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Interview

Dr. Frank Engels (Union Investment): „Überlegtes Handeln ist gefragt“

© Union Investment

19.05.2020 - Die Coronakrise hält an, aber ein erster Höhepunkt scheint überwunden. Das öffentliche Leben fährt wieder hoch. Mit den Lockerungsmaßnahmen steigt auch die Wirtschaftsaktivität an. Parallel dazu zeichnen sich die langfristigen ökonomischen Auswirkungen und bleibenden Folgen für die Kapitalmärkte ab. Dr. Frank Engels, Leiter des Portfoliomanagements von Union Investment, ordnet die Lage ein und gibt einen Ausblick.

Herr Dr. Engels, die Kapitalmärkte zeigen sich seit ihrem Tiefpunkt Mitte März deutlich erholt. Haben die Börsen die Coronakrise abgehakt?

Nein, das glaube ich nicht. Aber wir haben vermutlich das Schlimmste hinter uns. Entscheidend für die weitere Entwicklung an den Kapitalmärkten bleibt der Pandemieverlauf. Denn nur eine Eindämmung des Virus erlaubt Öffnungsmaßnahmen – und ohne die ist wirtschaftliche Aktivität nicht möglich. Das treibt dann in letzter Konsequenz auch die Kapitalmärkte.

Wie schätzen Sie die jüngsten Entwicklungen ein?

Es gibt unübersehbare Fortschritte, und zwar in vielen Regionen. Das ist wichtig, denn bei einer globalen Pandemie sind regionale Verbesserungen nie von Dauer. In Asien, aber auch in Europa hat sich die Lage deutlich aufgehellt. Das ist ein sehr gutes Zeichen. Im Ergebnis sehen wir beispielsweise in China bereits eine deutlich anziehende Wirtschaftsaktivität, etwa bei den Autozulassungen. Andere Regionen stehen jedoch nach wie vor vor großen Herausforderungen. Indien, Russland oder Brasilien sind solche Beispiele. Für eine Entwarnung ist es daher noch zu früh. Die ultimative Entwarnung gibt es erst, wenn ein wirksames Medikament oder ein Impfstoff gefunden ist.

Welche Auswirkungen wird die Pandemie auf das Wirtschaftswachstum haben?

Die Wachstumseinbußen werden dramatisch sein, das ist keine Frage. Wir rechnen mit einem mehr als doppelt so großen BIP-Einbruch wie während der Finanzkrise, und zwar in deutlich kürzerer Zeit. Insbesondere das zweite Quartal 2020 dürfte wirtschaftlich sehr schwierig werden. Danach sollte es schrittweise wieder aufwärts gehen, aber zunächst nur mit verhaltenem Tempo. Denn: Die Arbeitslosigkeit ist höher, die Kurzarbeit wird nur langsam zurückgefahren, das Vorsichtssparen der Bürger und Unternehmen hat zugenommen, und einige Branchen wie zum Beispiel der Tourismus werden längerfristig unter den nach wie vor geltenden Regeln und Einschränkungen leiden. Ab Mitte kommenden Jahres sollte das Wachstum dann wieder richtig Fahrt aufnehmen – auch weil bis dahin hoffentlich ein Impfstoff verfügbar sein wird.

Folglich müssen wir im Jahr 2020 mit einer schweren Rezession rechnen?

So ist es leider. Als Daumenregel gilt: Jede Woche Lockdown kostet zwischen 0,7 und 1,0 Prozent Wirtschaftswachstum. Da ist in den vergangenen zwei Monaten also einiges zusammengekommen. Je nach Betroffenheit eines Landes sind die Schäden größer oder weniger groß. Aber ungeschoren kommt keine Volkswirtschaft davon.

In den USA dürfte das Wachstum beispielsweise um 7,0 Prozent einbrechen. Zudem nimmt in den USA ab dem Sommer der Wahlkampf um die Präsidentschaft volle Fahrt auf. Hier besteht die Gefahr, dass es infolge der Corona-Pandemie zu zunehmenden Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und China kommen könnte. Denn mit seiner Krisenkompetenz bei der Viruseindämmung wird Präsident Trump die Wahl kaum gewinnen können. Mit einem härteren Kurs gegen China – dem Ursprungsland des Virus – könnte er hingegen vermutlich Pluspunkte bei seiner Wählerklientel sammeln.

