Für einen Investor in der Eurozone gab es in den letzten 10 Jahren nur wenige Lichtblicke. Kaum war die Finanzkrise überstanden, schlitterte die Region in die von Griechenland ausge-löste Eurokrise.
Ohne das entschlossene Eingreifen der EZB („whatever it takes“) wäre sie wahrscheinlich schon Geschichte. Neidisch blickt man in die USA, wo die FED und trotz mancher Kritik auch die Regierungen Obama und Trump für wirtschaftlichen Aufschwung und steigende Börsen sorgten.
Als jetzt Europa mit voller Wucht von der Corona-Pandemie getroffen wurde, fühlte man sich erneut an die dunkelsten Stunden in der Finanz- oder Eurokrise erinnert. Die Eurozone schien angesichts der Probleme der südeuropäischen Länder wieder einmal in ihrer Existenz bedroht. Erneut musste die EZB mit Anleihekäufen und Kreditprogrammen aushelfen, ohne aber das seit Jahren schwelende Transferproblem zwischen dem wohlhabenden und sparsamen Norden und dem armen und „ausgabefreudigen“ Süden an der Wurzel zu packen. Da hat auch die deutliche Bilanzverlängerung auf mittlerweile € 5.700 Mrd. wenig geholfen.
Aber Politiker sind offensichtlich lernfähiger, als ihnen vielfach zugetraut wird. Der deutsch-französische Vorschlag eines EU-Wiederaufbaufonds zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie wurde dankbar von der EU-Kommission aufgegriffen und soll sogar von dem ursprünglich geplanten Volumen von € 500 Mrd. auf € 750 Mrd. aufgestockt werden. Der Clou ist aber, dass dieser Fonds über die Ausgabe von Anleihen und nicht mehr über das EU-Budget finanziert wird, d.h. die EU tritt als eigenständiger Emittent auf und nicht mehr nur die einzelnen Mitgliedstaaten. Der Einstieg in eine „Fiskalunion light“ ist damit vollzogen. Klärungsbedarf gibt es noch über die Verteilung der Mittel und die Vergabekriterien (Kredite oder Zuschüsse). Die gemeinschaftliche Finanzierung und Haftung stehen aber nicht in Frage.
Neben vielen international ausgerichteten Anlegern wie Staatsfonds, Pensionskassen, aber auch ausländische Notenbanken wird die EZB ein wichtiger Nachfrager nach diesen Anleihen sein. In diesem und dem nächsten Jahr wird sie wahrscheinlich bis zu € 2.000 Mrd. an Anleihen kaufen, davon etwa € 1.500 Mrd. Staatsanleihen. Diese Summe reicht aus, um das erwartete Budgetdefizit aller Mitgliedsländer für die Jahre 2020 und 2021 zu „monetisieren“.
Die Ergänzung des monetären Transfersystems über die EZB durch eine Fiskalunion eröffnet erstmals seit 2010 eine wirkliche Chance, den Risikoaufschlag für europäische Assets, der die Furcht vor einem Zerfall der Eurozone widerspiegelt, nachhaltig zu reduzieren.
Hinzu kommt, dass die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone und in noch stärkerem Ausmaß die Kurse europäischer Aktien hinter den USA und Asien zurückgeblieben sind. Die Erwartungen und die Aktienquoten sind jeweils gering, die Kurse dementsprechend günstig. Also insgesamt ein idealer Nährboden für eine Aufholbewegung gegenüber der restlichen Welt. Europäische Assets sind reif für eine Neubewertung.
Wer wird profitieren?
Eine weniger krisenanfällige Eurozone wird sich prinzipiell positiv auf die Bewertung aller europäischen Assets auswirken. Besonders werden aber die Anlageklassen profitieren, bei denen die Auswirkungen eines Zerfalls der Eurozone bisher als besonders gravierend eingeschätzt wurden, d.h. Aktien und Anleihen aus Südeuropa, Finanzwerte und konjunkturabhängige, stark auf Europa fokussierte Sektoren, die typischerweise aus dem „Value“-Segment stammen.
Value-Aktien sind seit der Finanzkrise deutlich hinter der Entwicklung des Gesamtmarktes zurückgeblieben. Eine nachhaltige Gegenbewegung hängt allerdings auch an der Verbesserung des wirtschaftlichen Umfelds (vgl. Grafik 1). Da die Aussichten aber selten so unklar waren wie heute – die Economic Surprises haben sich zwar von ihrem historischen Tief gelöst, die Erholung ist aber zum Stillstand gekommen – gibt es attraktivere Investitionsmöglichkeiten.
Besonders der Finanzsektor hat es uns angetan, v.a. Aktien von Versicherungen und (Nachrang-) Anleihen von Banken...
Lesen Sie hier den ausführlichen Originalartikel "Europäische Assets vor Neubewertung" mit Grafiken.
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