19.06.2020 -
Nach den Gewinnmitnahmen der Vorwoche scheinen die Anleger händeringend auf eine Wiedereinstiegsmöglichkeit gewartet zu haben. Lange fackelten die Marktteilnehmer hierbei nicht: Die am Dienstag verkündete Entscheidung der US-Notenbank, neben ETFs auch Einzeltitel im Rahmen ihres Kaufprogramms zu erwerben (s. unten), sorgte für Kauflaune an den globalen Börsen. Damit nahm die Erholung an den Aktienmärkten erneut Fahrt auf, die neben dem geld- und fiskalpolitischen Stimulus auch vom Konjunkturoptimismus getragen wird. Die im Wochenverlauf veröffentlichte Fondsmanager-Umfrage der Bank of America stellt diese Stimmungsaufhellung gut dar: Die meisten Befragten erwarten, dass der Einkaufsmanagerindex (PMI) des verarbeitenden Gewerbes die Expansionsschwelle von 50 im dritten Quartal diesen Jahres überschreiten wird, in der Umfrage vom Vormonat galt Q4 2020 noch am wahrscheinlichsten. Ein gutes Bild des Anlegersentiments zeigte auch die Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW): Während die Einschätzung der aktuellen Lage enttäuschte (Umfragewert: -83,1, erwartet -82), fiel die Erwartungskomponente mit 63,4 Zählern besser als die Bloomberg-Konsensschätzung aus (erwartet: 60,0).
US-Notenbank beflügelt die Märkte
Die US-Notenbank Fed hat mit dem Main Street Lending Program zum Beginn der Woche ein weiteres ihrer zahlreichen Hilfsprogramme gestartet. Mit einem Kreditvolumen von 600 Mrd. US-Dollar möchte die Fed kleine und mittelständische Unternehmen unterstützen, die mit den Folgen der Corona-Pandemie kämpfen. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand aber eines der beiden Kaufprogramme für Unternehmensanleihen, die Secondary Market Corporate Credit Facility (SMCCF). Bisher beschränkten sich die Unternehmensanleihekäufe der Fed auf ETFs, nun hat die Notenbank am Dienstag verkündet, zusätzlich ein breit-diversifiziertes Corporates-Portfolio am Sekundärmarkt zu erwerben. Die Kaufkriterien bleiben dagegen unverändert: In Frage kommen Unternehmensanleihen mit einer Restlaufzeit von höchstens 5 Jahren, begeben von US-Emittenten, die am 22. März ein Bonitätsrating im Investment Grade-Bereich (min. BBB- (S&P) bzw. Baa3 (Moody’s)) hatten. Letzteres Kriterium gilt als besonders umstritten, da die Fed auch Anleihen von Unternehmen kauft, die nach dem 22. März in den spekulativen Bereich (High Yield) herabgestuft wurden. Dadurch möchte die Fed Emittenten in das Kaufprogramm einschließen, die im Zuge der Corona-Pandemie ihr Investment Grade-Rating verloren haben (sogenannte „Fallen Angels“) und gleichzeitig verhindern, Unternehmen zu finanzieren, die bereits vor der Krise bonitätsschwach waren.
Auf die Ankündigung der US-Notenbank kam es zu einer Rallye der Unternehmensanleihen; analog zu den Aktienkursgewinnen engten sich die Risikoprämien für Corporates, gemessen als Renditeaufschlag gegenüber als sicher geltenden Staatsanleihen, weiter ein. Durch die üppigen Anleihekäufe der Notenbanken dies- und jenseits des Atlantiks bleiben Unternehmensanleihen grundsätzlich gut unterstützt, wir sehen tendenziell weiteres Einengungspotenzial der Renditeaufschläge, sowohl für US-Corporates als auch für Unternehmensanleihen im Euroraum. Frei von Risiken ist der Corporate Bonds-Markt gewiss nicht; die virusbedingte Rezession erhöht das Ausfallrisiko, insbesondere in angeschlagenen Sektoren. Luftverkehrsgesellschaften sind beispielsweise besonders von der Pandemie betroffen, denn ohne Flugverkehr brechen die Einnahmen weg, was schließlich Liquiditätsengpässe bzw. Solvenzprobleme herbeiführen kann. Anleger sollten deshalb trotz Notenbankunterstützung umsichtig vorgehen und Anleihen bonitätsstarker Emittenten vorziehen.
Was erwartet uns in KW 26?
Anleger dürften sich in der nächsten Woche auf gewichtige Einträge im Datenkalender freuen. Am Dienstag veröffentlicht Markit die vorläufigen Einkaufsmanagerindizes für eine Reihe von Volkswirtschaften, darunter Deutschland, die Eurozone im Aggregat und die USA. Die Werte werden wohl in keinem der drei Fälle die Schwelle von 50 Punkten, die mit einer erwarteten wirtschaftlichen Expansion verbunden wird, überschreiten. Dies ist beispielsweise in China der Fall, wo die konjunkturelle Erholung vergleichsweise fortgeschritten und entsprechend bessere Umfrageergebnisse zu sehen sind. Für das Marktgeschehen dürfte aber ein Ausbleiben einer negativen Überraschung ausreichend sein, eine Verbesserung im Vormonatsvergleich wird den Konjunkturoptimismus weiter nähren – von den Einkaufsmanagerindizes dürfte also keine große Gefahr für die Aktienmarktentwicklung ausgehen. Gleiches gilt für den ifo-Geschäftsklima-Index, der kommenden Mittwoch veröffentlicht wird. Vor dem Hintergrund der voranschreitenden Öffnung des öffentlichen Lebens in der Bundesrepublik, rechnen wir auch hier nicht mit einer (allzu großen) negativen Überraschung.
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