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Marktkommentar

Prof. Dr. Jan Viebig (Oddo BHF): Inflation und Verschuldung

© Oddo BHF Asset Management

04.12.2020 - Der massive wirtschaftliche Einbruch infolge von Pandemie und Lockdown wurde von einem deutlichen Rückgang der Inflation und einem starken Anstieg der Staatsverschuldung begleitet.

Die Inflationsrate in den USA liegt derzeit bei 1,2% gegen Vorjahr, für den Euroraum weist die Statistik in den letzten Monaten leichte Rückgänge des Preisniveaus aus. Im November lag die Inflationsrate im Euroraum vorläufigen Angaben zufolge bei -0,3%, in Deutschland kommt das Destatis auf den gleichen Wert. Diese Zahlen schüren zunächst keine Inflationsängste – eher im Gegenteil. Dennoch glauben wir, dass Inflation und Inflationsrisiken – ebenso wie die explodierenden Staatsschulden – im neuen Jahr zu einem wichtigen Thema für die Kapitalmärkte werden könnten.

Warum? Zunächst einmal gehen wir davon aus, dass die Inflationsraten bis zum nächsten Sommer wieder etwas „normaler“ aussehen werden. Dafür verantwortlich sind zunächst sog. Basiseffekte, denn die Entlastungswirkungen der niedrigeren Energiepreise sowie diverser Preisabschläge in einigen von der Corona-Krise besonders betroffenen Branchen fallen nach und nach aus dem Vorjahresvergleich weg. In Deutschland und der EWU kommt das Ende der Mehrwertsteuerreduzierung hinzu. Insgesamt dürfte die Inflation in den USA in der zweiten Jahreshälfte 2021 wieder in der Nähe von 2%, in der EWU oberhalb von 1% liegen.

Die Zahlen erzählen aber nur einen kleinen Teil der Geschichte. Wichtiger ist vielleicht, dass sich das wirtschaftliche Umfeld im Jahresverlauf deutlich aufhellen sollte. Die derzeitige Krise ist nicht durch wirtschaftliche Fehlentwicklungen, sondern eine Pandemie verursacht. Dafür charakteristisch ist eine rasche Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Aktivitäten, sobald die belastenden Faktoren wegfallen. Dieser Effekt ließ sich im dritten Quartal beobachten und gilt verstärkt, wenn in den kommenden Monaten Impfstoffe immer breiter verfügbar sein werden – die Briten beispielsweise haben dem BioNTech/Pfizer-Impfstoff gerade die Zulassung erteilt - und die Verbraucher ihre unterdrückten Konsumwünsche wieder unbesorgter ausleben können. Spätestens dann dürften die Anleger sich zu fragen beginnen, ob die fortgesetzte Unterstützung durch die Geld- und Finanzpolitik inflationstreibend wirken könnte.

Alarmierend ist aus Sicht vieler Beobachter die hohe Geldschöpfung der Notenbanken. In den USA ist die Bilanzsumme der Notenbank um gut 3 Billionen US$ (74%) angeschwollen, die Reserveguthaben der Banken um 1,4 Bio. US$ (87%). Im Euroraum ergibt sich ein ähnliches Bild: Infolge der Anleihekäufe und der langfristigen Refinanzierungsgeschäfte stieg die Bilanzsumme der EZB um mehr als 2,2 Bio. € (47%), die Guthaben der Banken bei der Notenbank nahmen um 1,6 Bio. € oder 86% zu. Gleichzeitig hat sich das Geldmengenwachstum (Bestände in Händen von Haushalten und Unternehmen) kräftig beschleunigt. Folgt man der quantitätstheoretischen Überlegung, wonach der Wert des Geldes sinkt, wenn die Menge des Geldes im Verhältnis zur Menge der umgeschlagenen Güter steigt, lauert hier ein gewaltiges Inflationspotenzial.

Diese eingängige Inflationserklärung lässt sich bis zu Jean Bodin, einem französischen Staatstheoretiker  des 16. Jahrhunderts, zurückverfolgen. Der Ansatz wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Irving Fisher präzisiert und entwickelte sich mit den Arbeiten von Milton Friedman (und Anna Schwarz) in den 60er und 70er Jahren als Neo-Quantitätstheorie („Monetarismus“) zum damals dominierenden Leitbild für die Geldpolitik.  

Empirisch allerdings hat sich der Zusammenhang zwischen der Geldschöpfung der Notenbanken, Geldmengenentwicklung und Inflation als unzuverlässig erwiesen. Richtig ist vermutlich, dass Inflation ohne Mitwirkung der Notenbank nicht möglich ist; richtig ist aber auch, dass der Weg zwischen Notenbankbilanz auf der einen und den Preisentscheidungen der Unternehmen auf der anderen Seite lang und komplex ist. Ob ein reichlich geschnittener „monetärer Mantel“ für Preissteigerungen ausgenutzt wird, hängt eben auch davon ab, ob die Nachfrage nach Gütern wirklich stärker wird und wie sich ein zusätzliches Güterangebot in den Kosten und dann eventuell den Verbraucherpreisen niederschlägt.  

