Die Corona-Pandemie hinterlässt tiefe Spuren in Wirtschaft und Gesellschaft. Um die entstandenen Schäden zu beheben, Aufschwung und Beschäftigung anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schützen, hat die Europäische Kommission am 26. Mai 2020 einen umfassenden Europäischen Aufbauplan vorgeschlagen, der das Potenzial des EU-Haushalts voll ausschöpfen soll. Am 21. Juli 2020 haben die Staats- und Regierungschefs nun eine Einigung über diesen Aufbauplan und den mehrjährigen Finanzrahmen 2021– 2027 erzielt. Von dem auf max. EUR 750 Mrd. geschnürte Hilfspaket sind mehr als EUR 300 Mrd. allein für die Krisenländer Italien und Spanien reserviert.
Auf kurze Sicht ist jeder ein Gewinner.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron drängen auf eine pro-europäische Integrationsagenda und schwächen damit die Euroskeptiker zu Hause und auf dem ganzen Kontinent. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, kann eine erfolgreiche Antwort auf eine EU Wirtschaftskontraktion von mehr als -10% geben, welche die Mitgliedsstaaten nicht weiter mit höheren Schuldenständen und begrenztem fiskalischen Spielraum belastet. Die Italiener und Spanier erhalten dringend benötigte Unterstützung, die ihre beiden Regierungen gegen die (bisher) wachsenden Anti-Establishment-Schübe im eigenen Land stärkt.
Fazit:
Die noch vor wenigen Monaten sehr reale Möglichkeit, dass Brexit-ähnliche Gefühle zu einem Auseinanderbrechen der EU führen könnten, scheint nun vom Tisch zu sein - zumindest für ein paar weitere Jahre. Die Pro-EU-Führer haben die Pandemie erfolgreich genutzt, um die Macht der EU auszuweiten und die Opposition ruhig zu stellen. Dies ist eine bedeutende Veränderung des Zeitgeistes. Der Grundsatz, dass die Europäische Kommission Anleihen ausgeben und dafür Steuern eintreiben kann, ist nun festgelegt. Die getroffenen Maßnahmen stellen eine signifikante Weichenstellung für den Fortbestand der EU dar und deren Wirkungen sollten nicht unterschätzt werden. Die unmittelbare Konsequenz davon haben wir bereits im Juli anhand der Aufwertung des EURO gesehen, insbesondere gegenüber des USD.
Ein relativer Stimmungswandel Zugunsten Europas wird zudem beflügelt durch:
- Die EU hat zumindest im Moment die COVID-19-Fälle auf ein viel niedrigeres Niveau als USA zurückgedrängt. Dies ermöglicht es Europa, wieder einen gewissen Anschein normaler wirtschaftlicher Aktivität zu erwecken.
- In der Zwischenzeit haben steigende Ansteckungsraten und Todesfälle in den USA einige Gouverneure dazu gezwungen, die Geschäfts- und Bewegungsbeschränkungen wieder einzuführen. Umfangreiche Vorsichtsmaßnahmen dürften bis in den Herbst hinein andauern, wenn die Schulen wieder öffnen (oder dies versuchen) und die normale Grippesaison beginnt. Die Konsumentenstimmung und der weitere Verlauf der konjunkturellen Erholung könnten in den USA kippen.
Finden Sie hier weitere Artikel von Patrick Picenoni .