11.01.2021 -
Die Pandemie hat den Umgang der Unternehmen mit ihren Stakeholdern in den Mittelpunkt gerückt. Drei Anlageexpertinnen erörtern, welche Auswirkungen dies auf nachhaltiges Investieren hat und was es für die Zukunft bedeutet.
Beim nachhaltigen Investieren geht es nicht nur um den Finanzerfolg eines Unternehmens, sondern auch darum, wie der Erfolg erzielt wird. Ganz wesentlich für den Ansatz ist, der Berücksichtigung aller Stakeholder größte Aufmerksamkeit zu schenken.
Zu diesen Stakeholdern gehören Mitarbeiter, Aktionäre und die breitere Gesellschaft. Die Pandemie hat ein Schlaglicht darauf geworfen, wie Unternehmen ihre Mitarbeiter behandeln, ihre Kunden schützen und ihre Zulieferer durch eine Zeit der Krise führen.
Mit der Zulassung von Impfstoffen sollten die Auswirkungen der Pandemie – hoffentlich – bald ausklingen. Wir befragen drei nachhaltig agierende Anlegerinnen, wie die Pandemie das Thema nachhaltiges Investieren verändert hat und wie sie die langfristigen Auswirkungen einschätzen.
Hat die Pandemie verändert, wie Sie als Anlegerin mit Unternehmen sprechen?
Nicholette MacDonald-Brown, Leiterin European Blend (NMB): „Als nachhaltige Investoren berücksichtigen wir bei unserer Zusammenarbeit mit Unternehmen seit Langem die Frage, wie sie ihre Stakeholder behandeln. Während der Finanzkrise 2008 verliefen die Gespräche jedoch noch ganz anders als heute. Damals ging es vor allem um Gewinnmargen und Bilanzen. Im Gegensatz dazu werden diese Dinge heute in Verbindung mit dem Umgang mit Mitarbeitern und Lieferanten besprochen.“
Katherine Davidson, Portfoliomanagerin, globale und internationale Aktien (KD): „Der Dialog zwischen Investoren und Unternehmen hat sich verändert. ESG-Anliegen (Umwelt, Soziales, Governance) wurden früher hauptsächlich im Hinblick auf das „E“ (Environment) diskutiert, aber in diesem Jahr wurde sehr deutlich, dass der soziale Aspekt mindestens ebenso wichtig ist. Dieses weitläufige Thema wird auch in den Medien und in der Gesellschaft besprochen. Wie Unternehmen ihr Personal behandeln, ihre Lieferketten organisieren und ihre Kunden schützen, ist also nicht nur für die Anleger von Interesse.“
Wird dieser Fokus auf Nachhaltigkeit von Dauer sein?
NMB: „Der Fokus wird Bestand haben, aber ganz ehrlich gesagt, hängt dies vor allem von der Anlageperformance ab. Der relative Erfolg nachhaltiger Fonds in diesem Jahr ist sehr wichtig, da dies ihre erste große Bewährungsprobe war. Daran wird ersichtlich, dass Nachhaltigkeit kein „Luxus“ ist, den sich Anleger nur in guten Zeiten leisten können. Auch in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten ist dieses Thema von entscheidender Bedeutung. Betrachtet man nur die europäischen Benchmarks, so verbuchte der MSCI Europe ESG Leaders Index seit Jahresbeginn eine Rendite von -1,9 % gegenüber -5,6 % im breiten MSCI Europe Index (Quelle: Morningstar, Stand 30. November 2020). Daraus schlussfolgere ich, dass das Thema Nachhaltigkeit aktuell bleiben wird.“
Saida Eggerstedt, Head of Sustainable Credit (SE): „Der Druck auf Unternehmen, gute Verfahren unter Beweis zu stellen, hat meines Erachtens zugenommen. Den Anlegern steht nämlich eine große Auswahl zur Verfügung. Die Konjunkturprobleme dieses Jahres veranlassten zahlreiche Unternehmen, sich neue Mittel durch die Ausgabe von Schuldtiteln oder Aktien zu beschaffen. Anleger können daher wählerisch sein. An dieser Stelle sollte man auch nicht die Rolle übersehen, die Regierungen und Aufsichtsbehörden spielen: Viele Unternehmen haben staatliche Unterstützung beantragt, entweder Kredite oder Kurzarbeiterprogramme. In Bezug auf soziales und umweltbewusstes Verhalten erwarten Regierungen hohe Standards von den Unternehmen, wenn sie von ihnen staatliche Hilfe erhalten wollen, was über die gegenwärtige Krise hinausgehen wird.“
KD: „Wir nennen das einen neuen Sozialvertrag, wodurch sich der Platz des Unternehmens in seiner Gemeinschaft und in der Gesellschaft als Ganzes verändert. Das ist für Kunden ebenso wichtig. Die diesjährige Schroders Global Investor Study hat gezeigt, wie die Menschen von Unternehmen erwarten, dass sie Maßnahmen priorisieren, die sich auf die Umwelt und die Gesellschaft insgesamt auswirken.“
Wie haben Unternehmen auf Fragen zur Nachhaltigkeit reagiert?