In der wissenschaftlichen Analyse der Inflation wird üblicherweise zwischen „Cost push“- und „Demand pull“- Faktoren unterschieden. Der Kostendruck ist angesichts der Beschäftigungslage mäßig. Aus den USA, wo die Arbeitslosigkeit stark hochgeschnellt war, wird gelegentlich berichtet, dass Unternehmen die Löhne zu drücken versuchen. In den Ländern der EWU hat sich der Anstieg der Tariflöhne von durchschnittlich über 2% (gg. Vorjahr) in den Jahren 2018/19 im Jahresverlauf 2020 auf nur noch 1,6% (Q3/20) vermindert. Die Rohstoffpreise als zweiter wichtiger Kostenfaktor bewegen sich allerdings eher nach oben. Die Preise von Industriemetallen und Eisenerz haben sich aufgrund der guten Nachfrage aus China bereits deutlich erholt; der Ölpreis ist bislang noch moderat, könnte aber im neuen Jahr mit der Belebung der wirtschaftlichen Aktivitäten und des Verkehrsaufkommens zulegen. Für die Europäer allerdings wird der Anstieg der Dollar- notierten Rohstoffpreise durch die Aufwertung des Euro tendenziell kompensiert.  

Auch die anziehende Nachfrage dürfte zunächst nicht inflationär wirken. Selbst eine kräftige Belebung der Wirtschaft im späteren Verlauf von 2021 wird die vorhandene Nachfragelücke bestenfalls schließen. Nicht auszuschließen ist, dass strukturelle Veränderungen infolge der Corona-Krise einen etwas höheren Preisauftrieb begünstigen. Berechnungen der EZB beispielsweise zeigen, dass die Inflationsrate auf Basis eines Warenkorbes, der besser den derzeitigen, veränderten Verbrauchsstrukturen entspricht, eine um rund zwei Zehntel höhere Inflationsrate ergibt.

  Auf etwas längere Sicht aber könnte möglicherweise die staatliche Ausgabentätigkeit bedeutsam werden. Aktuell konzentriert sich die staatliche Aktivität darauf, Einkommenseinbußen zu kompensieren  und damit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu stabilisieren. Doch viele der jetzt aufgelegten Programme, darunter auch der 750 Mrd. € schwere Wiederaufbauplan der EU-Kommission, sind als Konjunkturpaket angelegt und werden zusätzliche Wachstumsimpulse geben. In den USA nimmt die Biden-Administration im Januar die Amtsgeschäfte auf. Neben zusätzlichen Corona-Hilfen planen die Demokraten mehrere Billionen US$ schwere Ausgaben (vor allem für Infrastruktur, Bildung, Gesundheit, Wohnen). Abhängig vom konjunkturellen Umfeld kann das inflationär wirken.

Steigende Inflationsrisiken würden normalerweise die Geldpolitik auf den Plan rufen. Doch die massiv gestiegene Staatsverschuldung bringt die Notenbanken in die missliche Lage, mit Zinserhöhungen sehr vorsichtig sein zu müssen. In den USA steuert die Staatschuldenquote auf 140% zu, in der EWU ist die Quote mit gut 100% im Durchschnitt günstiger, doch wichtige Länder wie Italien (rd. 160%) sowie Frankreich und Spanien (rd. 120%) liegen wesentlich höher. Die hohe Verschuldung macht die Staatshaushalte wesentlich anfälliger gegenüber steigenden Zinssätzen, zumal die Verschuldung in einigen Fällen (v.a. Italien) hinsichtlich der Schuldentragfähigkeit grenzwertig ist. Man sollte meinen, dass die Höhe der Verschuldung die Finanzpolitiker vorsichtiger werden lässt. Die scheinen jedoch oft darauf zu bauen, dass die Notenbanken die haushaltspolitischen Spielräume erhalten oder schaffen. Die hohe Verschuldung schränkt also eher die Handlungsfähigkeit der Geldpolitik in restriktiver Richtung ein.  

Was ist das Fazit? Auf kürzere Sicht sind die Inflationsrisiken gering. Im Jahr 2021 dürfte die Inflation im Euroraum steigen, aber dennoch deutlich unter den Zielvorstellungen der EZB bleiben. Die Preisentwicklung in den USA ist etwas dynamischer, aber keinesfalls kritisch. Längerfristig ist mehr Vorsicht angeraten. Niedrigzinspolitik und Anleihekäufe führen zwar nicht per se zu Inflation. Die hohe Staatsverschuldung zwingt die Notenbanken allerdings zur Rücksichtnahme und verzögert möglicherweise eine notwendige Straffung der Geldpolitik.


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