Wie ist die Lage in Europa?

Sehr ähnlich, sowohl konjunkturell als auch politisch. Auf die Konjunktur bezogen gehen unsere Volkswirte von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 8,5 Prozent im Euroraum aus. Besonders hoch werden die Wachstumseinbußen in Italien und Spanien mit 11,7 bzw. 11,5 Prozent ausfallen.

In Deutschland erwarten wir ein BIP-Minus von 6,7 Prozent. Nachhaltig nach oben dürfte es dann ab Mitte 2021 gehen. Die Erholung in Deutschland dürfte dabei kräftiger ausfallen als in von der Krise besonders stark betroffenen Ländern wie Italien, Frankreich und Spanien. Sie hängen zudem allesamt stärker vom Tourismus ab als Deutschland.

Auf politischer Ebene muss die EU beim Thema „Umsetzung des Brexit“ eine Einigung mit den Briten bis zum Jahresende finden. Das scheint zunehmend unwahrscheinlich. Auch zeigt die kontroverse Diskussion um die Finanzierung der Bekämpfung der Coronalasten, dass die politischen Spannungen in der Eurozone eher zunehmen dürften. In Summe bleiben damit die geopolitischen Risiken hoch.

Sie sprachen es schon an: Die Notenbanken und Regierungen haben in den vergangenen Monaten mit umfangreichen Hilfen auf die Coronakrise reagiert. Wie beurteilen Sie diese Schritte?

In Summe sehr positiv. Nach einigen Startschwierigkeiten reagierten die Zentralbanken sehr schnell und sehr massiv. Rund um den Globus gab es enorme geldpolitische Lockerungen. Damit wurde ein Übergreifen der Krise von der Real- auf die Finanzwirtschaft vermieden. Das hat auch den Kapitalmärkten sehr geholfen. Die Erholung der letzten Wochen geht zu einem großen Teil auf das Konto der Notenbanken. Die Regierungen haben ihren Teil zur Abmilderung beigetragen. Ob in Europa, den USA oder zuletzt in Schwellenländern wie Indien: Konjunkturpakete und Notenbankmaßnahmen haben das Schlimmste verhindert und helfen dabei, die Krise zu überwinden. Doch bei aller Geld- und Fiskalpolitik ist und bleibt der Schlüssel die Eindämmung des Virus.

Mit Blick auf die geldpolitischen Lockerungen ist Inflation ein Thema. Gehen Sie von einem Anstieg der Teuerung im Nachgang der Krise aus?

Nein, das glaube ich nicht. Kein Krieg oder Ähnliches hat unser Produktionspotenzial beziehungsweise den Kapitalstock nachhaltig beschädigt. Es besteht also nicht die Gefahr einer Güterknappheit bei zugleich steigender Nachfrage. Eine solche Situation würde zu einer nachhaltig höheren Inflation führen. Im Gegenteil: Der Kapitalstock ist unversehrt, die Nachfrage ist allerdings gesunken. Als Konsequenz sollten wir eher sinkenden Preisdruck, also Disinflation sehen. Zwar können kurzfristig die Preise bei einigen Waren krisenbedingt steigen, aber in Summe überwiegen die dämpfenden Effekte wie zum Beispiel durch den gesunkenen Ölpreis.

Und wie sieht es mittel- bis langfristig aus?

