Die Kursrückgänge im September, besonders bei den hoch bewerteten US-Technologieaktien (der technologielastige NASDAQ-Index verlor seit der Spitze über 10%), sehen wir mehr als gesunde, markttechnisch und weniger fundamental bedingte Konsolidierungskorrektur.
Auf der Makro-Seite hellen sich einige wichtige Indikatoren weiter auf: Nachdem die Wirtschaftsleistung im ersten Halbjahr deutlich zusammengebrochen ist (BIP EU -15,1%, USA -10,8%, Japan -8,4%. Ausnahme China +1,5%), deuten nun sämtliche PMI-Indikatoren (verarbeitendes Gewerbe und Dienstleistungssektor) auf eine deutliche Erholung hin (Werte über 50). Dies ist auf die großen Hilfspakete (Fiskalimpulse) und geldpolitischen Finanzspritzen (Ausweitung Geldmenge M1, M2) in Billionen-Höhe zurückzuführen.
In diesem Zusammenhang werden vermehrt zwei Fragen von unseren Investoren an uns herangetragen: kommt es nicht doch bald zu einem deutlichen Inflationsschub und wann kommt endlich eine nachhaltig anhaltende Rotation von Wachstums- in Value-Titel?
Hier möchten wir kurz auf die zweite Frage eingehen. In den vergangenen Jahren war die Sachlage ziemlich klar: Wer als Anleger erfolgreich sein wollte, der musste auf wachstumsstarke Aktien (Growth) setzen, Substanzwerte (Value) hatten in den letzten 13 Jahren mehrheitlich das Nachsehen. Einige Analysten und Marktkommentatoren beginnen nun eine Trendwende zugunsten der Value-Aktien zu prognostizieren. Wir denken aber nicht, dass dies – mit Ausnahme von kurzfristigen, zyklischen und durchaus kräftigen Gegenbewegungen – eintreten wird. Es zeigt sich, dass die Gewinne und Gewinnerwartungen für die beiden wichtigen Growth-Sektoren Technologie und Gesundheit in den vergangenen 10 Jahren beinahe stetig angestiegen sind. Selbst der Corona-bedingte Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität in diesem Jahr geht an beiden Branchen fast unbemerkt vorbei. Ganz anders stellt sich dagegen die Situation bei den Value-Sektoren dar: Sowohl bei den Finanz-, Energie- als auch bei den Industriewerten kommt es zu einem signifikanten Gewinneinbruch.
Wer auf die zukünftigen Gewinne setzt, der setzt also weiterhin eher auf Growth- als auf Value-Aktien, die zudem schon seit über einem Jahrzehnt eine nur unbefriedigende Ertragslage zu verzeichnen hatten. Neben den Unternehmensgewinnen spielt die Zinsentwicklung eine entscheidende Rolle für die relative Attraktivität von Growth- gegenüber Value-Aktien. Aus unserer Sicht spricht wenig für ein Szenario steigender Zinsen (selbst wenn aktuell v.a. in USA die Zinskurve am langen Ende, wegen steigenden Inflationserwartungen, wieder gestiegen ist: der Zinsunterschied zwischen 5- und 30-jährigen US Anleihen ist zum Beispiel auf 126 Basispunkte angestiegen. Dies ist nahe am Hoch vom Juni 2020 und so hoch wie dies zuletzt im Jahr 2016 erreicht wurde). Wir sind also (noch) nicht davon überzeugt, dass eine Phase einer nachhaltig besseren Wertentwicklung von Value-Aktien zu erwarten ist. Die einzigen Hoffnungsschimmer für Value sind aus unserer Sicht die, dass sich einerseits die relativen Gewinnerwartungen gegenüber Growth zuletzt verbessert haben. Andererseits könnte eine mögliche Joe Biden US-Präsidentschaftswahl, einschließlich der Kontrolle beider Kammern, die Fiskalimpulse (inkl. Green Deal Programme) deutlich beschleunigen, was Value Sektoren favorisieren würden.
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