SE: „Der starke Markteinbruch zu Beginn der Pandemie bot Anlegern, wie wir es sind, gewissermaßen eine gute Gelegenheit, sich mit Unternehmen darüber auszutauschen, wie sie auf die Lage reagieren werden. In Krisenzeiten ist es einfach und effektiver auf Best Practice oder erhöhte Transparenz zu drängen, als in Zeiten, in denen alles gut zu laufen scheint.“
KD: „Einer der positiven Aspekte der Krise ist, dass wir uns mit Unternehmen befassen konnten, die dem Geschäftsmodell der Nachhaltigkeit bislang nichts abgewinnen konnten. In diesem Jahr haben die Kapitalmärkte jedoch Unternehmen belohnt, die sich mit Nachhaltigkeitsthemen befassen. Wir konnten ferner beobachten, wie die Kunden mit ihren Füßen abstimmen und die Wahrnehmung der Marke zurückgeht, wenn ein Unternehmen in der Krise als „schlechter Akteur“ angesehen wird. Führungskräften fällt so etwas auf.“
NMB: „Als Anlegerin in Europa habe ich das Glück, dass viele Unternehmen, mit denen ich spreche, bereits über das Thema Nachhaltigkeit nachdenken. Sie horchen zugleich stets auf, wenn ich sage, dass Zweifel an einem Nachhaltigkeitsthema ein Unternehmen weniger investierbar machen, genauso wie der Zweifel an ihren Gewinnmargen. Ebenfalls interessant ist es festzustellen, dass Unternehmen zu uns kommen und uns um Rat zu Best Practices und Nachhaltigkeit bitten. Die Erkenntnis, dass Unternehmen neben Finanzzielen auch Nachhaltigkeitsziele verfolgen sollten, setzt sich zunehmend durch.“
Glauben Sie, dass Kunden vermehrt nach nachhaltigen Investitionen suchen werden?
KD: „Die Pandemie gab vielen Menschen einen Denkanstoß, ihre Werte und ihre Prioritäten, zu überdenken. Dieser Aspekt wird sich maßgeblich beim Investieren auswirken. Unsere jüngste Global Investor Study ergab beispielsweise, dass 77 % der Privatanleger nicht in etwas investieren, wenn dies gegen ihre persönlichen Überzeugungen verstößt.“
NMB: „Oft ist es ein Irrglaube, dass es nur ein kleines Publikum für nachhaltige Produkte gäbe oder dass lediglich junge Menschen an Nachhaltigkeit interessiert seien. Das war vielleicht früher einmal so, trifft heute aber nicht mehr zu. Versicherungsgesellschaften, die zu den traditionelleren Anlegern zählen, legen ebenfalls Wert auf Nachhaltigkeit und treiben die Debatte voran. Von entscheidender Bedeutung in diese Hinsicht sind die zunehmenden Hinweise, dass man seine Anlageziele erreichen kann, ohne Abstriche bei den Überzeugungen machen zu müssen.“
Wo sehen Sie nach Covid-19 nachhaltige Anlagechancen?
NMB: „Sicherlich gibt es viele Renditechancen. Wir könnten uns die Unternehmen ansehen, die zurückgelassen wurden, weil jeder Gedanke an ihre langfristigen Aussichten durch das Virus und die Beschränkungen verdrängt wurde. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist diese Krise genau der Zeitpunkt, an dem Unternehmen ihre Investoren brauchen. Deshalb sollten wir weiterhin hohe Anforderungen in Sachen Nachhaltigkeitsziele stellen.“
SE: „Außerdem ermutigt es beobachten zu können, dass die Regierungen Impulse für die Erholung von der Krise geben. Viele Länder legen mittlerweile grüne Anleihen und Sozialanleihen auf. Dabei handelt es sich um ein langfristiges Engagement, um Umweltprobleme zu lösen, Beschäftigungswachstum zu fördern und die Widerstandsfähigkeit im Falle einer ähnlichen künftigen Krise zu verbessern.“
KD: „Als aktive Anleger, denke ich, haben wir hier eine echte Chance, zu entscheiden, in welche Unternehmen wir investieren. Damit können wir den Druck aufrechterhalten und gewährleisten, dass Nachhaltigkeit im Zuge der Erholung weiterhin ganz oben auf der Tagesordnung steht.“
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