Die Sorge vor einer geldmengeninduzierten Inflation hat sich im vergangenen Jahrzehnt immer als falsch herausgestellt. Sicherlich werden einige Preise für Dienstleistungen nachhaltig steigen, beispielsweise im Flugverkehr oder in der Reisebranche. Einen Anstieg der Preise für Güter und Dienstleistungen auf breiter Basis sehen wir aber auch im Nachgang dieser Krise nicht. Stattdessen sollte das geringere Wachstum den Inflationsdruck begrenzen, etwa weil starke Lohnsteigerungen unwahrscheinlich werden. Wir werden sowohl bei Verbrauchern als auch bei Unternehmen Zurückhaltung im Ausgabeverhalten sehen. Das hält solange an, wie es eine große Unsicherheit hinsichtlich der Entwicklung der nationalen und globalen Konjunktur sowie der Sicherheit der Arbeitsplätze gibt.

Wir rechnen für den Euroraum daher mit jährlichen Preissteigerungen von 0,6 Prozent für 2020 und 2021. Für Deutschland liegen unsere Prognosen mit 0,7 und 1,4 Prozent aufgrund der besseren wirtschaftlichen Lage etwas höher. Aber insgesamt sind das Inflationsniveaus, die keinem Zentralbanker eine schlaflose Nacht bereiten würden. Mit anderen Worten: Eine veränderte Geldpolitik aufgrund der Inflationsentwicklung ist auf absehbare Zeit nicht in Sicht.

Wie schätzen Sie die Aussichten an den Kapitalmärkten vor diesem Hintergrund ein?

Kurzfristig bleiben die Kapitalmärkte anfällig. Das liegt zum einen daran, dass ein Großteil der graduellen Erholung der wirtschaftlichen Aktivität, die wir für das zweite Halbjahr erwarten, nach der Erholung der letzten Wochen bereits in den Assetpreisen vorweggenommen ist. Einen weiteren deutlichen Anstieg kann man erst erwarten, wenn das Coronavirus nachhaltig eingedämmt ist oder ein Impfstoff zur Verfügung steht. Wer also einen hinreichend langen Anlagehorizont mitbringt, für den bieten sich derzeit durchaus noch Einstiegskurse. Allerdings kommt es mehr denn je auf eine sorgfältige Titelauswahl an.

Warum ist das so?

Weil die Krise zwar alle trifft, aber eben nicht alle gleich. Im Ergebnis nimmt die Dispersion zu. Besonders plastisch sieht man das am DAX-30-Index. Hier gab es bei einigen Titeln seit Jahresanfang Kursverluste von bis zu 50 Prozent, gleichzeitig aber auch Aktien mit zweistelligen Gewinnen. Die Krise bietet also durchaus Chancen für aktives Management.

Wo sehen Sie derzeit die größten Chancen?

Nach wie vor bei Unternehmensanleihen guter Bonität und bei Aktien. Bei Aktien sollte es eine gute Mischung von Unternehmen sein, die von den Folgen der Corona-Pandemie profitieren. Die Branchen Onlinehandel, Digitaltechnik, Software und Gesundheit gehören mittelfristig in jedes Portfolio, ebenso wie gut geführte und nachhaltig profitable Großkonzerne aus anderen Branchen. Für einen Fokus auf zyklische Aktien halten wir die Zeit noch nicht gekommen. Dafür benötigen wir deutlichere Hinweise, dass die Konjunktur dynamisch Fahrt aufnimmt.

Und bei Anleihen?

Auf der Rentenseite stehen bei uns Unternehmensanleihen mit gutem Rating im Vordergrund. Wir empfehlen aber auch selektiv Hartwährungsanleihen solider Emittenten aus den Schwellenländern. Und auf der Währungsseite glauben wir, dass der US-Dollar in den nächsten Monaten graduell leicht abwerten sollte.

Wie lautet Ihr persönliches Investmentfazit?

Überlegtes Handeln ist jetzt gefragt, und keine Schnellschüsse. Die Coronakrise wird uns noch eine ganze Weile beschäftigen, auch wirtschaftlich. An der Börse nehmen aber die Chancen wieder zu, gerade wenn man einen langen Atem hat. Daher ist jetzt kein schlechter Zeitpunkt für den graduellen Auf- oder Ausbau von Risikoanlagen als Teil der Vermögensstrukturierung.

 

Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen: 19. Mai 2020, soweit nicht anders angegeben.



 

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