die Inflation nicht nur eine Funktion der Geldmenge, sondern auch der Umlaufgeschwindigkeit ist – also wie häufig eine Währung verwendet wird, um Waren und Dienstleistungen zu kaufen. Steigt die Geldmenge, während die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes konstant bleibt oder sogar sinkt, dann sparen oder investieren die Menschen ihr Einkommen, anstatt es auszugeben. Dies führt dann anstatt zu dem gewünschten Anstieg der Verbraucherpreise zu einem Anstieg der Vermögenswerte, wie wir es derzeit sehen – Aktien, Anleihen und Immobilien haben trotz der immer noch hohen Unsicherheit im Markt zuletzt neue Höchststände erreicht.

Die Suche nach renditestarken Anlagemöglichkeiten hat mittlerweile ungeahnte Ausmaße angenommen und spiegelt sich sowohl in der gestiegenen Risikobereitschaft der Anleger – Bitcoin, Tesla und GameStop haben in diesem Jahr allesamt eine fulminante Rallye hingelegt – als auch im zunehmenden Erfindungsreichtum der Wall Street wider. So gab es im abgelaufenen Jahr einen wahren Boom von sogenannten Special-Purpose Acquisition Companies, kurz Spacs. Dahinter verbergen sich leere Firmenhüllen, die mit dem Ziel an die Börse gebracht werden, später ein Unternehmen zu kaufen. In Zeiten aufgeheizter Märkte sparen die Unternehmen so viel Zeit für Marketingveranstaltungen und Roadshows traditioneller Börsengänge und können von attraktiven Marktbedingungen profitieren. Doch gerade für Privatanleger bergen Spacs hohe Risiken, denn der Erfolg steht und fällt mit den Selektionsfähigkeiten des Spac-Managementteams. Diese geben ihr Übernahmeziel im Voraus freilich nicht bekannt. Laut einer Studie des Wall Street Journals sank der Wert von Spacs nach dem Zusammenschluss mit der neuen Firma im Schnitt um 12 Prozent.

Strukturelle Trends bleiben intakt

Unterm Strich ist die Inflation also trotz der erheblichen Ausweitung der Geldmenge und der Warnungen vieler Ökonomen vor steigenden Verbraucherpreisen im Jahr 2020 nicht gestiegen, sondern sogar zurückgegangen. Grund dafür sind neben der zuvor erwähnten, nach wie vor geringen Umlaufgeschwindigkeit des Geldes eine Reihe struktureller Trends, die sich seit einigen Jahren herausgebildet haben und auch in naher Zukunft deflationären Druck ausüben werden.

Neben der fehlenden Bereitschaft oder Möglichkeit von Konsumenten, Geld auszugeben, sind eine Reihe von strukturellen Faktoren der Grund für die derzeit niedrigen Inflationsraten. Der wirtschaftliche Zusammenbruch im Zusammenhang mit der Coronapandemie hat zu einem kurzfristigen weitgehenden Stillstand der Wirtschaft geführt. Gleichzeitig hat das die verkrusteten Strukturen aufgebrochen und zumindest zum Teil zu einem Strukturwandel geführt. Die Digitalisierung wurde vorangetrieben, und mehr Menschen als je zuvor können flexibel von zu Hause aus arbeiten. Das macht teure Großstädte relativ unattraktiv und führt zu einer Verlangsamung des Mietpreisanstiegs. Weil die Mieten einen erheblichen Teil des Verbraucherpreisindex ausmachen und es fraglich ist, ob und in welchem Umfang sie wieder ihr altes Wachstumsniveau erreichen werden, gehen wir von keinem signifikanten Anstieg der Inflation aus, solange sich das Mietpreiswachstum nicht erholt hat.

Zusätzlich beeinflusst der demografische Wandel seit Jahrzehnten die Entwicklung der Inflation. Als Paradebeispiel gilt Japan, das seit Jahren mit sinkenden Geburtenraten und einer alternden Gesellschaft zu kämpfen hat. Dadurch reduziert sich der Anteil von Personen im erwerbsfähigen Alter im Vergleich zu jenen im Ruhestand. Das Problem: Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ist entscheidend für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts. Geht dieser Teil der Bevölkerung zurück, schrumpft das Bruttoinlandsprodukt und die Gesamtnachfrage geht zurück. Damit die Unternehmen ihre Absatzzahlen halten können, senken sie die Kosten und kürzen die Löhne, was wiederum deflationär wirkt.

Was bedeutet das für die Anleger?

Der Inflationsdruck könnte in den kommenden Monaten also deutlich steigen. Einen kurzfristigen Anstieg der Verbraucherpreise um die drei Prozent halten wir zumindest in den USA für durchaus realistisch. Noch ist das Konsumverhalten der Verbraucher verhalten, doch wenn die Coronapandemie im Laufe dieses Jahres überwunden sein sollte, könnte es aufgrund von Nachholeffekten zu einem nachfrageseitigen Preisschub kommen. Insbesondere die Preise im Transport- und Tourismussektor liegen noch deutlich unter den Niveaus der Vorjahre. Hinzukommen die bereits genannten technischen Effekte rund um den Ölpreis. In Europa hingegen erwarten wir einen deutlich moderateren Anstieg. Insbesondere die Aufwertung des Euros gegenüber dem Dollar wird den Import von niedrigpreisigen Gütern begünstigen und die Inflation im Euroraum dämpfen.

Derzeit besteht also kein Grund zur Panik. Zum einen ist aufgrund der angekündigten Strategie der Federal Reserve der flexiblen Steuerung des Inflationsniveaus (Flexible Average Inflation Targeting) ein kurzfristiges Überschießen der Inflation ausdrücklich gewollt und eine Zinserhöhung bis 2023 faktisch ausgeschlossen. Darüber hinaus kaufen die Zentralbanken weiterhin in großem Umfang Staatsanleihen, was das allgemeine Zinsniveau unabhängig von den Inflationserwartungen in den kommenden Jahren niedrig halten wird. Und schließlich erholt sich die Wirtschaft nur langsam von der Coronavirus-induzierten Krise, bleiben wichtige deflationäre Kräfte wie die Digitalisierung und eine alternde Gesellschaft weiterhin bestehen und werden sich in den kommenden Jahren voraussichtlich noch verstärken.


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